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Eine historische Begegnung

11. Februar 2016

Das Treffen zwischen dem Papst und dem russischen Patriarchen auf Kuba muss den Weg zu einem Dialog über die Einheit der Orthodoxen und der Katholischen Kirche ebnen, meint unser Gastkommentator Konstantin von Eggert.

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Russlands Patriarch Kyrill, Oberhaupt der Orthodoxen Kirche (Foto: Getty Images)
Patriarch Kyrill, Oberhaupt der Russisch-orthodoxen Kirche, die größte aller orthodoxen KirchenBild: Getty Images/AFP/K. Kudryavtsev

Ein Foto, auf dem sich Papst Franziskus und Patriarch Kyrill umarmen, würde zweifellos zu den Bildern des Jahres 2016 gehören. Das für diesen Freitag in Havanna geplante Treffen ist mit jenem zwischen Papst Paul VI. und dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Athinagoras in Jerusalem im Jahr 1964 vergleichbar. Bis dahin hatten sich die Oberhäupter der orthodoxen und katholischen Kirchen zuletzt im Jahr 1439 getroffen. Wenige Monate später hoben Papst Paul und Patriarch Athinagoras damals den gegenseitigen Bannfluch auf, der Folge der Spaltung der christlichen Kirche in Ost und West im Jahr 1054 gewesen war.

Sollte das Treffen auf Kuba nicht noch im letzten Moment scheitern, wird es das erste zwischen einem russischen Patriarchen und einem Papst überhaupt sein. Ein Vierteljahrhundert lang betonte das Moskauer Patriarchat, zwei Dinge würden einer solchen Begegnung im Wege stehen: die Diskriminierung orthodoxer Gläubiger durch die mit Rom verbundenen Unierten in der Westukraine sowie die aggressive missionarische Tätigkeit im postsowjetischen Raum, die Rom jedoch bestreitet. Das Treffen auf Kuba bedeutet faktisch, dass Moskau seine Vorwürfe gegen Rom fallen lässt.

Moskau tritt in den katholisch-orthodoxen Dialog ein

Initiiert wurde es vermutlich vom Moskauer Patriarchen. Kyrill war Schüler des Metropoliten Nikodim, der in den 1960er- und 1970er-Jahren die Abteilung für Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats leitete. Er trat für den Ausbau der Beziehungen zum Vatikan ein. Ihm gefiel, wie die katholische Kirche verwaltet und geführt wird. Dies vermittelte er wohl auch dem heutigen Patriarchen Kyrill.

Im Juni wird auf Kreta ein seit Jahrzehnten geplantes gesamtorthodoxes Konzil stattfinden, zu dem die Oberhäupter aller 15 autokephalen, also selbstständigen und unabhängigen orthodoxen Kirchen kommen sollen. Den Vorsitz hat der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. inne, der traditionell als "Erster unter Gleichen" von den anderen orthodoxen Kirchen verehrt wird. Bislang war er es, der Kontakte zu Rom pflegte. Bartholomaios traf sich bereits mit drei Päpsten, beginnend mit Johannes Paul II. In den 1960er-Jahren studierte Bartholomaios am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom. Er ist ein Verfechter der Ökumene, einer Annäherung zwischen den Christen verschiedener Konfessionen, vor allem zwischen Orthodoxen und Katholiken.

Konstantin von Eggert Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Konstantin von Eggert ist gebürtiger Russe. Er ist als freier Analyst, Journalist und Kommentator tätig.

Die russische Kirche ist die größte der Orthodoxie. Dass Patriarch Bartholomaios mit Rom stets im Namen aller Orthodoxen spricht, ärgert Moskau. Erschwert wird der Dialog zwischen Moskau und Konstantinopel auch durch Gruppierungen, die sich im postsowjetischen Raum von der russischen Kirche abgespalten haben und die Anerkennung des ökumenischen Patriarchen suchen, wenn auch erfolglos. Der russisch-ukrainische Konflikt setzt zudem die Frage auf die Tagesordnung, ob die Orthodoxe Kirche der Ukraine künftig Teil des Moskauer Patriarchats bleibt. Viele sprechen bereits von einer möglichen "Scheidung" zwischen Kiew und Moskau, die wiederum ein historisches Ereignis wäre.

Ist der Patriarch nur Putins Gesandter?

Nach dem Treffen mit Papst Franziskus könnte Patriarch Kyrill als Triumphator zum Konzil nach Kreta kommen, der eine neue Seite in der Geschichte des Christentums aufgeschlagen hat. Doch zu Hause wird das Treffen auf Kuba nicht nur Begeisterung auslösen: Der aktivste Teil der russischen Kirche gilt als konservativ und ist anfällig für Verschwörungstheorien. Für diese Gläubigen und Geistlichen sind Katholiken und der Papst bestenfalls "Häretiker", schlimmstenfalls "Diener des Satans" und "Agenten der freimaurerischen Weltregierung". Sollte dem Treffen des Papstes und des Patriarchen eine stärkere Annäherung der Kirchen folgen, könnten Anfeindungen gegen Kyrill öffentlich werden und dem Patriarchen Probleme bereiten. Doch der hält dieses Risiko anscheinend für vertretbar.

Der liberalere Teil der russischen Kirche hingegen deutet das Vorgehen des kremltreuen Patriarchen als einen geschickten Zug der Administration des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die so ihr Ansehen im Westen verbessern wolle. Doch in diesem Fall dürften die Liberalen Verschwörungstheorien aufsitzen. Bisher gibt es jedenfalls keinen Hinweis, dass die Beziehungen des Moskauer Patriarchats mit dem Heiligen Stuhl vom Kreml beeinflusst oder kontrolliert werden.

Gemeinsame Erklärung erwartet

Eine gemeinsame Erklärung des Papstes und des Patriarchen dürfte vermutlich weniger den aktuellen politischen Krisen in der Welt gewidmet sein, sondern viel mehr den Herausforderungen, die beide Kirchen einen: Säkularisierung und Konsumgesellschaft, die Gender-Ideologie, der radikale Islam und die wachsende Christenverfolgung.

Doch werden der Papst und der Patriarch auch die Haupthindernisse für die Einheit zwischen Orthodoxen und Katholiken ansprechen? Als da wären: Der Primat des Papstes mit seinem Anspruch, Oberhaupt aller Christen zu sein? Die Anerkennung der Wirksamkeit der von der katholischen Kirche gespendeten Sakramente durch die Orthodoxie? Auf diesen komplexen Themenfeldern sind gewiss keine schnellen Einigungen möglich, die sich in einem einzigen Treffen zwischen den Kirchenoberhäuptern erzielen ließen. Doch das Treffen ermöglicht weitere Gespräche über reale Schritte. Schritte, die in einer ferneren Zukunft wenn schon nicht zu einer administrativen, so doch den Weg zu einer geistigen Einheit der Kirchen bahnen müssen.

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