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Der deutsche Bundestag

Jeanette Seiffert14. Oktober 2013

Der Bundestag ist das Zentrum der Demokratie in Deutschland. Das Parlament gilt als Garant der politischen Stabilität - doch seine Macht ist begrenzt.

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Der Reichstag spiegelt sich in einer Regenpfuetze. (Foto: AP)
Bild: dapd

Manchmal gibt es sehr feierliche Momente in dem halbrunden Sitzungssaal im Berliner Reichstagsgebäude: Dann zum Beispiel, wenn die Abgeordneten alle vier Jahre in der ersten Plenarsitzung nach einer Bundestagswahl den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin wählen.

Abbild des Bundestagsadlers Foto: Paul Zinken/dpa
Der Bundesadler ist das Wappentier Deutschlands und hängt auch im BundestagBild: picture-alliance/dpa

Oder wenn wichtige Staatsgäste vor den Parlamentariern sprechen dürfen - eine besondere Ehre. Die alltägliche Parlamentsarbeit dagegen ist eher unspektakulär: Auf den Tischen stapeln sich Gesetzesvorlagen, die im Minutentakt beschlossen werden, oftmals in stundenlangen, ermüdenden Sitzungen. Hin und wieder wird der Saal unter der mächtigen Glaskuppel des Reichstages aber auch zum Schauplatz großer Rededuelle. Mitglieder der Regierungskoalition verteidigen ihre Politik, die Opposition greift an, kritisiert, wirbt für Alternativen. Dann wird das Parlament zu einem Ort, an dem leidenschaftlich um Positionen und Überzeugungen gerungen wird.

Geburtsstunde der deutschen Nachkriegsdemokratie

Historisches Foto der konstituierenden Sitzung des ersten Bundestages Foto: Erna Wagner-Hehmke / Hehmke-Winterer
Das erste Mal: Konstituierende Sitzung des Deutschen BundestagesBild: ullstein bild - HDG, Bonn

Erstmals trat der Deutsche Bundestag am 7. September 1949 zusammen, seinerzeit noch im Bundeshaus in der damaligen Hauptstadt Bonn. Ein erhebender Moment nach den Jahren der Nazi-Diktatur, in denen das Parlament nur noch sporadisch tagte und faktisch keine freien Entscheidungen treffen konnte. Unter den ursprünglich 410 Bundestagsabgeordneten waren damals 28 Frauen. Heute ist rund ein Drittel der Abgeordneten weiblich.

Alle Macht dem Volk

Dem deutschen Parlament kommt eine ganz besondere Rolle zu. Das ist im Grundgesetz, der deutschen Verfassung, eindeutig festgelegt: Der Deutsche Bundestag repräsentiert die gut 80 Millionen Deutschen, also das Volk. Er ist das einzige von den Bürgern direkt gewählte Bundesorgan: Der Kandidat, der in seinem Wahlkreis die meisten der so genannten Erststimmen bekommt, zieht ins Parlament ein. So wird allerdings nur etwa die Hälfte aller Abgeordneten im Bundestag bestimmt. Über die andere Hälfte entscheiden die Parteien, die dafür in den Bundesländern Listen von Kandidaten aufstellen. Je nach dem Anteil der Zweitstimmen für die jeweilige Partei kommen sie ins Parlament.

Europafahne vor dem Reichtagsportal (Foto:dpa)
"Dem deutschen Volke" steht auf der Front des ReichstagsBild: picture-alliance/dpa

Unabhängig davon, ob sie direkt gewählt wurden oder über Parteilisten in den Bundestag eingezogen sind: Die Abgeordneten haben den Auftrag, im Interesse der Bürger zu entscheiden. Was steht in den Gesetzen, wie viel und wofür gibt der Staat Geld aus, wann werden Soldaten zu internationalen Einsätzen entsandt? All das soll im Parlament debattiert, entschieden und kontrolliert werden. Manche Gesetze müssen anschließend aber noch im Bundesrat abgesegnet werden: Dort sitzen die Vertreter der Bundesländer und haben dabei deren Interessen im Blick.

Die Abgeordneten im Bundestag bestimmen außerdem, wer Richter am Bundesverfassungsgericht wird, und bilden einen großen Teil der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt. Der Bundestagspräsident, der die Sitzungen leitet, hat nach dem Bundespräsidenten das höchste Staatsamt inne. Er steht damit formal sogar über dem Bundeskanzler. Und jeder Abgeordnete ist bei den Abstimmungen nur an sein Gewissen gebunden - zumindest in der Theorie.

Kluft zwischen Grundgesetz und politischer Realität

Die politische Realität entspricht aber nicht immer dem Idealbild in der Verfassung. Im parlamentarischen Alltag sind die Abgeordneten zum Beispiel in aller Regel eng an die Vorgaben ihrer Fraktion gebunden: Das gilt besonders für die Vertreter der Regierungskoalition, die ihre Mehrheit sichern muss, um ihre Politik durchsetzen zu können. Nur bei seltenen Gewissensfragen werden Abstimmungen "freigegeben": Dann kann jeder Abgeordnete ohne Vorgaben entscheiden, ob er für oder gegen ein Gesetz stimmt.

Blick auf den Bundestagsplenarsaal während einer Sitzung (Foto: Reuters)
Ein Blick in eine Plenarsitzung. Die Abgeordneten sitzen verteilt nach ihren Parteien. Seit 1999 ist das Gebäude Sitz des BundestagesBild: Reuters

Deshalb fürchten manche Abgeordnete eine schleichende Verschiebung der Macht - weg vom Parlament, hin zur Regierung. Beispiel Bundessicherheitsrat: Das Regierungsgremium entscheidet in geheimen Sitzungen über Rüstungsgeschäfte im Ausland, nicht der Bundestag nach einer offenen Debatte. Nicht die einzige Stelle, an der dem Parlament in wichtigen Fragen die Kontrolle entgleitet.

Europa schränkt die Macht des Bundestags ein

Über viele Bereiche, für die der Bundestag früher alleine zuständig war, wird mittlerweile auch auf europäischer Ebene entschieden: im Europaparlament in Straßburg oder bei der Kommission der Europäischen Union in Brüssel. Einige Volksvertreter und Bürger finden, dass besonders bei der Euro-Rettung das deutsche Parlament in wichtige Entscheidungen nicht mehr genügend einbezogen wird. Ein Dilemma: Zu viel Parlamentsmitsprache kann sich negativ auf die Stabilität des Euro auswirken. Wenn der Bundestag aber zu wenig mitreden kann, setzt sich Deutschland dem Vorwurf aus, dass seine Demokratie nicht mehr als weltweites Vorbild taugt.

Die Machtverteilung zwischen den staatlichen Organen in Deutschland, aber auch zwischen den der EU und ihren Mitgliedsstaaten muss also immer wieder neu verhandelt werden, damit alle Interessen gewahrt bleiben.