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G7 und Freiheit der Seefahrt

Rodion Ebbighausen25. Mai 2016

Der G7-Gipfel findet dieses Jahr auf der japanischen Insel Ise-Shima statt. Dabei wird es auch um die Inselstreitigkeiten in Ost- und Südostasien gehen. Eine Lösung ist dabei freilich nicht in Sicht.

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US-Kriegsschiff USS William P. Lawrence im Südchinesischen Meer (Foto: picture-alliance/dpa/US Navy/E. L. M. Senn)
Bild: picture-alliance/dpa/US Navy/E. L. M. Senn

Kurz vor der Reise zum G7-Gipfel auf Ise-Shima wiederholte Präsident Obama auf seinem Staatsbesuch in Vietnam, dass "größere Nationen kleinere nicht schikanieren sollten" und dass die Territorialkonflikte in der Region auf friedlichem Wege beigelegt werden müssten. Damit setzte er schon im Vorfeld eines der zentralen Themen auf die Agenda des anstehenden Gipfels. Gastgeber Japan hatte bereits im April klar gemacht, dass es im Abschlussdokument der G7 eine Stellungnahme zur Sicherheit des Seeverkehrs erwarte. Im Hintergrund steht die grundsätzliche Frage, wie in Asien ein neues strategisches Gleichgewicht gefunden werden kann.

Durch den Aufstieg der Volksrepublik China wird die von den Siegermächten nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzte und im Kalten Krieg gefestigte Ordnung in Asien herausgefordert. Insbesondere die massive maritime Aufrüstung Chinas beunruhigt die Nachbarstaaten. Seit mehr als zehn Jahren wächst das Militärbudget der Volksrepublik jährlich um zehn Prozent.

Die USA reagierten spätestens, als US-Außenministerin Hillary Clinton 2011 den "Umschwung nach Asien" ("pivot to Asia") verkündete. Zu diesem gehört ein verstärktes diplomatisches, wirtschaftliches und militärisches Engagement der USA in der Asien-Pazifik-Region. Dazu gehört auch die Bekräftigung der militärischen Bündnisse mit Japan, den Philippinen und Australien. Ziel der Strategie war unter anderem, die verunsicherten Partner in der Region des amerikanischen Beistands zu versichern.

Indonesiens Navy versenkt Fischerboote (explodierendes Boot) (Foto: Reuters/Fiqman Sunandar/Antara Foto)
Indonesien zerstört medienwirksam illegal in seinen Gewässern fischende Schiffe im Südchinesischen MeerBild: Reuters/Fiqman Sunandar/Antara Foto

Inseln als Kristallisationspunkte

Die Verwerfungen und Rivalitäten lassen sich an der Vielzahl von Inselstreitigkeiten ablesen, die in der Region für Spannungen sorgen. Die bedeutsamsten sind der Streit zwischen Japan und China um die Senkaku/Diaoyu-Inseln. In deren Umfeld wird Erdgas vermutet, sie sind aber auch von strategischer Relevanz. Auch Japan und Südkorea bzw. China und Südkorea sind in kleinere Konflikte verwickelt.

Im Südchinesischen Meer streiten sich Vietnam, die Philippinen, Malaysia und Indonesien untereinander und mit China über die Spratly-Inseln. Auch hier geht es um Rohstoffe, vor allem Fisch, Öl und Gas, aber auch um Schifffahrtsrouten und strategische Kontrolle.

Im Hintergrund der Konflikte stehen die USA, die selbst zwar keine territoralen Ansprüche haben, aber indirekt erheblichen Einfluss etwa über Verbündete wie Japan oder die Philippinen haben. Der Vorwurf, der gegen China erhoben wird: Es gefährde die Freiheit der Seefahrt und treibe eine riskante Militarisierung voran. China weist das zurück.

