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Politik

Die Muslimbrüder zu Terroristen machen

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
5. Mai 2019

Es muss einen Grund geben, wenn die USA eine Bewegung, mit der sie immer wieder zusammengearbeitet haben, plötzlich zur Terrororganisation erklären, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Ägypten Muslimbrüder Mursi Flagge Fahne Demonstration
Unter der Flagge der Muslimbrüder sammeln sich in den Ländern des Nahen Ostens viele MenschenBild: Awad Awad/AFP/Getty Images

Der amerikanische Präsident Donald Trump will die Muslimbruderschaft zu einer ausländischen Terrororganisation erklären lassen. Das verwundert nicht. Denn der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat ihm diesen Wunsch bei ihrem jüngsten Treffen eingeflüstert. Und auch das verwundert nicht. Denn Al-Sisis Einflüsterer sind die beiden starken Männer auf der Arabischen Halbinsel, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed.

Für das Trio ist die Muslimbruderschaft eine politische Herausforderung: So hat Al-Sisi im Juli 2013 den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Ägyptens, den Muslimbruder Mohammed Mursi, durch einen Putsch gestürzt. Und die Monarchen am Golf bekämpfen die Muslimbruderschaft, weil sie eine alternative Regierungsform zu den Dynastien mit mehr Partizipationsmöglichkeiten bietet.

Verlässliche Partner Washingtons

Dennoch verwundert die Ankündigung des Weißen Hauses. Wiederholt haben die USA in der Vergangenheit zu ihrem Nutzen mit Muslimbrüdern zusammengearbeitet, etwa nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan oder 2003 nach dem Sturz von Saddam Hussein, als Washington in Bagdad einen Muslimbruder zum Vorsitzenden der Interimsregierung eingesetzt hatte. Zudem sind Muslimbrüder in mehr als einem Dutzend Ländern an Regierungen beteiligt und dort - etwa in Marokko, Bahrain und Malaysia - verlässliche Partner Washingtons.

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Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Jetzt ist für Präsident Trump der Nutzen jedoch größer, wenn er die Muslimbruderschaft zu einer Terrororganisation macht. Denn der saudische Dissident Jamal Khashoggi war vor seiner Ermordung in einem saudischen Generalkonsulat als Anwalt der Muslimbruderschaft aufgetreten. Und ist dieser erst einmal als Terrorist diskreditiert, lassen sich Trumps umstrittenen Beziehungen zu Saudi-Arabien und Deals mit Riad viel leichter rechtfertigen.

Noch wichtiger ist Trumps Schritt für Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate: Denn die Muslimbrüder könnten bei den aktuellen Umwälzungen in Algerien und Tunesien ihre politische Macht ausbauen. Eine Erklärung Trumps zur rechten Zeit soll deren potenziellen Partner abschrecken. Zudem soll vor der Bekanntgabe des amerikanischen Planes zur Beilegung des Palästinakonflikts, der schon seit Wochen als "Jahrhundert-Deal" überhöht wird, die Muslimbruderschaft diskreditiert werden, die bereits ihre Ablehnung des Plans kundgetan hat.

Folgenloser Präzedenzfall

Für Trumps Ankündigung gibt es bereits einen Präzedenzfall: Vor fünf Jahren forderten die Vereinigten Arabischen Emirate als Gegenleistung für einen großen Rüstungsauftrag von London, die Muslimbruderschaft zur Terrororganisation zu erklären. Die Erklärung wurde damals verlesen, viel geschehen ist danach allerdings nicht. Sollten die drei Einflüsterer jetzt nicht darauf bestehen, dass die Erklärung der USA auch konkrete Folgen hat, könnte sich das durchaus wiederholen.