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Frust in Ghanas Erdöl-Stadt

Gwendolin Hilse17. August 2014

Alles besser machen als der Nachbar Nigeria - das hatte sich Ghana fest vorgenommen, als die ersten Ölquellen sprudelten. Doch der Traum vom Wohlstand hat sich in der Küstenstadt Takoradi nur für wenige erfüllt.

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Fischer im Hafen von Sekondi-Takoradi, Ghana (Foto: DW/Gwendolin Hilse)
Bild: DW/G. Hilse

Händlerinnen drängen sich im Hafen von Sekondi-Takoradi. Den ganzen Tag lang haben sie hier an der Küste von Ghanas Westregion auf die Rückkehr der bunten Fischerboote gewartet. Jetzt wird es hektisch, jede will ihren Anteil, denn anders als noch vor zehn Jahren bringen die Männer heute keine prall gefüllten Netze mehr an Land. "Die Fangquoten sind drastisch zurückgegangen", sagt Emmanuel Nii Botchway, Vorsitzender von Ghanas Verband für Küstenfischerei. "Durch die Ölförderung auf offener See werden die Fischschwärme vertrieben."

Öl-Boom an der Goldküste

2007 wurde mit dem "Jubilee"-Feld etwa 60 Kilometer vor der Küste der Westregion eine der größten Ölquellen Afrikas seit der Jahrtausendwende entdeckt. Ghana fördert das Erdöl seit vier Jahren im großen Stil: 110.000 Barrel am Tag pumpen britische und amerikanische Konzerne aus dem Meeresboden, 85.000 davon allein aus dem Jubilee-Feld. Die Entdeckung des schwarzen Goldes sollte ein Segen für das kleine westafrikanische Land sein. Man wolle aus den Fehlern Nigerias und anderer Förderstaaten lernen, verkündete die damalige Regierung unter dem 2012 verstorbenen Präsidenten John Evans Atta Mills.

So verlangt das Ölfördergesetz von 2011 etwa, dass alle Zahlungen der Erdölkonzerne an den ghanaischen Staat offen gelegt werden. Außerdem sollen drei Viertel der Öl- und Gaseinnahmen in den Staatshaushalt fließen, der Rest soll gespart werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. Unter der neuen Regierung von Präsident John Dramani Mahama fließen immer mehr Einnahmen aus der Ölförderung in Projekte, für die das Geld eigentlich nicht vorgesehen ist.

Der Fischmarkt von Takoradi (Foto: DW/Gwendolin Hilse)
Auf dem Fischmarkt von Takoradi herrscht Gedränge, doch das Angebot ist knapper gewordenBild: DW/G. Hilse

Angst um die Existenz

2013 beschloss die Regierung ein neues Gesetz, das die Beteiligung ghanaischer Unternehmen und die Ausbildung von Einheimischen zu Fachkräften sicherstellen soll. Doch diese Initiativen kommen nur schleppend voran. Die Mehrheit der Bevölkerung profitiert bislang nicht vom Öl-Boom. Viele Fischer von Takoradi fürchten sogar um ihre Existenz. Laut der ghanaischen Statistikbehörde leben mehr als 2,4 Millionen Menschen in der Küstenregion vom Fischfang - ein Job, der auch immer gefährlicher wird: Viele Versorgungsschiffe und Öltanker sind vor der Küste unterwegs, nicht selten kollidieren sie mit den schlecht gesicherten Fischerbooten. Gerade bei Nacht, wenn die meisten Männer auf See fahren, ist das Risiko groß. "Die Kanus der Fischer haben meist nur kleine Laternen, die schon bei leichtem Wind oder bei Regen ausgehen", erklärt Emmanuel Nii Botchway vom Fischereiverband.