G7-Aussenministertreffen in Japan mit den AM Kerry Ayrault, Kishida (Foto: picture-alliance/AP Photo/J. Ernst)
Bereits beim vorbereitenden G7-Außenministertreffen in Japan wurde China indirekt wegen seiner Aktivitäten im Südchinesischen Meer kritisiertBild: picture-alliance/AP Photo/J. Ernst

Rechtsfall statt Kriegsfall

Einen Sonderfall stellt der noch andauernde Prozess vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag dar. Dort wollen die Philippinen eine juristische Klärung über die aus Sicht der Philippinen expansiven Ansprüche Chinas im Südchinesischen Meer erreichen. Shi Mingde, Botschafter der Volksrepublik China in Deutschland, stellte in einem Gastkommentar der FAZ kürzlich (11.05.2016) klar: China stehe mit Blick auf den Prozess auf einem "Standpunkt der Nichtakzeptanz, der Nichtanerkennung und der Nichtbeteiligung." Ein Urteil wird in den kommenden Wochen erwartet.

Insgesamt also eine unübersichtliche Gemengelage mit vielen Akteuren und überlappenden Ansprüchen. Es geht um Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen, sowie das internationale Seerecht. Befeuert wird der Konflikt durch nationalistische Ressentiments.

"Es gibt mehr als ein Dutzend Territorialkonflikte in der Region. Die Frontlinien sind nicht sehr klar", bestätigt Enrico Fels vom Zentrum für globale Studien der Universität Bonn im Gespräch mit der Deutschen Welle. China stehe zwar im Zentrum der meisten Konflikte, fahre aber - je nach Land - sehr unterschiedliche Strategien. Der Politologe resümiert: "Es versucht im Grunde zu verhindern, dass es eine einheitliche antichinesische Front in der Region gibt."

Zusätzlich unübersichtlich wird die Situation, da die Akteure in Asien oftmals strategische Rivalen und zugleich Wirtschaftspartner sind, wie das Beispiel Japan und China zeigt. Nach Angaben der Welthandelsorganisation ist China für Japan neben den USA der wichtigste Exportmarkt. Umgekehrt ist auch Japan für die Volksrepublik eines der Top fünf Exportziele. Fels sagt: "Das verkompliziert die geostrategische Dimension der Konflikte zusätzlich."

Luftaufnahmen von chinesischen Radar-Anlagen auf dem Johnson-Atoll (Foto: CSIS Asia Maritime Transparency Initiative/DigitalGlobe)
Solche Radaranlagen verbessern laut Experten "entscheidend" die Fähigkeit Chinas zur Überwachung des umstrittenen SeegebietesBild: CSIS Asia Maritime Transparency Initiative/DigitalGlobe

Chancen und Risiken

Der Politologe Gerhard Will sieht in der komplexen Situation Vorteile und Risiken: "Beim Kalten Krieg waren die Fronten klar und das hat dem Konflikt natürlich eine gewisse Stabilität und Berechenbarkeit verliehen. Was wir jetzt sehen, ist eine Situation, in der sich sehr viel mehr Möglichkeiten auftun. Aber diese Möglichkeiten beinhalten natürlich auch Fragilität, Missverständnisse und könnten vielleicht auch konfliktträchtiger werden."

Um die Situation zu entschärfen, wäre nach Ansicht von Fels "wünschenswert, dass die Staaten anfangen, eine 'Enpolitisierung' der Streitigkeiten herbeizuführen und diese verrechtlichen, also eine rechtliche Lösung anstreben." Danach sehe es aber zurzeit nicht aus. Insbesondere China begegne diesem Ansatz mit großer Skepsis. Das habe das Statement der G7-Außenminister vom April 2016 in Vorbereitung des Gipfels gezeigt. Darin wiederholten die Außenminister die seit jeher von ihnen vertretene Position, dass die Freiheit der Seefahrt ein hohes internationales Gut sei, dass Konflikte friedlich gelöst werden sollten und dass sie die Entwicklungen im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer mit Sorge beobachten.

"Diese sehr vorsichtige Positionierung der G7 Außenminister hat eine enorme diplomatische Gegenreaktion aus China ausgelöst", sagt Fels. Trotzdem halte er es für richtig, dass sich die G7 weiterhin positioniere. "Es ist absolut richtig, wenn die G7 in vorsichtigen und mahnenden Worten auf eine friedliche Beilegung der Konflikte drängen."