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Gaddafi-Regime will Misrata verlassen

23. April 2011

Der libysche Machthaber wälzt seinen Kampf gegen die Rebellenbewegung in der Stadt Misrata nun auf die Stämme der Region ab. Seine Truppen sollen sich zurückziehen. Die Rebellen glauben, dass sei nur heiße Luft.

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Libysche Bodentruppen (Foto: picture-alliance/dpa)
Gaddafis Soldaten sollen raus aus MisrataBild: picture-alliance/dpa

"Was sollen das für Stämme sein, die Gaddafi unterstützen?", fragte Ahmed Bani, ein Sprecher der libyschen Rebellengruppe. In einem Gespräch mit dem US-Sender CNN in der Nacht zum Samstag (23.04.2011) bezweifelte Bani, dass die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi tatsächlich die stark umkämpfte Stadt Misrata, an der Westküste des Landes, verlassen würden.

Der stellvertretende Außenminister Libyens, Khaled Kaim, hatte dies zuvor angekündigt. "Die Lage in Misrata wird von den Stämmen in der Umgebung und den Menschen in Misrata geregelt, entweder mit Gewalt oder in Verhandlungen", sagte Kaim dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Angesichts der NATO-Angriffe bleibe dem Regime nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen. Die Regierungstruppen hätten von den Stammesführern einen Zeitrahmen gesetzt bekommen, den Aufstand niederzuschlagen. Sollte es ihnen nicht gelingen, würden die Stämme übernehmen. "Die Situation in Misrata wird gelöst", drohte Kaim.

Flüchlinge aus Misrata sitzen auf dem Boden (Foto: AP)
Leidtragende des Krieges: Frauen und Kinder aus MisrataBild: AP

Die Rebellenbewegung vermutet nur taktisches Kalkül hinter den Äußerungen. Beim Rückzug aus Misrata sei "das Spiel aus" für Gaddafi, er versuche nur sein Gesicht zu wahren, sagte Bani. "Es bestätigt, dass unsere Rebellen Misrata befreit haben."

Neue Hoffnung für Einwohner Misratas

Angesichts der Lage in Misrata wäre ein schnelles, gewaltloses Ende der Kämpfe vor allem für die Bevölkerung die beste Lösung. Die wichtigste Rebellenhochburg im Westen Libyens wird bereits seit acht Wochen von den Truppen des Gaddafi-Regimes belagert. Hunderte Menschen wurden getötet. "Es fehlt an Wasser, Strom, Lebensmitteln und vor allem ärztlicher Versorgung", sagte der Leiter der Mission des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, Simon Brooks. Misrata liegt etwa 200 Kilometer östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis und kann zurzeit nur per Schiff mit Hilfsgütern versorgt werden.

USA verstärken Kampf gegen Gaddafi-Armee

In Tripolis gingen die Kämpfe auch in der Nacht zum Samstag weiter. Laut US-Regierung wurden noch mehr Luftangriffe als in den vergangenen Nächten geflogen. Zuvor hatte die US-Regierung angekündigt, bewaffnete Drohnen gegen die libyschen Truppen einzusetzen. Die unbemannten, ferngesteuerten Drohnen seien treffsicherer als die herkömmlichen bemannten Kampfflugzeuge, begründete Washington diesen Schritt. Die Drohnen wurden bislang nur zur Informationsgewinnung eingesetzt.

US-Senator John McCain vor einer libyschen Flagge (Foto: AP)
McCain fordert mehr militärische Unterstützung für die Rebellen in LibyenBild: AP

US-Senator John McCain, der am Freitag zu Gesprächen mit Mitgliedern des Nationalen Übergangsrates in Bengasi eintraf, befürwortete den Drohnen-Einsatz. McCain, der im US-Senat im wichtigen Ausschuss für Streitkräfte sitzt, fordert seit längerem ein stärkeres Eingreifen seines Landes in Libyen. "Es sind großartige Kämpfer und echte libysche Patrioten", sagte McCain in Bengasi.

Seiner Meinung nach reiche das US-Engagement noch nicht aus. Gerade in Misrata sollte die US-Regierung auch Erdkampfflugzeuge einsetzen. Diese könnten im Tiefflug auch gut abgesicherte feindliche Stellungen erfolgreich beschießen.

Was macht Deutschland im Libyen-Konflikt?

Deutsche Kirchenvertreter sprachen sich nun für einen intensiveren Einsatz Deutschlands für eine Lösung des Libyen-Konfliktes aus. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Nikolaus Schneider, forderte die Bundesregierung auf, eine "führende diplomatische Rolle" zu übernehmen. Die Internationale Gemeinschaft müsse mit Gaddafi verhandeln. Dafür sollte sich Deutschland massiv einsetzen, sagte Schneider dem "Hamburger Abendblatt". Besonders wichtig sei, dass auch die Europäische Union geschlossen auftrete. Bisher sei dies nicht der Fall gewesen. "Erst macht Europa Geschäfte mit Gaddafi und sorgt dafür, dass er die Flüchtlinge aus Afrika von uns fernhält. Und auf einmal jagt Europa Raketen nach Libyen", kritisierte Schneider. Das könne er nicht verstehen.

Auch der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, hat der Bundesregierung zu mehr Geschlossenheit mit NATO und EU geraten. Der Westen trage eine besondere Verantwortung für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte. "Wer soll denn in der Welt für diese Ziele eintreten, wenn nicht Europa und Amerika gemeinsam", sagte der katholische Bischof der "Passauer Neuen Presse". Er betonte jedoch auch, dass Libyen vor allem politische Zukunftsperspektiven brauche. Kriege lösten keine Probleme, so Marx.

Autor: Nicole Scherschun (dpa, rtr, afp, dapd)
Redaktion: Ulrike Quast