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Politik

Politik der Überlegenheit

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
20. Juli 2018

Mit dem mit knapper Mehrheit verabschiedeten Nationalstaatsgesetz entfernt sich Israel von seinen in der Unabhängigkeitserklärung geschaffenen Maßstäben, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Bild: Getty Images/AFP/M. Kahana

Mehr als fünf Jahre ist in Israel das Nationalstaatsgesetz, ein Projekt der israelischen Rechten, kontrovers diskutiert worden. Jetzt hat die Knesset dem umstrittenen Gesetz, das Verfassungsrang hat, überraschend zügig noch vor der Sommerpause zugestimmt, wenn auch nur mit knapper Mehrheit: Es legt fest, dass Israel der Nationalstaat des jüdischen Volkes ist, und es enthält Bestimmungen, welche  die Diskriminierung aller nichtjüdischen Minderheiten festschreiben.

Kein breiter gesellschaftlicher Konsens

Zunächst fällt auf, dass die israelische Rechte um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diese neue Selbstbestimmung des Staats Israel durchgeboxt hat, ohne dafür einen breiten Konsens geschaffen zu haben. Das Gesetz setzt damit die Liste grundlegender Entscheidungen - wie den Brexit und die neue türkische Verfassung - fort, bei denen sich ebenfalls eine knappe Mehrheit gegen die starke Minderheit durchgesetzt hatte. Das Nationalstaatsgesetz hat das jüdische Volk gespalten; in der Diaspora war die Opposition sogar noch größer als in Israel selbst.

Autor Rainer Hermann
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: picture-alliance/dpa

Die nationalreligiösen Siedler und die ultraorthodoxen Parteien lassen aber nicht locker, nach der Gesellschaft nun auch den Staat in ihrem Sinne umzuformen. Das internationale Umfeld ermutigt sie dabei. Denn Weißen Haus sitzt mit Donald Trump ein amerikanischer Präsident, der mit der israelischen Rechten sympathisiert. In Europa geben in immer mehr Ländern Politiker und Parteien, die einem Ethno-Nationalismus huldigen, den Ton an. Es war wohl ein Zufall, aber einer mit symbolischer Bedeutung, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes ausgerechnet der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zu Besuch in Israel weilte.

Demokratie und Gleichheit kommen nicht mehr vor

In der arabischen Welt schließlich, die mit sich und ihren Konflikten beschäftigt ist, hat das Los der Palästinenser nicht mehr die Dringlichkeit wie nach der Gründung des Staates Israel, die zur Vertreibung Hunderttausender Palästinenser geführt hatte. Dabei hatte die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel Maßstäbe gesetzt: mit der Betonung der Demokratie und der Gleichheit aller Bürger - unabhängig von ihrer Religion und Herkunft. Doch die Begriffe Demokratie und Gleichheit kommen im Nationalstaatsgesetz nicht mehr vor. Stattdessen wird den nichtjüdischen Minderheiten ein Selbstbestimmungsrecht abgesprochen, die arabische Sprache wird herabgestuft, die Bildung rein jüdischer Siedlungen gilt als nationales Interesse. So äußert sich nicht eine Politik des Ausgleichs, sondern eine Politik der Überlegenheit, die Konflikten nicht aus dem Weg geht.

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