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Politik

China die Grenzen aufzeigen

Alexander Görlach
15. September 2020

Europa zeigte sich im Vorfeld des EU-China-Gipfels erstaunlich einig. Dies gilt es nun zu nutzen, um Chinas fortgesetzte Verstöße gegen Menschenrechte und internationale Regeln zu ahnden, meint Alexander Görlach.

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Zitattafel | Prof. Dr. Alexander Görlach

Aus dem großen Gipfel der EU mit der Volksrepublik China wurde ein kleines, virtuelles Event. Aus vielen europäischen Hauptstädten ist zu hören, dass das Verhältnis zu China so schlecht sei wie seit Jahrzehnten nicht. Ein großer Gipfel hätte da eine Einigkeit zur Schau gestellt, die es so gar nicht mehr gibt.

Im Vorfeld des Gipfels war der chinesische Außenminister Wang Yi durch die Europäische Union getourt. Was er in Peking übermittelt hat, dürfte der Kommunistischen Partei nicht gefallen: Die Europäer sind so einig wie selten, wenn es um das wachsende Unbehagen gegenüber dem Gebaren Chinas geht.

Pekings Versuche, Einfluss zu gewinnen

Noch im Frühjahr sah es so aus, als könnte der als "Masken-Diplomatie"ausgewiesene Versuch, mehr Einfluss auf die Haltung europäischer Länder gegenüber China zu gewinnen, verfangen: in Italien oder in Serbien wurden Ergebenheitsadressen an die Volksrepublik artikuliert, nachdem Peking Hilfsmaterial - vor allem Masken und Schutzkleidung - in die von der Corona-Pandemie besonders getroffenen Länder geliefert hatte.

EU-China-Gipfel zu Markenschutz
Aufgrund von Corona fand der EU-China-Gipfel nur als Video-Schalte mit vier Teilnehmern stattBild: Reuters/Y. Herman

Italien ist auch das einzige EU-Gründungsmitglied, das sich auf das Großprojekt der Chinesen, die sogenannte "Neue Seidenstraße" eingelassen hat und so zum Brückenkopf Chinas in Europa avanciert ist. So wurden im März diesen Jahres dort zum ersten Mal höhere Zustimmungswerte zu China als zu den USA gemessen. Im Juni dann allerdings schon nahmen die Berichte zu, die von einer gezielten Desinformation Italiens durch die Kommunistische Partei Chinas sprachen.

Großbritannien und Frankreich wiederum haben eine starke Front gegen den chinesischen Telekommunikations-Riesen Huawei gebildet. Da der Konzern, wie jedes Unternehmen in China, durch Mittelsleute der KP mit der Partei aufs Engste verbunden ist, ist die Befürchtung, dass sensible Daten in die falschen Hände gelangen könnten, alles andere als unbegründet. Bislang allerdings hat Berlin hier auf der Bremse gestanden.

Weicher Kurs aller Merkel-Regierungen

Die verschiedenen Regierungen, die Angela Merkel seit 2005 angeführt hat, waren allesamt in außenpolitischen Fragen wenig innovativ. So konnte sich die russische Führung bis in die allerjüngste Vergangenheit alles erlauben, ohne dafür wirklich harte Maßnahmen Berlins als Vergeltung spüren zu müssen. Auch der Volksrepublik gegenüber blieb man bis vor kurzem konziliant. Es ist erstaunlich, dass zuerst die deutsche Industrie begonnen hat, sich von der immer expansiver auftretenden Volksrepublik abzuwenden, bevor die Politik das getan hat.

Symbolbild I uigurische Frauen
Traditionell muslimische Kleidung, wie sie diese uigurischen Frauen tragen, ist in China nicht gerne gesehenBild: Imago-Images/alimdi

Nun steht Nord Stream 2 ebenso auf der Kippe wie die Beteiligung von Huawei am Ausbau des deutschen 5G-Netzwerks. Noch ist die Bundesregierung nicht entschieden, ob sie den harten Schnitt wirklich machen soll. In beiden Fällen aber dürfte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass man vom Ballast dieser Beziehung befreit viel freier atmen kann.

Neue Konzepte gegenüber China gesucht

Gerade gegenüber China muss die Politik in Deutschland mit neuen Konzepten aufwarten: In Xinjiang sind eine Million Menschen aufgrund ihrer Religion in Konzentrationslagern eingesperrt, der US-Kongress spricht von Genozid. Den Mongolen in der Inneren Mongolei soll es ähnlich ergehen wie Uiguren, Tibetern und den Bürgern von Hongkong: Ihre jeweils eigene Kultur, Sprache, Religion soll geschliffen und von Han-Chinesen dominiert werden. Wenn es nach Präsident Xi ginge, wäre auch Taiwan sofort fällig - die demokratische, staatlich eigenständige Insel, die der Autokrat Xi am liebsten zermalmen möchte. Leben die 23 Millionen Taiwaner den von Xi ideologisch eingesperrten Chinesen doch täglich vor, wie blühend eine liberale Demokratie ist.

Hongkong Demonstration gegen verschobene Wahlen
Die Verhaftung von Demonstranten ist in Hongkong inzwischen an der TagesordnungBild: Reuters/T. Siu

Was Taiwan jetzt vor allem braucht, ist ein knallhartes "Ja" der US-Amerikaner zu einer militärischen Intervention, sollte die Volksrepublik die Insel-Demokratie wirklich angreifen. Bislang existiert nur eine wage Absichtserklärung. Aber da die KPCh noch nie so dicht daran war, sich in ein militärisches Abenteuer zu stürzen, könnte eine klare Ansage aus Washington das Mütchen der Kommunisten durchaus kühlen.

Die WTO muss China vor die Wahl stellen

Chinas Vorgehen gegenüber den fünf genannten Orten und den Menschen, die dort leben, macht wahrscheinlich weitere, auch krasse Schritte nötig. Da sich die internationale Gemeinschaft einig scheint, dass die Volksrepublik die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) unterläuft, sollte sie darauf dringen, dass das regelbrechende China das Gremium verlassen muss. China hat bislang, was man sehr gut an der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sehen kann, internationale Institutionen so lange unterlaufen, bis es sich die Top-Ebene gefügig gemacht hatte.

Wenn die WTO vermeiden will, dass selbe traurige Schicksal zu erleiden wie die WHO, sollte sie, mit dem Blick auf die verheerende Situation vieler Menschen in Xi Jinpings dunklem Reich, China vor die Wahl stellen: entweder in die Reihen der zivilisierten Nationen eintreten, welche die Menschenrechte achten, oder die Institution verlassen.