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Politik

Trittbrettfahrer ohne Kompass

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
21. September 2019

Die Bundeskanzlerin hat die Diskussion über neue Waffenexporte nach Saudi-Arabien beendet, bevor sie überhaupt richtig beginnen konnte, kritisiert Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Saudi-Arabien Feuer in der Aramco-Ölaufbereitungsanlage in Abkaik
Bild: Reuters

Man mag es nicht glauben: Da zerstören Raketen und Drohnen iranischer Machart einen Zentralnerv der Weltwirtschaft, und in Deutschland klopfen sich alle gegenseitig dafür auf die Schultern, dass das Exportverbot für Waffen nach Saudi-Arabien wieder einmal verlängert wird. Tragen damit nicht jene, die selbst die Lieferung von defensiven Waffen an Saudi-Arabien kategorisch ablehnen, eine Mitverantwortung an den Angriffen in der Ölprovinz Saudi-Arabiens am vergangenen Samstag?

Deutschland im moralischen Dilemma

Wollen sie sich denn keiner Aggression gegen zivile Ziele entgegenstellen, nicht einmal mit einer Beteiligung an einer Marinemission zur Sicherung der freien Schifffahrt, etwa in der Straße von Hormus? Und haben sie denn überhaupt nichts dagegen, dass Deutschland zum Trittbrettfahrer wird, wenn andere diese Arbeit übernehmen, sie damit eine drohende Destabilisierung verhindern, dafür viel Geld ausgeben - und Deutschland zum Nulltarif davon profitiert?

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Gewiss, es besteht ein moralisches Dilemma. Saudi-Arabien soll natürlich von Deutschland keine Waffen beziehen, mit denen es andere Länder und Zivilisten angreifen könnte. Andererseits hat aber auch ein Land wie Saudi-Arabien ein Recht darauf, sich gegen Aggressionen von außen zu verteidigen. Das Land wartet jedoch schon länger nicht mehr darauf, von Deutschland dafür Rüstungsgüter beziehen zu können.

Und wer weiß, ob Saudi-Arabien für seine Küstenwache, also für den Schutz seiner Küsten, noch alle Patrouillenboote aus Deutschland bekommen wird, die es bereits bezahlt hat. In der Vergangenheit war das noch anders. Da konnte Saudi-Arabien etwa den defensiven Spürpanzer Fuchs beziehen, der atomare, biologische und chemische Kampfstoffe erkennen kann und sich gar nicht für offensive Zwecke eignet. Auch das wäre heute nicht mehr möglich.

Eine Lektion für Saudi-Arabien

Für Saudi-Arabien ist der Angriff auf die Ölverarbeitungsanlage Bakiak und das Ölfeld Churais hoffentlich eine Lektion. Es reicht nicht, aus Prestigegründen die teuersten und modernsten amerikanischem, französischen und britischen Waffen zu kaufen und damit für diese Länder Konjunkturprogramme aufzulegen. An ein effizientes Luftabwehrsystem haben die saudischen Planer aber nicht gedacht.

So wie die deutsche Rüstungsdebatte ihren Kompass wieder mehr auf den gesunden Menschenverstand ausrichten sollte, so sollte sich auch Saudi-Arabien, das sich einem aggressiven Land wie Iran gegenüber sieht, das aber auch im Jemen selbst einen verheerenden Krieg angezettelt hat, wieder auf das besinnen, was es wirklich braucht.