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Politik

Warum die Pandora Papers so wichtig sind

Frederik Obermaier und Bastian Obermayer +++NUR als Kommentarbild für die App geeignet!+++
Frederik Obermaier / Bastian Obermayer
9. Oktober 2021

Die Pandora Papers - wieder ein Leak über Steuerflucht, Macht und Gier. Mittendrin: Spitzenpolitiker aus aller Welt. Das gefährdet die Demokratie, meinen Frederik Obermaier und Bastian Obermayer.

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Pandora Papers | Symbolbild
Bild: Zeljko Lukunic/PIXSELL/picture alliance

Als wir vor fünf Jahren die Panama Papers veröffentlichten, wussten wir, dass es nicht bei diesem einen Leak bleiben würde. Und so war es: Kurz darauf wurden uns die Bahamas Leaks zugespielt, dann die Paradise Papers. Es folgten die FinCEN-Files, die eine mutige Whistleblowerin unseren Kolleginnen und Kollegen von Buzzfeed zukommen ließ - und nun also die Pandora Papers: das - je nach Zählung - bislang größte Leak aus der Welt der Steueroasen. Es enthüllt, wie Hunderte Politiker - darunter 35 Staatenlenker - ihr Geld in Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen verstecken.

Damit sind wir auch schon beim Kern des Problems: der Politik.

Das große Offshore-Geschäft boomt weiter

Dass es Steueroasen gibt, ist seit Jahren bekannt. Dass Briefkastenfirmen von Steuerhinterziehern, Betrügern und anderen Kriminellen genutzt werden, ebenso. Und trotzdem gibt es bislang wenig Bereitschaft, daran wirklich etwas zu ändern.

Infografik Pandora Papers im Vergleich DE

Freilich: Es wurden Ermittlungen eingeleitet, einige Politiker sind zurücktreten, manche kamen sogar ins Gefängnis. Es wurden auch ein paar Gesetze verschärft. Endlich gibt es in mehr Ländern ein Register, in dem man die wahren Eigentümer von Firmen nachschauen kann. Die G20-Staaten einigten sich auch auf eine globale Mindestbesteuerung - die aber liegt bei lächerlich niedrigen 15 Prozent und gilt auch nur für Großkonzerne. Der große Wurf blieb aus. Und das große Offshore-Geschäft geht weiter.

Einen vernünftigen und schnellen Informationsaustausch zwischen Ermittlern aller Länder ist noch immer in weiter Ferne. Sanktionen gegen Steueroasen erst recht. Wie auch? Immerhin ist eine der größten Steueroasen weltweit ausgerechnet die USA. Die Bundesstaaten Delaware, Nevada und Wyoming stehen seit Jahren in der Kritik - und doch tut sich nichts. Vielmehr noch: als die Steueroase Bahamas 2018 auf Druck der Vereinigten Staaten ihre Gesetze verschärften, wanderten viele Offshore-Kunden ab - ausgerechnet in die USA, nach South Dakota.

Verantwortungslosigkeit der Politik

US-amerikanische Regierungen sind seit jeher Vorreiter, wenn es darum geht, von anderen Ländern mehr Transparenz und eine Abkehr vom schmutzigen Geld einzufordern. Daheim, im eigenen Hinterhof aber, wird nicht so genau hingeschaut. Die Gauner dieser Welt danken.

Frederik Obermaier und Bastian Obermayer | Kommentarbild
Frederik Obermaier (li.) und Bastian Obermayer sind Investigativ-Reporter bei der "Süddeutschen Zeitung"Bild: Friedrich Bungert/SZ

Wer Scheinheiligkeit sucht, braucht aber nicht weit in die Ferne schweifen. Auch die Europäische Union hat sich, was den Kampf gegen Steueroasen angeht, nicht mit Ruhm bekleckert. Nur zwei Tage nach den ersten Pandora-Papers-Veröffentlichungen strichen die EU-Finanzminister Dominica, Anguilla und die Seychellen von der Schwarzen Liste der Steueroasen - auf einem Gipfel in Luxemburg, der malerischen Steueroase im Herzen Europas. 

Wie sollen wir den Menschen erklären, dass die Politik auf der einen Seite seit Jahren nicht handelt - und wir gleichzeitig auf der anderen Seite ständig Politiker als Profiteure des Offshore-Systems enttarnen? Dass ausgerechnet jene gesellschaftlichen Akteure, die diesen Missstand beheben könnten und sollten, selbst von dem System profitiert haben? Dass sie seit den Panama Papers kaum etwas vorangetrieben haben? Es ist nur schwer zu erklären.

Klimawandel, Korruption, Terror

Dabei steht vieles auf dem Spiel. So gut wie jedes Problem der Gegenwart hat auf irgendeine Art und Weise mit Steueroasen, Briefkastenfirmen und undurchsichtigen Trusts oder Stiftungen zu tun. Ob Klimawandel, Korruption, Terrorfinanzierung oder das Ausplündern ganzer Kontinente - der Link zu diskreten Briefkastenfirmen ist immer schnell gefunden, weil man damit immer seine Spuren verwischen kann.

Zugleich ist die Welt der Steueroasen eine Welt der Reiche und Superreiche. Für Normalbürger ist der Eintritt unerschwinglich. Neutral betrachtet verpassen sie einiges, denn Offshore bedeutet nicht nur weniger Steuern, sondern auch die Freiheit, sich die Gesetze aussuchen zu können, die einem genehm sind. Das fängt bei den Steuern an, betrifft aber auch das Erbrecht, das Haftungssrecht oder das Schuldnerrecht. Und das ist ein untragbares, ja, ein unerträgliches Problem für die Gesellschaft.

Kampf für die Demokratie

Wenn sich einige wenige aussuchen können, welche Gesetze für sie gelten, schafft dies eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: hier die in der Offshore-Welt - dort der Rest. Die Menschen identifizieren sich aber nicht mehr mit einer Gesellschaftsform, in der es verschiedene Regeln gibt, und in der "die da oben" sich an ganz andere Regeln halten können. Das wiederum gefährdet unsere Demokratie. Es macht es nämlich den Populisten einfach, Stimmen abzuholen: Sie müssen nur auf "die da oben" schimpfen. Und wir, als Journalisten, belegen das auch noch mit jedem Leak, weil wir bestätigen, dass sich die Elite andere Regeln genehmigt.

Und so ist der Kampf gegen Steueroasen auch ein Kampf für die Demokratie. Es ist ein wichtiger Kampf. Eine Niederlage können wir uns nicht leisten.

 

Bastian Obermayer und Frederik Obermaier sind Redakteure der "Süddeutschen Zeitung" im Ressort Investigative Recherche. Gemeinsam initiierten sie 2016 die weltweiten Panama-Papers-Enthüllungen, in dem sie die ihnen zugespielten Daten mit dem International Consortium of Investigative Journalists teilten. Dafür wurden beide 2017 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Die Wahrheit über Steueroasen