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Kampf um Vorherrschaft in der Weltwirtschaft

Buchmesse Leipzig - Thomas Straubhaar
Thomas Straubhaar
6. Juli 2018

Mit dem Inkrafttreten von US-Strafzöllen auf chinesische Produkte eskaliert der Handelskonflikt zwischen Washington und Peking. In Wirklichkeit aber geht es um viel mehr, meint der Ökonom Thomas Straubhaar.

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Von wegen Handelskrieg. Es geht doch nicht um Elektrogeräte gegen Sojabohnen. Amerikanische Strafzölle für Importe aus Fernost und chinesische Gegenzölle auf Agrarprodukte aus dem Wilden Westen sind reine Symbolpolitik - gut für mediale Aufmerksamkeit, schlecht für die betroffenen Bevölkerungen.

Der Handelskonflikt ist nur die Speerspitze eines viel größeren Kampfs: Auf dem eigentlichen Spiel steht der Sieg im epochalen Wettlauf um Macht, Dominanz und Vorherrschaft im 21. Jahrhundert. "America First" gegen "Made in China", das ist das Aufeinanderprallen der geopolitischen Giganten, das ansteht.

Bleiben die USA - so wie die vergangenen 150 Jahre - das Maß aller Dinge und der "American Way of Life" das Vorbild der Modernität? Oder kehrt China an die Spitze der Weltwirtschaft zurück? Dahin, wo es nach dem Selbstverständnis Pekings auch hingehört. Denn über Jahrhunderte bis vor weniger als 200 Jahren war das Reich der Mitte der übrigen Welt ökonomisch weit voraus.

G7? G20? G2!

Nie hat US-Präsident Trump einen Hehl daraus gemacht, dass "America first" sein oberstes Ziel ist. Alles andere war und ist zweitrangig und bleibt damit bestenfalls Mittel zum Zweck für sein großes Ganzes - nämlich zuallererst amerikanische Interessen zu verfolgen. Und für Donald Trump gibt es nur einen einzigen Gegner, der ihm im Wege steht: China. Alles andere ist für ihn geopolitisches Kleinvieh. Unwichtig, ob sich die Staats- und Regierungschefs der G7, G8 oder G20 ab und zu medienwirksam zum Gipfeltreffen versammeln. Von Gewicht ist das für den US-Präsidenten alles nicht. Für ihn gab und gibt es seit eh und je nur die G2: die USA und China.

Symbolbild Handelskrieg USA und China
Bild: picture-alliance/chromorange/C. Ohde

Die G2-Doktrin ist im Übrigen keine psychopathische Macke von Donald Trump. Vielmehr bewegt er sich in dieser strategischen Einschätzung im Rahmen der geostrategischen Analysen weiter Teile amerikanischer Denkfabriken. Aus deren Perspektive galt schon lange vor Trump Vielen als offensichtlich, dass im Wettbewerb um eine Vormachtposition in der Welt(wirtschafts)politik nur China und die USA, nicht aber Europa eine Rolle spielen.

Im Kampf der geopolitischen Giganten USA wird auch die Welthandelsorganisation (WTO) wenig zu sagen haben. Das ist tragisch, denn die USA sind die Mutter der Welthandelsordnung der Nachkriegszeit. Und seit China Ende 2001 Mitglied wurde, ging es mit der globalen Arbeitsteilung und dem Welthandel noch flotter voran als vorher. Aber weder die USA noch China werden sich von der WTO hindern lassen. Und wenn sie bei Zöllen ihr Pulver verschossen haben sollten, werden sie zu den wirklich schweren Waffen greifen - den Wechselkursen.

Vom Handelskrieg zum Währungskrieg

Es ist kein Zufall, sondern harte ökonomische Logik, dass die chinesische Währung - der Yuan oder Renminbi - binnen weniger Wochen sieben Prozent zum Dollar abgewertet hat. Die Abwertung ist eine wirkungsmächtige Wunderwaffe des Protektionismus. Sie degradiert Strafzölle zu Kügelchen aus Luftgewehren. Eine Abwertung des Yuan bedeutet nichts anderes, als ein flächendeckender Importzoll von sieben Prozent auf alle Produkte aus dem Ausland und nicht nur ein punktueller chinesischer Gegenzoll für einzelne US-Güter. Gleichzeitig ist sie eine Exportsubvention für alle chinesischen Hersteller auf den Weltmärkten, die chinesische Produkte um sieben Prozent verbilligt. Mit der Abwertung des Renminbi wird somit die Wirkung der Trump'schen Strafzölle mehr als ausgehebelt.

Ein Währungskrieg ist die Fortsetzung des Handelskriegs mit weit großkalibrigeren Waffen. Er macht die WTO vollends zum zahnlosen Tiger. Denn gegenüber Abwertungsstrategien fehlt es der WTO an Kompetenzen und Instrumenten, um dagegenhalten zu können. Währungskriege waren 1948 nicht auf dem Schirm der Gründungsmitglieder der Welthandelsorganisation. Wieso auch: Damals galt mit dem Bretton-Woods-System von 1944 noch für fast drei weitere Jahrzehnte eine Doktrin fester Wechselkurse mit dem US-Dollar als Leitwährung.

Kleinstaaterei ist der falsche Weg

Das faktische Ende der multilateralen Weltwirtschaftsordnung degradiert europäische Interessen zu beliebig manipulierbaren Spielbällen der G2-Staaten. Denn beim Multilateralismus hatten die USA und China genauso nur eine Stimme, wie jedes einzelne Land Europas. Die EU insgesamt hatte somit ein Stimmengewicht, das 28 mal jenem der USA oder Chinas entspricht. In bilateralen Verhandlungen jedoch wird wieder die Macht des Stärkeren entscheiden - da sollte sich Europa nicht die geringste Illusion auf Schonung machen.

Höchste Zeit somit, nach neuen Ansätzen jenseits von globalem Freihandel, Nichtdiskriminierung und dem Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität) zu suchen. Dazu gehört zuallererst die Einsicht, dass für Europa Kleinstaaterei das Gegenteil einer Erfolgsstrategie ist. Keines der europäischen Länder hat in einer Welt der G2-Machtdominanz alleine auch nur annähernd etwas zu sagen - auch nicht Deutschland oder Frankreich. Das ist das Neue und Andere im post-multilateralen Zeitalter. Nur zusammen hat Europa eine Chance, seine eigenen Interessen gegenüber einer "America First"-Strategie und einem sowohl wirtschaftlich wie militärisch bestens gerüsteten China zur Geltung zu bringen.

Thomas Straubhaar ist ein Schweizer Ökonom und Migrationsforscher. Er ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg. Er war von 1999 bis 2014 Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Archivs (HWWA )und des daraus hervorgegangenen Hamburgischen Weltwirtschaftsinsituts (HWWI).

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