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Fußball weckt Hoffnungen im Südsudan

Lolade Adewuyi
16. Januar 2023

Nach einem Jahrzehnt des Krieges herrscht Frieden im Südsudan. Nun haben sich erstmals Nachwuchsmannschaften des Landes für große Fußballturniere qualifiziert. Die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft sind groß.

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Die U20 des Südsudan beim Training vor dem "Africa Cup of Nations" 2023
Die U20 des Südsudan beim Training vor dem "Africa Cup of Nations" 2023Bild: South Sudan Football Association/Facebook

Als der Südsudan im November 2022 im Halbfinale der ostafrikanischen CECAFA U20-Regionalmeisterschaft Äthiopien besiegte, herrschte großer Jubel in der Stadt Omdurman. Der Sieg bedeutete die Qualifikation für den U20-Afrika-Cup, das erste kontinentale Turnier für eine Mannschaft aus dem Südsudan. Es war die vorläufige Krönung nach langer harter Arbeit in der Zeit nach dem Ende des Bürgerkrieges in dem nordafrikanischen Land. "Die ganze Mannschaft hat sich auf das Spielfeld gelegt und weinte", sagte Mannschaftskapitän Joseph Loro der DW. "Wir waren so emotional, wir konnten unser Glück gar nicht in Worte fassen. Es war das Größte, was uns in unserem Leben passiert ist."

Der Fußball im Südsudan hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Weniger als einen Monat bevor sich die U20 qualifizieren konnte, hatte auch die U17-Mannschaft des Landes über die regionalen Qualifikationsturniere ihr Ticket für die Junioren-Kontinentalmeisterschaft gelöst und große Freude in im Land entfacht. 

Südsudans U20-Kapitän Joseph Loro (2.v.l.) vor dem Spiel Südsudan gegen Uganda in Omdurman
Joseph Loro (2.v.l): "Jeder hatte jemanden, der von dem Konflikt betroffen war"Bild: South Sudan Football Association/Facebook

Man habe sich von der Leistung der U17 inspirieren lassen, erklärt Joseph Loro. Seine Mannschaft sei entschlossen gewesen, es ebenfalls zu schaffen. Man habe sehr hart für den Erfolg gekämpft, so der U20-Kapitän. Er freue sich, dass er und seine Mannschaft die Menschen im Südsudan überraschen konnte und dass sie das nordafrikanische Land "auf die Fußball-Landkarte gebracht haben".

Der 1,97 Meter große Kapitän und sein Team repräsentieren eine neue Fußball-Generation des Südsudan. Sie hoffen, dass der Fußball ihnen helfen kann, die Geschichte des Landes zu verändern, das bisher überwiegend für seine Konflikte bekannt ist.

Vater stirbt im Bürgerkrieg

Der Bürgerkrieg im Südsudan forderte in den ersten zehn Jahren nach der Unabhängigkeit vom Sudan im Juli 2011 mehr als 400.000 Menschenleben. Auch Joseph Loros Vater wurde zum Opfer dieses Konflikts. "Jeder hatte jemanden, der von dem Konflikt betroffen war", erinnert sich der 18-Jährige, der bei seiner Mutter aufwuchs. "Aber wir kamen zusammen, um unser Land zu vertreten und die Vergangenheit zu vergessen."

Durch den Fußball kann der Mittelfeldspieler mittlerweile seinen Lebensunterhalt finanzieren. Entdeckt wurde Loro von Bilal Felix, dem heutigen Trainer der U17-Nationalmannschaft. Bei Fußballspielen in einem Stadtteil der Hauptstadt Juba hatte sich Loro in den Fokus des Trainers gespielt. Er schloss sich einer Fußballakademie an und wurde vom lokalen Verein Munuki FC unter Vertrag genommen. Loros neuer Klub übernahm die Schulgebühren und mit seinem Gehalt kann der Fußballer nun auch seine Familie finanziell unterstützen.

"Fußball bringt Menschen zusammen"

Als er in die Nationalmannschaft berufen wurde, hatte der Mittelfeldspieler bereits Führungsqualitäten entwickelt und wurde zum Kapitän ernannt. Seine Mitspieler kamen aus dem Südsudan, aber auch aus südsudanesischen Gemeinschaften in Kenia, Uganda und Ägypten, wohin sie durch den Bürgerkrieg vertrieben worden waren.

