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Gamescom 2016: Türkei als Partnerland

Philip Kretschmer18. August 2016

Als die Türkei Ende 2015 als Partnerland der Gamescom vorgestellt wurde, ahnte niemand, wie stark das Land heute im Fokus stehen würde. Unser DW-Reporter Philip Kretschmer stellt die türkische Gaming-Szene vor.

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Köln Gamescom VR-Brille
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Der türkische Gaming-Markt gilt als einer der interessantesten der Welt: Fast 80 Millionen Menschen leben in diesem Land, der Altersdurchschnitt liegt unter 30 Jahren. Rund 60 Prozent der Bevölkerung sind online, 30 Millionen Türken spielen regelmäßig. Besonders mobile Spiele sind verbreitet. "In der Türkei ist ein großen Interesse an Computerspielen vorhanden", erklärt Armagan Yavuz vom Entwicklerstudio TaleWorlds. "Der Markt entwickelt sich rapide und es herrscht eine große Technik-Begeisterung." Das Studio ist vor allem für die "Mount & Blade"-Reihe bekannt, die sich millionenfach verkauft. Auch wenn das Action-Rollenspiel vor allem außerhalb der Türkei gekauft wird, sieht Yavuz noch großes Potenzial auf dem türkischen Markt.

Damit ist er auf der Gamescom 2016 nicht der Einzige. Egal mit welchem der türkischen Entwickler man auf der Messe spricht, alle schwärmen von der jungen, gaming-affinen Bevölkerung der Türkei. Bei der Bewertung der Entwickler-Szene gehen die Meinungen jedoch weit auseinander. "Der türkische Markt hat unglaubliches Potenzial, aber nur für die Spieler", ärgert sich Ismail Kemal Ciftcioglu, "für Spieleentwickler ist er die Hölle." Ciftcioglu ist Gründer des noch jungen Independent-Studios Reality Arts und kennt die Probleme kleiner Studios, die ein großes Spiel herausbringen wollen: Die Finanzierung ist fast ausschließlich von ausländischen Investoren abhängig. Daher gebe es auch so gut wie keine Triple A-Games aus der Türkei.

Gamescom: Spieleentwickler Armagan Yavuz von Mount & Blade
Armagan Yavuz , der Entwickler des Actionspiels "Mount & Blade"Bild: Philip Kretschmer

Reality Arts will in wenigen Wochen sein erstes Spiel auf den Markt bringt: "Voidrunner" ist ein Weltraumshooter, der auch für Virtual Reality-Steuerelemente entwickelt wird. Der Trend zur virtuellen Realität ist auch in der Türkei angekommen. Mehrere Universitäten haben Virtual Reality-Labs (VR-Labs), in denen junge Entwickler ausgebildet werden. Ciftcioglu sieht das als Chance: "Die Türkei hat bei den großen Computerspielen den Anschluss verpasst, aber im Moment sieht es so aus, als ob das bei VR nicht passieren wird."

"Niemanden interessiert es, wenn die Regierung eine Seite blockt"

Um die Bedingungen für türkische Entwickler zu verbessern, wurde vor rund zwei Jahren der Branchenverband "Game Developers Association of Turkey"(TOGED) gegründet. TOGED soll als Repräsentation der Entwicklerszene fungieren – für den internationalen Markt sowie als Ansprechpartner für die eigene Regierung. Denn auch wenn die der Entwicklerszene mittlerweile finanziell unter die Arme greift, ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. "Das ist einer der Gründe, warum wir TOGED gegründet haben", erklärt Ufuk Şahin, der Vizepräsident des Branchenverbandes, "damit wir den öffentlichen Stellen erklären können, was wir machen und wie sie uns dann unterstützen."

Eine Einflussnahme seitens der Regierung wird von den türkischen Entwicklern nicht befürchtet. "Du kannst machen was du willst", meint Şahin, "man kann sogar für Spiele mit sexuellen Elementen oder Glücksspiel eine Förderung bekommen."Und auch die gelegentlichen Sperrungen von Websites wie Facebook oder YouTube seitens der Regierung sieht der Entwickler entspannt: "Manchmal blockt die Regierung eine Seite, aber dann loggen sich alle über einen VPN-Tunnel ein und niemanden interessiert es."

Gamescom Kölnmesse türkischer Stand. Foto: DW/Philip Kretschmer
Der Stand der Türkei auf der Gamescom 2016 in KölnBild: Philip Kretschmer

Imageschaden durch politische Turbulenzen

Dennoch ist die Lage der Entwickler kritisch nach dem gescheiterten Putschversuch und seinen innenpolitischen Folgen. Zwar berichtet keiner der Entwickler von einem direkten Einfluss auf die Arbeit, doch die indirekten Auswirkungen sind klar erkennbar. Zum einen ziehen ausländische Investoren auf Grund der unsicheren Situation Gelder ab, zum anderen ist es schwer, Personal aus dem Ausland in die Türkei zu locken. Ein Nachteil in der sehr international ausgerichteten Entwicklerszene.

Ismail Kemal Ciftcioglu von Indie-Studio Reality Arts berichtet, dass er bei seinem amerikanischen Chef-Entwickler einiges an Überzeugungsarbeit leisten musste. Er wollte ihn in der heißen Phase zum Ende der Entwicklung des Weltraum-Shooters gern in der Türkei haben, doch kurz vor dessen Ankunft gab es ein Attentat auf den Flughafen in Istanbul. Der Entwickler blieb in den USA. Nachdem er kurze Zeit später doch zur Türkei-Reise überredet werden konnte, donnerten während seines ersten Arbeitstages Kampfjets über das Studio hinweg – der gescheiterte Militärputsch. "Die politische Situation wirkt sich schlecht auf unser Geschäft aus", sagt Ciftcioglu.

Gamescom-Besucher mit Virtueller Brille. Foto: Getty Images/S. Schuermann
Virtuelle Brillen sind der Renner auf der diesjährigen GamescomeBild: Getty Images/S. Schuermann

Mobile Games bleiben angesagt

Keine Probleme - trotz der politischen Lage - haben vor allem Entwickler für mobile Spiele. Das Daddeln auf dem Smartphone ist in der Türkei, wie auch im Rest der Welt, auf dem Vormarsch. Nutznießer sind Firmen wie Gram Games, deren Puzzle-Spiele wie "1010!" oder "Merged" bereits mehr als 85 Millionen mal herunter geladen wurden. Eine typisch türkische Erfolgsgeschichte.

Auch Peak Games hat sich auf dem mobilen Markt ausgebreitet, vor allem mit digitalen Versionen von Brettspielen wie "Okey", die sich in der Türkei und den arabischen Ländern großer Beliebtheit erfreuen. Doch auf die Frage, was das gerade angesagteste Spiel in der Türkei ist, antwortet TOGED-Vizepräsident Şahin lachend: "Momentan? Pokémon!"