1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gülens Einfluss in Bosnien-Herzegowina

Samir Huseinovic / Marina Martinovic19. August 2016

Der Kampf Erdogans gegen Gülen wird auch auf dem Balkan ausgetragen. In Bosnien-Herzegowina gibt es private Bildungseinrichtungen, die der Gülen-Bewegung nahestehen. Ankara rief zum Schließen dieser Schulen auf.

https://p.dw.com/p/1Jlny
Bosnien-Herzegowina - Burch University Sarajevo (Foto: Klix.ba)
Die Burch Universität in Sarajevo, Bosnien-Herzegowina, ist angeblich ein Bildungszentrum der Gülen-BewegungBild: klix.ba

Erdogans Feldzug gegen die Gülen-Bewegung war vor dem Putschversuch in der Türkei kein großes Thema in Bosnien-Herzegowina. Doch seit Erdogan seinen Kontrahenten Fethullah Gülen und seine Bewegung Hizmet für den Putschversuch verantwortlich macht, berichten die Medien verstärkt, vor allem über die 15 Bosna Sema-Bildungsinstitutionen. Zu diesen gehören Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien und Universitäten. Sie alle sollen angeblich unter der Kontrolle des türkischen Exil-Predigers stehen.

Die Einrichtungen agieren in Bosnien-Herzegowina legal und im Einklang mit den dortigen Gesetzen. Trotzdem werden sie als bedrohlich dargestellt. "In Anbetracht der Tatsachen, die ich kenne, wirkt die Gülen-Bewegung verschwörerisch, also nicht legitim und intransparent. Und in solche Organisationen habe ich kein Vertrauen“, sagt beispielsweise der Islamwissenschaftler aus Sarajevo Esad Duraković. Auch der Islam-Experte des Fernsehsenders Al-Jazeera Osman Softić ist überzeugt, dass "der Westen anderen Ländern Gülens Interpretation des Islams als die annehmbarste für seine Interessen aufzwingt.“ Gleichzeitig kommt die klare Botschaft aus der Türkei: Ankara erwarte eine "entschlossene Aktion" gegen die Sema-Schulen im Land. Das sagte der türkische Botschafter kurz nach dem Putschversuch in einem Interview.

Fethullah Gulen (Foto: Reuters/C. Mostoller)
Einflussreich auch in Bosnien-Herzegowina: Fethullah GülenBild: Reuters/C. Mostoller

Bosnien-Herzegowina: Tummelplatz der Sekten und muslimischen Fraktionen

Seit jeher bildet Bosnien-Herzegowina eine Grenze zwischen Ost und West und gehörte im Laufe der Geschichte vorerst jahrhundertelang zum Osmanischen Reich, später lange Zeit auch zur Habsburger Doppelmonarchie. In dieser Zeit entwickelte sich im Land eine moderate, tolerante und weltoffene Form des Islams.

Seit dem Jugoslawien-Krieg in den 1990ern ist Bosnien-Herzegowina aber auch ein Tummelplatz verschiedener Sekten und muslimischer Strömungen - viele aus dem Ausland kommend. Zu diesen gehören Salafisten und Wahhabiten genauso wie Anhänger der Gülen-Bewegung sowie verschiedene schiitische Organisationen. Nun stelle sich die Frage, wie sich die Muslime in Bosnien-Herzegowina angesichts des Streits zwischen Erdogan und Gülen mehrheitlich positionieren werden, sagt Islamwissenschaftler Esad Duraković. Er befürchtet, dass es gar zu Konflikten unter den Muslimen im Land kommen könne.

Die ausländischen Anhänger verschiedener muslimischer Strömungen könnten "von dem bosniakischen Islam lernen, wie man Moslem und gleichzeitig Europäer sein kann, tolerant und transparent", sagt Duraković. Muslime in Bosnien-Herzegowina bräuchten keine islamischen Einflüsse von Außen. Deswegen warnt der Experte vor der Gülen-Bewegung. Er befürchtet, dass es zu Konflikten zwischen den Muslimen kommen könne.

Bakir Izetbegović bosniakischer Vertreter im dreiköpfigen Staatspräsidium (Foto: EPA/OLIVIER HOSLET)
"Auf die Gefahr hingewiesen worden" ist Bakir Izetbegović, bosniakischer Vertreter im StaatspräsidiumBild: picture-alliance/dpa

Vom Westen enttäuscht

Allerdings spielen nicht nur religiöse Einflüsse eine Rolle dabei, wie sich Muslime in Bosnien positionieren. Auch das Interesse oder Desinteresse des Westens gibt die Richtung vor. In den letzten Jahren gab es keine klare Politik des Westens. Diese könnte jedoch die Souveränität und Integrität Bosnien-Herzegowinas stärken. Aus diesem Grund hat sich ein großer Teil der bosniakischen politischen Elite zu Erdogan hingewandt.

Der türkische Präsident zeigt vermehrt Interesse an Bosnien-Herzegowina und betont dabei stets die gemeinsame osmanische Geschichte. Seine Aufmerksamkeit wird wohlwollend erwidert. "Bezüglich der Bildungs- und anderen Institutionen sowie einzelnen Personen in Bosnien-Herzegowina, die mit der Organisation von Fethullah Gülen zu tun haben, sind wir längst auf die Gefahr hingewiesen worden, die von ihnen ausgehen kann", sagte neulich Bakir Izetbegović, der bosniakische Vorsitzende des Staatspräsidiums und politischer Führer der größten bosniakischen Partei (SDA).

Kritik an den Sema-Schulen

Allerdings standen die Sema-Schulen in Bosnien schon früher mehrmals in der Kritik wegen ihres Internat-Charakters, eines für das kleine Balkan-Land eher ungewöhnlichen Schulmodells. Bemängelt wurden in den Medien auch die strengen Regeln, die die Schüler befolgen müssten, und die, wie die Vermutungen lauteten, den Personenkult Fethullah Gülens pflegen sollten.

Von Personenkult und strengen Regeln weiß Borka Rudić, Journalistin und Mutter einer Schülerin der internationalen Bosna Sema-Mittelschule in Sarajevo, nichts. Sie sei dagegen sehr zufrieden mit dem Lehrplan und damit, dass ihre Tochter eine gute Bildung genieße. "Ich denke, dass diese Schulen Respekt verdient haben und dass sie ein Beispiel für andere Bildungsinstitutionen sein können", sagt Rudić. Die Tatsache, dass diese Schulen einen türkischen Hintergrund haben, ist dabei für sie irrelevant. Über Kritiker sagt sie: "Niemand, der in der Öffentlichkeit negativ über diese Bildungsinstitutionen spricht, kann entsprechende Argumente und Fakten vorlegen." Sie selbst wurde dagegen bedroht und als Lobbyistin Fethullah Gülens bezeichnet, sagt die Journalistin Borka Rudić.

Die Bosna Sema-Bildungsinstitutionen haben zu den Anschuldigungen, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem Putschversuch in der Türkei und ihrem Wirken, öffentlich erklärt, dass sie diesen "undemokratischen und terroristischen Versuch des Absetzens der legalen und legitimen Regierung in der Türkei (…) seitens eines Teils der türkischen Armee, verurteilt."