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Friedenspreis

Wim Abbink14. Oktober 2007

Der israelische Historiker Saul Friedländer ist in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Er erhielt die Ehrung für seine Forschung über den Holocaust.

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Saul Friedländer mit Urkunde des Friedenspreises
Saul Friedländer nach Erhalt des FriedenspreisesBild: AP

Bei der Preisvergabe erklärte der zuständige Stiftungsrat des Börsenvereins: "Saul Friedländer hat den zu Asche verbrannten Menschen Klage und Schrei gestattet, Gedächtnis und Namen geschenkt."

"Wenn wir diesen Schreien lauschen, dann haben wir es nicht mit einem ritualisierten oder institutionalisierten Gedenken zu tun", sagte Friedländer in seiner Dankesrede. In Anwesenheit von Bundespräsident Horst Köhler und Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte der israelische Historiker, dass die Verleihung des Preises "komplexe Gefühle" in ihm hervorrufe. Der Preis werde ihm zu einem großen Teil wegen der Thematik seiner Arbeit anerkannt, die für ihn persönlich keine wissenschaftliche Abstraktion darstelle.

Emotional kontrolliert

Friedländer schilderte in seiner Rede die aus bisher unveröffentlichten Briefen sowie Behördenprotokollen rekonstruierten letzten Monate im Leben seiner Eltern. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch aus Frankreich in die Schweiz wurden diese im November 1942 aus dem französischen Ort Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Solche Einblicke in die Vergangenheit einzelner Menschen seien "von allgemeiner Bedeutung für die Darstellung von Geschichte", sagte Friedländer.

Mit seinen Eltern war Friedländer 1939 nach Frankreich geflohen. Die Briefe seiner Mutter an seine Großmutter in Stockholm zeugen von einem schwierigen Leben im Exil. Briefe von Verwandten und Freunden zeichnen die Wege nach, die die Flüchtenden in den Kriegswirren auf sich nahmen. Emotional kontrolliert las der 75-Jährige vor den früheren Friedenspreisträgern Jürgen Habermas, Fritz Stern und Joachim Sartorius die letzten Zeugnisse vor, die von der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten zum Tode verurteilten Menschen verfasst hatten.

Ort der Erinnerung

In seiner Laudatio sagte der Germanist Wolfgang Frühwald, Friedländer gebe mit seiner Darstellung in "Das Dritte Reich und die Juden 1933-1945" den ermordeten und dann "spurlos von der Erde getilgten" Menschen einen Ort der Erinnerung zurück. "Wer dies nicht mehr hören kann, der hat es noch nie gehört", sagte der Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.

Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist einer der renommiertesten Kulturpreise in der Bundesrepublik. Die Verleihung gilt als Höhepunkt der Buchmesse.

Zwischenfall

Nach dem Festakt gab es einen Zwischenfall, als Bundespräsident Horst Köhler von einem offensichtlich geistig verwirrten Mann angegriffen worden. Das Staatsoberhaupt blieb bei der Attacke aber unverletzt, der 44-jährige Täter konnte von Sicherheitskräften sofort überwältigt werden, wie die Frankfurter Polizei berichtete. Köhler war mit dem Friedenspreisträger, dem israelischen Historiker Saul Friedländer, auf dem Weg von der Paulskirche zum Römerberg, als der Mann sich gegen 12.30 Uhr auf den Bundespräsidenten stürzte und diesen am Anzug zu fassen bekam. Der Angriff habe sich "quasi beim Bad in der Menge" ereignet, erklärte die Polizei.