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Die Obama-Administration

William Drozdiak29. Oktober 2008

Wird Barack Obama neuer US-Präsident, tritt er ein schweres Erbe an. Will er Probleme wie die Finanzkrise, die Kriege im Irak und Afghanistan oder die Arbeitslosigkeit lösen, muss er rasch politische Prioritäten setzen.

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Während Barack Obama laut Meinungsumfragen seinen Vorsprung auf John McCain kurz vor der US-Präsidentschaftswahl ausbauen konnte, wendet sich die Aufmerksamkeit der Frage zu, welchen politischen Weg Obama einschlagen würde, sollte er es sein, der am Tag nach der Amtseinführung am 20. Januar das Weiße Haus bezieht. Schon jetzt ist klar, dass diese Präsidentschaft eine der schwierigsten in der amerikanischen Geschichte sein wird: Der nächste Präsident erbt die Kriege im Irak und in Afghanistan, nach den Drohgebärden Irans und Nordkoreas einen möglichen nuklearen Showdown, ein neuerlich aggressives Russland und eine Finanzkrise, schlimmer als jede andere seit der Weltwirtschaftkrise 1929.

Wenn auch der neue Präsident ein Team aus Experten um sich hat, die die aktuellen Probleme genau untersuchen, zeigt doch die Tatsache, dass er bis zur Amtsübernahme kaum zehn Wochen Zeit hat, in denen er ein neues Kabinett bilden und sein politisches Programm vorbereiten muss, wie schwierig die Herausforderung ist, der er sich stellt. Einige Kommentatoren fragen sich in der Tat, warum jemand einen so risikoreichen Job überhaupt wolle.

Feilen an der Botschaft

Obama hat sich dieser Aufgabe mit kühler Methodik angenährt. Er hat zwei erfahrene Berater ernannt, die ihm helfen werden, die neue Regierung zusammenzustellen. John Podesta, ehemaliger Stabschef im Weißen Haus unter Präsident Clinton, ist für die innenpolitischen Angelegenheiten verantwortlich, einschließlich der politischen Top-Themen Klimawandel, Energieversorgung, Finanzkrise, Arbeitslosigkeit und die Reformen des Steuer- und Bildungssystems. Angesichts des dramatischen Risikos eines globalen Konjunkturabschwungs und der Notwendigkeit, das weltweite Finanzsystem zu reformieren, hat Obama das Thema Wirtschaftsreform in der letzten Phase des Wahlkampfs hervorgehoben und war dabei bemüht, dass sich seine Vorschläge von denen der republikanischen Konkurrenz unterschieden.

Aus seinem Umfeld heißt es, er spreche mehrmals am Tag mit den wichtigsten Beratern, wie dem ehemaligen Vorsitzenden der Bundesaufsicht der US-Banken, Paul Volcker, und dem Ex-Finanzminister Robert Rubin, um angesichts der Irrungen und Wirrungen des instabilen Weltmarkts seine Botschaft anzupassen.

Neuer Kurs im Anti-Terror-Kampf

William Drozdiak (Quelle: acg)
William DrozdiakBild: acgusa

Die weltweite Wirtschaftskrise hat das Programm, welches ursprünglich erschreckend stark von außenpolitischen Zielen geprägt war, in vielen Punkten beeinflusst. James Steinberg, ehemaliger stellvertretender Berater für nationale Sicherheit in der Clinton-Administration, leitet die Arbeitsgruppe, die den außen- und sicherheitspolitischen Kurs entwerfen soll. Obama hat seine Absicht erklärt, einen Zeitplan vorzulegen, der einen Abzug der US-Truppen binnen 16 Monaten ab Obamas eventueller Amtsübernahme vorsieht - und er wird versuchen noch schneller das Land zu verlassen, um Streitkräfte nach Afghanistan verlegen zu können, wo die Taliban und ihre Verbündeten von El Kaida wieder erstarken.

Außerdem wird Obama die europäischen Partner bitten, mehr Verantwortung beim Anti-Terror-Kampf zu übernehmen. Dabei wird er den Schwepunkt mehr auf einen Wiederaufbau der Wirtschaft legen, anstatt allein auf rohe militärische Gewalt zu setzen - mit anderen Worten, statt mutmaßliche Feinde zu töten, wird er sich entschlossen bemühen, Herzen und Zustimmung zu gewinnen.

