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Nichts für Mädchen? - Frauenfußball in Südosteuropa

15. Juli 2011

Millionen TV-Zuschauer und tausende Stadionbesucher verfolgen die Frauen-WM in Deutschland - hier ist der Frauenfußball angekommen. In Südosteuropa ist das nicht nur ein Randthema, Fußball ist nach wie vor "Männersache".

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Fußball auf dem Rasen (Quelle: picture-aliance/augenklick/firo Sportphoto)
Der Frauenfußball in Südosteuropa fristet SchattendaseinBild: picture-alliance/augenklick/firo Sportphoto

"Ich weiß es nicht. Ich habe das Gefühl, man wird so geboren – mit der Leidenschaft zum Sport", antwortet Srebrina Papazikova, wenn man sie fragt, wie sie zu Fußball kam. Die 21-jährige Bulgarin hat einige Jahre in der U-19 Nationalmannschaft gespielt. Im April letzten Jahres kam sie nach Deutschland, um in Köln Sportwissenschaften zu studieren und eine Fußballtrainer-Lizenz zu erwerben. In ihrer Heimat war sie eine der wenigen Frauen, die aktiv und regelmäßig Fußball spielen.

Für ihre Sportleidenschaft musste Srebrina Papazikova viele Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. As sie mit dem Fußball Mitte der 90er Jahre anfing, gab es in ganz Bulgarien nur drei-vier Frauenfußballmannschaften. Ihr Verein war etwa 400 Kilometer von ihrer Heimatstadt Plovdiv entfernt, also musste sie oft reisen und von der Schule fehlen. Inzwischen gibt es acht offiziell angemeldete und zahlreiche kleine Frauenfußballvereine, aber als Frau in Bulgarien Fußball zu spielen heißt immer noch, Idealistin zu sein, sagt Srebrina Papazikova: "Man spielt nur, weil man Spaß daran hat. Man kriegt nichts zurück - nur Wunden."

Nur für "echte Kerle"

Zwei Fußballspielerinnen bei einem Zweikampf (AP Photo/Matthias Schrader)
Die Fußballfrauen überzeugten bei der WM in DeutschlandBild: AP

Auch in den anderen südosteuropäischen Ländern ist es nicht besser. Frauenfußball wird oft vernachlässigt, sowohl von den Männervereinen, als auch von den nationalen Fußballverbänden. Diese Erfahrung hat auch Aylin Yaren gemacht. Sie ist in Berlin geboren, ihre Eltern stammen aus der Türkei. Die 22-jährige Mittelfeldspielerin ist Profi-Fußballerin in der deutschen Liga, eine zeitlang spielte sie für die türkische Nationalmannschaft.

Die Bedingungen, unter denen Frauen in der Türkei Fußball spielen, kann man mit diesen in Deutschland gar nicht vergleichen, sagt sie. "Der Frauenfußball in der Türkei ist nicht so fortgeschritten wie hier, keine Nachwuchsforderung, keine professionelle Hilfe, gar nichts. Oft gibt es keinen festen Trainer", beklagt Yaren. Der Trainer hätte die Mannschaft nur nach Belieben trainiert und das auch nicht professionell gemacht. "Es war ihm egal, weil es Mädchen sind."

Dazu kommen die Vorurteile. In den überwiegend patriarchal geprägten Gesellschaften Südosteuropas wird der Fußball als eine typische Männerdomäne angesehen. Fußball – sagt man oft – sei etwas für "echte Kerle", Mädchen haben da nichts verloren. Gegen solche Klischees müssen auch die Spielerinnen vom Frauenfußball Verein SFK 2000 aus Sarajevo in Bosnien und Herzegowina kämpfen.

"Es ist schon merkwürdig, eine Frau zu sein und in Bosnien und Herzegowina trotzdem Fußball zu spielen. Im Ausland ist das etwas normales, hier aber nicht", sagt Azra Numanovic, Spielerin bei SFK 2000. Dennoch würden die bosnischen Fußballspielerinnen gegen die gängigen Klischees kämpfen.

Nicht nur Fußballspielerinnen, auch Journalistinnen, die sich für Fußball interessieren, werden oft von ihren männlichen Kollegen belächelt. "Obwohl ich seit 1994 Sportreporterin bin, passiert es mir heute noch, dass mir irgendein Macho sagt, der Platz einer Frau sei bei den Kochtöpfen", erzählt Ioana Cosma, Chefredakteurin des privaten rumänischen TV-Senders und Online-Portals "sport.ro". Sie hat aber immer eine Antwort parat und bleibt professionell. Cosma ist davon überzeugt, dass die Frauen in jeglicher Sportart überzeugen und gute Qualität zeigen können. Das beweise die Frauenfußball-WM in Deutschland.

Ein Wandel muss her

Die bulgarische U-19 Nationalmannschaft (Quelle: Srebrina Papazikova)
Nachwuchsspielerinnen aus BulgarienBild: Srebrina Papazikova

Trotzdem würde es nicht leicht sein, die bestehenden Klischees zu brechen, meint Ioana Cosma. Denn der Frauenfußball in Rumänien würde ein Schattendasein fristen - keine Sponsoren und kaum Publikum. "Ich weiß nicht, ob der Rumäne bereit ist, sich Frauenfußball im Stadion anzusehen. Wenn überhaupt, dann gäbe es nur anstößige Bemerkungen”, befürchtet die Journalistin.

Die Vorurteile dem Frauenfußball gegenüber sind gesellschaftlich bedingt, es ist eine allgemeine Macho-Kultur, die auch in diesem Bereich ihr Ausdruck findet, meint Xanthi Konstantinidou, Soziologin und Trainerin der ersten griechischen Frauenfußballmannschaft. Deswegen soll die Veränderung die ganze Gesellschaft umfassen. Fußballspielende Frauen seien nur ein Teil dieses Prozesses, sagt sie: "Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in Griechenland zu erreichen, ist nicht einfach. Die Werte hier sind ganz anders als in Deutschland oder in anderen nördlichen Ländern."

Nicht nur gegen eine andere Mannschaft auf dem Fußballfeld, sondern gleichzeitig auch gegen die Klischees in der Gesellschaft anzukämpfen, daran haben sich die Frauen in den südosteuropäischen Fußballvereinen schon gewöhnt. Ihre Leidenschaft für den Sport kann solche Hindernisse überwinden – die Frauen suchen einfach andere Wege. So wie etwa die Bulgarin Srebrina Papazikova, die nach Deutschland kam, um eine besondere Art der "Entwicklungshilfe" später leisten zu können: "Ich will hier studieren und Trainerin werden, damit ich dann zur Entwicklung des Frauenfußballs beitragen kann."

Autor: Zoran Arbutina

Redakteur: Blagorodna Grigorova