"Fußball bringt Menschen wieder zusammen - und zwar über alle Ethnien hinweg. Die Menschen, die auf dem Platz spielen, fragen sich nicht: 'Woher kommst du?' Sie sind einfach Teamkollegen", sagt Augustino Maduot, Präsident des südsudanesischen Fußballverbands SSFA, gegenüber der DW. "Das bringt Hoffnung für den Frieden. Es ist ein Mittel und ein Werkzeug, um all die spaltenden Dinge zu überwinden, die in unsere Gesellschaft gekommen sind."

Fußballspieler zweier Teams treten am 23.06.2017 in Juba (Südsudan) in der sogenannten "Ramadan League" gegeneinander an.
Alltag im Südsudan: Es fehlt nach wie vor an guten FußballplätzenBild: Miguel Juarez Lugo/dpa/picture alliance

Die jahrelangen Kämpfe forderten ihren Tribut im Land und ließen den Fußball und andere kulturelle Aktivitäten unterentwickelt zurück. Doch seit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens im Jahr 2020 hat sich der Fußball im Südsudan weiterentwickelt. "Es ist klar, dass die Entwicklung beeinträchtigt wird, wenn es Probleme gibt, und genau das ist passiert", erklärt Maduot, "weil der Sport in Zeiten des Bürgerkriegs einfach keine Priorität hatte." Jetzt, in Friedenszeiten, sei es ruhig geworden, sagt Maduot "und wir können alle unsere Organisationen und Gebiete erreichen, damit die Spieler wieder spielen können."

Mehr Infrastruktur notwendig

Maduots Arbeit konzentrierte sich überwiegend auf den Jugendfußball, die Entwicklung des Frauenfußballs und die technische Ausbildung von Trainern und anderen Funktionären. Doch das Land braucht auch mehr Infrastruktur, beispielsweise hochwertige Trainingsplätze, die für weitere Entwicklungen des Fußballs erforderlich sind.

Der Krieg ist nicht die einzige Ursache für fehlende Infrastruktur im Südsudan. Der ehemalige SSFA-Präsident Chobur Goc wurde von der FIFA für zehn Jahre ausgeschlossen, nachdem er sich 2019 durch Korruption um knapp 500.000 Euro bereichert hatte, die er aus FIFA-Zuschüssen an den südsudanesischen Verband entnahm.

"Jungen Menschen eine Chance geben"

Die Südsudanesen verfügen über eine Fülle von Fußballtalenten. Alleine vier Mitglieder der südsudanesischen Diaspora spielten bei der FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Garang Kuol, Awer Mabil und Thomas Deng gehörten zum Kader der australischen Nationalmannschaft. Die Familien der Spieler waren während des Krieges nach Australien geflohen. Der ehemalige Bundesligaspieler von Borussia Mönchengladbach Denis Zakaria, dessen Vater Südsudanese ist, gehörte zum Schweizer Team. "Die Südsudanesen sind bekannt für ihre Widerstandsfähigkeit und ihr Fußball-Talent", sagt Augustino Maduot. "Wir müssen diesen jungen Menschen eine Chance geben."

Er hofft, dass die Entwicklung der Jugendmannschaften auch in Zukunft weitergeht und möchte eine A-Nationalmannschaft aufbauen, die beim Afrika Cup und bei Weltmeisterschaften antreten kann. "Wir haben einen Traum", sagt Maduot. Wann er sich erfüllen wird, sei eine Frage der Zeit. 

"Werden uns nicht ausruhen"

Joseph Loro hofft, dass er seine Mannschaft als Kapitän beim U20-Afrika-Cup in Ägypten im Februar anführen kann. Dort treffen die Südsudanesen auf Uganda, die Zentralafrikanische Republik und den Kongo. Das Turnier ist ein großes Schaufenster für junge Talente. Ein gutes Abschneiden des Südsudan würde die Chance für die Nachwuchsspieler erhöhen, von Scouts der großen Klubs entdeckt zu werden.

"Einige unserer Gegner wissen nicht einmal, wo unser Land auf der Landkarte liegt", sagt Loro. "Wir werden uns nicht ausruhen und nicht aufhören, uns zu entwickeln. Unser Ziel ist es, uns für die U20-WM zu qualifizieren." So wolle man auch den Druck auf die U17 hochhalten, damit die ebenfalls weiterhin alles gibt.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.