Weiterhin hat er seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass die amerikanische Führung neue Initiativen in Angriff nimmt, besonders in den drei Bereichen, die unter Bush vernachlässigt wurden -Klimawandel, nukleare Abrüstung und ein Folterverbot -, um zu zeigen, dass man internationale Gesetze wie die Genfer Konvention, respektiere. Während dieser Politikwechsel ohne Zweifel in den europäischen Hauptstädten auf Wohlwollen stoßen wird, wird wohl die Forderung, die USA während einer Phase wirtschaftlicher Turbulenzen mehr zu unterstützen, in Europa weniger begrüßt werden.

Die Folgen des Freihandelsfanatismus ausbügeln

Die Obama-Administration wird keine andere Wahl haben, als einige wesentliche Veränderungen sofort anzugehen. Man wird ein Maßnahmenpaket forcieren, das mehr Geld in die Taschen der amerikanischen Konsumenten bringen soll und man wird Geldmittel für die Infrastruktur zur Verfügung stellen, um baufällige Straßen und Brücken in Stand zu setzen, was einen willkommenen Nebeneffekt hätte – neue Arbeitsplätze. Der nächste Kongress, voraussichtlich von Demokraten dominiert, wird neue Vorschriften erlassen wollen, vor allem bezüglich Derivaten und anderen "Waffen der ökonomischen Zerstörung", welche die globale Finanzkrise angeblich verursacht haben. Nachdem man zugesehen hat, wie die Republikaner in einem Anfall von Freihandelsfanatismus regulative Kontrollen abbauten, wollen die Demokraten Gesetze wiedereinführen, die die Rolle von Banken und Investmenthäusern beschneiden.

Darüber hinaus wird Obama abwägen, auf welche Weise Institutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds modernisiert werden können und wie man sie an eine Welt anpassen kann, die sich seit der Nachkriegszeit der vierziger und fünfziger Jahre, als sie gegründet wurden, stark verändert hat. Die Zahl der Mitgliedsstaaten der G 8 wird sich wahrscheinlich verdoppeln, indem man Brasilien, China, Indien und andere aufstrebende Länder aufnehmen wird. Wie auch die Vereinten Nationen, haben diese Organisationen unter einem Verlust öffentlichen Ansehens gelitten, weil sie nicht länger in die Wirklichkeit unserer Tage passten und es ihnen somit in den Augen der Welt an Legitimität fehlt.

Mehr Symbolismus als Substanz

Obamas erster großer Auslandsbesuch wird ihn voraussichtlich nach Deutschland führen, wo Anfang April in Baden-Baden der sechzigste Geburtstag der NATO bei einem Gipfeltreffen der Regierungschefs der Mitgliedsländer gefeiert wird. Die Staatschefs der Alliierten werden Obamas Rede höchst aufmerksam verfolgen, um einen ersten Eindruck seiner Präsidentschaft zu erlangen. Aber seine Worte werden voraussichtlich eher von Symbolismus als von Substanz geprägt sein, da er zweifelsohne noch damit beschäftigt sein wird, sein Kabinett zu bilden und sein außenpolitisches Team zu benennen.

Aber er wird sicherlich deutlich machen, dass Amerika ein neues Kapitel aufgeschlagen hat, indem er erklären wird, dass die Zeiten des Unilateralismus vorbei sind und die USA sich wieder dem Rest der Welt zuwenden - Dialoge mit den Feinden eingeschlossen, bei denen man ein andauerndes Bekenntnis zu Diplomatie und Normen internationaler Gesetze formulieren wird. Meinungsumfragen zeigen, dass dieser Wechsel bedingungslos vom amerikanischen Volk mitgetragen wird, das bestürzt und desillusioniert ist durch die schrecklichen Militärabenteuer der neokonservativen Clique, die Bushs außenpolitisches Team dominierte.

Der Retter der USA

Kurz gesagt, Amerika und die Welt werden wohl am Morgen des 5. November erwachen und eine vollkommen andere US-Regierung vorfinden. Wenn Obama die Hoffnungen und Träume Millionen amerikanischer Wähler, die sich nach dem von ihm proklamierten "Change" sehnen, erfüllen kann, wird er als ein für den Wechsel stehendes Staatsoberhaupt in die Geschichtsbücher eingehen, das die Vereinigten Staaten vor dem Abgrund gerettet, sie vor dem Verlust des Weltmacht-Status bewahrt und ihr ursprüngliches Ziel erneuert hat – die unentwegte Verteidigung demokratischer Werte und Menschenrechte.

William Drozdiak ist seit 2005 Präsident des American Council on Germany.