1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gauck liest Erdogan die Leviten

28. April 2014

Deutlich wie kein anderer Staatsgast in der Türkei zuvor hat Bundespräsident Gauck die Politik von Regierungschef Erdogan verurteilt. Die Demokratie sei gefährdet, sagte Gauck vor Studenten in Ankara.

https://p.dw.com/p/1Bpc1
Bundespräsident Gauck spricht vor Studenten in Ankara (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vor seinem Abreise zum Staatsbesuch in der Türkei hatte Bundespräsident Joachim Gauck angekündigt, deutliche Worte zur umstrittenen Politik des konservativ-islamischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan zu finden. Und in einer Rede vor Studenten in Ankara nahm das deutsche Staatsoberhaupt dann auch kein Blatt vor den Mund. Gauck sieht Demokratie und Rechtsstaat beim NATO-Partner in Gefahr.

Er beobachte mit Sorge Tendenzen in der Türkei, den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung zu beschränken. "Ich gestehe: Diese Entwicklung erschreckt mich - auch und besonders, wenn Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden", sagte Gauck in seiner Rede in der Technischen Universität der türkischen Hauptstadt und fuhr fort: "So frage ich mich heute und hier, ob die Unabhängigkeit der Justiz noch gesichert ist, wenn die Regierung unliebsame Staatsanwälte und Polizisten in großer Zahl versetzt und sie so daran hindert, Missstände ohne Ansehen der Person aufzudecken." Ebenso sei zu kritisieren, wenn eine Regierung Urteile in ihrem Sinn beeinflussen wolle.

"Rat aus Deutschland"

"Als Demokrat werde ich dann meine Stimme erheben, wenn ich den Rechtsstaat in Gefahr sehe - auch wenn es nicht der Rechtsstaat des eigenen Landes ist", betonte Gauck. Diese Bemerkung, so der Bundespräsident solle als Rat verstanden werden, so wie Deutschland bereit sei, Rat und Kritik aus anderen Ländern anzunehmen, wenn es etwa um die Aufklärung der Morde der NSU-Terrorzelle gehe, der vor allem türkischstämmige Menschen zum Opfer fielen.

Gauck würdigte andererseits den rasanten Wirtschaftsaufschwung und demokratische Errungenschaften der Türkei, etwa die Tatsache, dass der Einfluss des Militärs zurückgedrängt wurde, ein Dialog mit den Kurden geführt werde oder dass Erdogan den Armeniern sein Mitgefühl für erlittene Verbrechen ausspreche. In letzter Zeit gebe es aber auch "Stimmen der Enttäuschung, der Erbitterung und Empörung über einen Führungsstil, der vielen als Gefährdung für die Demokratie erscheint".

Autokratische Tendenzen

Erdogan feiert den Sieg der AKP

Erdogan, der seit elf Jahren an der Spitze türkischen Regierung steht, wird von Kritikern ein zunehmend autoritärer Politikstil vorgeworfen. So ließ er die landesweiten sogenannten Gezi-Proteste mit massiver Polizeigewalt niederschlagen. Auf Korruptionsermittlungen reagierte er mit der Versetzung zahlreicher Polizisten und Staatsanwälte. Mit der Parlamentsmehrheit seiner AKP wurden Gesetze zur schärferen Kontrolle des Internets und zur Ausweitung der Befugnisse des Geheimdienstes MIT verabschiedet. Vor der Kommunalwahl im März hatte der Regierungschef den Online-Kurznachrichtendienst Twitter sperren und die Videoplattform YouTube blockieren lassen.

Zum offiziellen Auftakt seines Staatsbesuchs in der Türkei war Gauck in Ankara von Staatschef Abdullah Gül mit militärischen Ehren begrüßt worden. Nach einem Gespräch der beiden Präsidenten traf Gauck zu einem Mittagessen mit Erdogan zusammen.

wl/kle (dpa, epd, rtr)