Der Hafen wird immer wieder um neue Anlegestellen für Öltanker erweitert. In einem Radius von 500 Metern um die Bohrinseln darf nicht mehr gefischt werden - die Ölfirmen haben ein "Eingeschränktes Gebiet für Fischereiaktivitäten" durchgesetzt. "Wenn man bedenkt, dass es zur Zeit allein an der Küste vor Takoradi an die 30 bis 40 Bohrinseln gibt, kann man sich ausmalen, was das für die Fischer bedeutet", sagt Botchway und schüttelt den Kopf. Zwar sei bislang noch kein Fischer wegen eines Verstoßes verhaftet worden, sagt er, aber die Marine habe ihre ganz eigenen Methoden, um auf die Ordnungswidrigkeit aufmerksam zu machen: "Einige Fischer haben uns berichtet, dass sie mit heißem Wasser übergossen wurden, nur weil sie das Sperrgebiet befahren haben."

Villen an der Beach-Road (Foto: DW/Gwendolin Hilse)
Einige wenige Menschen in Takoradi sind durch die Ölförderung reich geworden - sie leben in den neuen Villen der Beach-RoadBild: DW/G. Hilse

Vom Küstenstädtchen zum Boom-Town

Auch an Land macht sich der Ölrausch bemerkbar: Takoradi, einst eine verschlafene Küstenstadt, entwickelt sich zu einer Metropole, einer "Oil-City". Die meisten Ölfirmen haben hier ihren Sitz, von hier aus werden die Arbeiter auf die Bohrinseln gebracht. Im städtischen Tiefwasserhafen wird das Rohöl aus einer Pipeline auf Tanker gepumpt und verschifft. Inzwischen gilt Takoradi als eine der teuersten Städte Ghanas. "Seit der Entdeckung des Öls ist das Leben hier härter geworden", sagt Taxifahrer Samul Kquayson. "Alles ist teurer geworden: die Schulgebühren, die Lebenshaltungskosten und vor allem die Mieten." Die haben sich in der "Oil-City" in den vergangenen Jahren verdoppelt. "Die Kosten für ein Einzelzimmer sind mittlerweile so hoch, dass viele Leute ihre Unterkunft verloren haben", sagt Obeng Seth, der seit zehn Jahren in Takoradi lebt. "Jeder möchte jetzt an die reichen Leute aus den Ölfirmen vermieten."

Darauf müssten sich die Menschen eben einstellen oder auf die ländlichen Gebiete ausweichen, erklärt Emmanuel Collins Armah Brako. Er leitet eine Agentur in Takoradi, die zwischen den gut bezahlten Fachleuten der Ölfirmen, den sogenannten Expats, und den Vermietern vermittelt. "Die meisten Vermieter zielen auf die 'schweren Jungs' in der Stadt ab, also auf die, die es sich leisten können diese Objekte zu bezahlen."

Tiefseehafen von Takoradi (Foto: DW/Gwendolin Hilse)
Im neuen Tiefseehafen von Takoradi ist Platz für mehrere ÖltankerBild: DW/G. Hilse

"Beverly Hills" für Expats

Wer es sich leisten kann, der wohnt in der Beach-Road, die viele auch das "Beverly Hills" von Takoradi nennen. Hier reihen sich Villen an Luxusappartements. Die Monatsmiete für eine möblierte Zweizimmer-Wohnung mit Poolnutzung kann bis zu 6000 US-Dollar kosten. Bezahlt werden muss mindestens ein, lieber zwei Jahre im Voraus, akzeptiert werden nur US-Dollar.

Joseph Kweku Minlah arbeitet für die ghanaische Finanzbehörde und hat vor kurzem ein Grundstück gekauft - außerhalb Takoradis. "Im öffentlichen Dienst verdienen wir nun mal nicht so viel wie die Leute in den Ölfirmen." Die meisten Grundstücke seien auf die Gehälter von Expats zugeschnitten. "Unsereins muss einen Kredit aufnehmen, um überhaupt ein Stück Land kaufen zu können."

Der führende US-amerikanische Ölproduzent Tullow-Ghana vergibt jedes Jahr 114 Stipendien, um Ghanaern eine akademische Ausbildung im Ölsektor zu ermöglichen. Über zwei lokale Radiostationen werden Bildungsprogramme ausgestrahlt, in denen Repräsentanten des Konzerns sich den Fragen der Fischergemeinden stellen. "Das sind doch alles nur Projekte, mit denen die Ölfirmen zeigen wollen, dass sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden", sagt Emmanuel Nii Botchway vom Fischereiverband. "Unsere Netze bleiben am Ende leer."