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Gabun: Machtkampf im Offline-Modus

Martina Schwikowski6. September 2016

Keine Berichterstattung, kein Zugang zu Sozialen Netzwerken. Das sind schlechte Voraussetzungen für Regimegegner in Gabun, die den Wahlsieg von Präsident Ali Bongo anzweifeln. Doch auch im Regierungslager kriselt es.

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Gabun: Ausschreitungen und Gewalt nach Wahl gegen Radio Television Nazareth (Foto: Getty Images/AFP/M. Longari)
Auch der Rundfunksender Radio Television Nazareth wurde zerstörtBild: Getty Images/AFP/M. Longari

In den Straßen von Libreville sind die Gefechte einer angespannten Ruhe gewichen. Die Machtverhältnisse in der gabunischen Hauptstadt scheinen geklärt. Die Armee kontrolliert die Straßen. Bei Unruhen nach dem umstrittenen Wahlsieg von Präsident Ali Bongo am Mittwoch waren mindestens drei Menschen ums Leben gekommen.

Bei den Betroffenen haben sich die Erinnerungen eingebrannt. Ein Angehöriger erzählt der DW vom Tod seines Bruders, der in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag starb: "Mein Bruder und ich waren noch im Viertel unterwegs. Wir hörten Schüsse. Es wurden immer mehr Schüsse. Ich wollte mit ihm losrennen, aber er sagte, er könne sich nicht bewegen. Ich weckte meine Mutter und wir fuhren ihn ins Krankenhaus. Als wir ankamen, war mein Bruder bereits tot."

Regimegegner verschollen

Drei Tote und 1100 Verhaftungen - das sind nur die offiziellen Zahlen. Aber die Dunkelziffer sei viel höher als die Zahlen der Regierung, sagt Marc Ona, Koordinator des Bündnisses "Tournons la page Gabon". Viele Menschen seien verschwunden, sagt er, darunter der Aktivist und ehemalige Abgeordnete der Regierungspartei Bertrand Zibi "Auf den Straßen werden immer noch Menschen willkürlich ermordet", sagt Ona.

Militärkontrollen in den Strassen von Libreville. (Foto: MARCO LONGARI/AFP/Getty Images)
Militärkontrollen in den Strassen von LibrevilleBild: Getty Images/AFP/M. Longari

Die Sicherheitslage sei sehr instabil in Gabun, bestätigt auch die französische politische Kommentatorin Mathilde Debain im DW-Interview. Viele Menschen vermissten Angehörige und Freunde seit jenem Mittwoch, als das Wahlkampfzentrum des Oppositionsführers Jean Ping in Libreville von der Regierungsarmee angegriffen wurde, sagt Debain. Aus den Oppositionshochburgen der Hauptstadt und auch aus anderen Städten des Landes häufen sich Meldungen von Plünderungen und Razzien. Der Erzbischof von Libreville ermahnte am Samstag die Regierungspartei und die Opposition, eine Vertiefung der Krise zu vermeiden.

Internet abgeschaltet

Doch die Lage könne sich weiter zuspitzen, sagt Debain. Die Machthaber fürchteten es am meisten, wenn Menschen auf die Straßen gingen. Präsident Ali Bongo Ondimba habe die Sicherheitskräfte bereits auf 50.000 aufgestockt - doppelt so viele wie unter der Präsidentschaft seines Vaters Omar Bongo, der das Land bis 2009 regierte. Fünf Tage lang lag außerdem auf Anordnung Bongos das Internet lahm. Erst am Montagmorgen wurde die Blockade teilweise aufgehoben, doch noch immer sind die Sozialen Netzwerke nicht zu erreichen. Auch Fernsehsender hätten die Sendung eingestellt, sagt Debain. Seit Tagen wisse niemand, was im Land vor sich gehe.

Die Lobbygruppe für digitale Rechte Advocacy Now sieht eine zunehmende Gefahr durch die Abschaltung der sozialen Medien: "Immer wieder haben wir erlebt, dass es frühe Warnsignale vor Menschenrechtsverletzungen sind, wenn das Internet heruntergefahren wird", sagt Deji Bryce Olukotun, leitender Manager der Gruppe. Gabun könne es nun auch so gehen.

Oppositionführer Jean Ping während einer Pressekonferenz. (Foto: Reuters/Life Africa TV)
Jean Ping ernannte sich zum PräsidentenBild: Getty Images/AFP/S. Jordan

Zwei erklärte Sieger

Ali Bongo Ondima wolle das Informationsblackout nutzen, um möglichst schnell - innerhalb der nächsten zwei Tage - seinen Amtseid abzulegen und das Präsidentenamt erneut für weitere sieben Jahre anzutreten, schätzt Analystin Debain. Die Zeit drängt: Die Reihen um den Machthaber sind nicht mehr so geschlossen wie einst. Am Montag legte Finanzminister Séraphin Moundounga - einer der engsten Vertrauten Bongos - sein Amt nieder und trat aus der Regierungspartei PDG (Demokratische Partei Gabuns) aus. Er wolle frei sein, "um mit dem gabunischen Volk daran zu arbeiten, dass Frieden im Land herrscht", sagte er.

Die Stimmen müssten neu ausgezählt werden - für jedes einzelne Wahllokal, forderte Moundounga. Damit stellte er sich auf die Seite von Oppositionskandidat Jean Ping. Der versucht auf seine Weise, Fakten zu schaffen. "Die ganze Welt weiß, wer der Präsident der Republik ist", erklärte er am Freitagabend: "Das bin ich, Jean Ping. Als gewählter Präsident bin ich natürlich um die Lage im Land sehr besorgt, die gerade zu einem allgemeinen Chaos tendiert. Deswegen appelliere ich an die Verantwortung von allen Parteien, damit das Land zum Frieden zurückkehrt."

Protest von Exilanten gegen die Präsidentschaftswahl in Gabun. (Foto: Getty Images/AFP/T. Samson)
Jean Ping hat viele Unterstützer in der Diaspora - hier ParisBild: Getty Images/AFP/T. Samson

Die Opposition habe ein Recht, sich zu äußern, räumte Faustin Boukoubi, Generalsekretär der PDG, den Regimegegnern ein. "Das gehört auch zur Demokratie und der Meinungsfreiheit in unserem Land. Aber man sollte auch Respekt für die Wahlkommission haben, die diese Ergebnisse bekannt gegeben hat. Und ich halte mich an diese offizielle Ergebnisse."

Mitarbeit: Fiacre Ndayiragije, Audrey Parmentier