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Gauck lobt Friedenshelfer

Kay-Alexander Scholz10. Februar 2015

Zivile Experten in weltweiten Friedenseinsätzen sind gefragt. Weil sie allerdings medial selten im Mittelpunkt stehen, hat Bundespräsident Joachim Gauck sie getroffen. Das wurde für beide Seiten fruchtbarer als gedacht.

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Gauck bei einem Workshop im Zentrum für internationale Friedenseinsätze (Foto: dpa)
Bundespräsident Gauck (rechts im Bild) bei einem Workshop im "Zentrum für internationale Friedenseinsätze" in BerlinBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

40 Quadratmeter in einem alten Charlottenburger Bürogebäude, Neonlicht, Tische in U-Form, 15 Teilnehmer, ein Moderator, vier Referenten - und mittendrin der Bundespräsident. So eine Situation ist selten. Joachim Gauck ist als Bürgerpräsident bekannt und geachtet, aber inkognito als Teilnehmer eines Workshops, kann das gutgehen? "Seien Sie ganz entspannt!", sagt Gauck zum Moderator. Er möchte normal behandelt werden und verweist auf seine Erfahrungen als Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde.

Zehn Minuten und einige kleine Einwürfe Gaucks später scheinen die Anwesenden vergessen zu haben, dass sie mit dem deutschen Staatsoberhaupt zusammensitzen. Es funktioniert.

Freude am intellektuellen Gespräch

Wahrheit, Gnade, Friede, Gerechtigkeit - diese vier Grundprinzipien sollen das "komplexe Spannungsfeld politischer Dilemmata" verdeutlichen, erklärt der Moderator. Der Mann, der die Wahrheit personalisiert, sagt: "Seit der Postmoderne fühle ich mich so multipel." Das Niveau der Diskussion liegt auf Doktorandenniveau. Gauck gestikuliert zunächst noch etwas viel, wirkt dann schnell aber selbst entspannter und bringt seine Erfahrungen als Theologe und Weltreisender, der er als Präsident ist, in die Diskussion ein. Am intellektuellen Austausch, der sich alsbald entzündet, hat er sichtlich Freude.

Doch was versteht man unter Versöhnung in Tansania oder unter Gnade in Afghanistan? Man dürfe nicht mit westlichem Blick sagen, das gehe und das gehe nicht, lautet ein Tenor der Diskussion. Wenn etwas wirke, müsse man es stützen, auch wenn es fremd sei. Man komme in Afghanistan nur weiter, wenn man das islamische Recht anerkenne, nicht die Perversion, aber die "ownership der Kultur", die in 100 Ländern weltweit gelte. In Deutschland sei dies allerdings schwer vermittelbar. Libyen sei ein anderes Beispiel, dort gelte eine andere Definition von Staatlichkeit, das müsse die internationale Gemeinschaft lernen. Gauck sagt, dass gerade Aspekte diskutiert würden, die er noch nicht im Blick gehabt habe.

Zentrum für internationale Friedenseinsätze: Wand mit Fotos der ausgebildeten Friedenshelfer (Foto: DW/Scholz)
Am "Zentrum für internationale Friedenseinsätze" werden jährlich 250 Mitarbeiter für ihre Einsätze geschult.Bild: DW/K.-A. Scholz

"Sie sind immer die Guten!"

Ihm gefalle der Ansatz der Bescheidenheit, sagt Gauck zum Ende des Workshops. Bei den Urgroßeltern sei das noch anders gewesen. Sie gingen in die Welt, "um zu zeigen, wie man es macht". Am Ende dann lobt er den Einsatz der Friedenshelfer als "segensreich" und verspricht: "Das wollen wir hegen und pflegen". Und er sagt: "Sie sind immer die Guten!"

Die Teilnehmer sind nach der gemeinsamen Stunde mit Gauck begeistert, der Workshop habe funktioniert - gemeinsam habe man Erkenntnisse erarbeitet. Zum Beispiel die, dass Zuhören als "soft skill" zunächst das Wichtigste ist, wenn man als Jurist, Polizist oder Beamter im Rahmen eines Friedenseinsatzes in ein Land geschickt wird, um nach einem Krieg mitzuhelfen, neue staatliche Strukturen aufzubauen.

Teil der internationalen Verantwortung

Seine Unterstützung für die Friedenshelfer wiederholt Gauck anschließend im Rahmen eines Forums in seinem Berliner Dienstsitz, dem Schloss Bellevue, vor einem größeren Publikum aus Fachleuten und Politikern. Die Arbeit ziviler Experten in Friedenseinsätzen müsse sichtbarer werden, fordert der Bundespräsident. Gezielte Friedensmissionen seien auf einem "Spektrum zwischen Nichtstun und dem Einsatz militärischer Mittel" einzuordnen und Teil der Debatte über Deutschlands Rolle in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass "auch der Verantwortung trägt, der abseits steht", warnt Gauck.

Joachim Gauck in gewohnter Umgebung im Schloss Bellevue. (Foto: dpa)
Joachim Gauck in gewohnter Umgebung im Schloss BellevueBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Doch leider gebe es manchmal viel zu wenig überhaupt sichtbar zu machen, sagte Franziska Brantner, Vorsitzende des Ausschusses für "Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln" im Bundestag. 12.400 Polizisten seien derzeit weltweit in solchen Missionen im Einsatz, darunter aber nur zwei Dutzend Deutsche. Dabei werde international immer wieder Bedarf angemeldet. Zum Beispiel, wenn Polizeikräfte im arabischen Raum im Umgang mit Demonstrationen geschult werden sollen. Da sei es dann schon ein Unterschied, ob das von deutschen oder aber von ägyptischen Polizisten geleistet werde, so Brantner.

Vieles noch zu verbessern

Im Schloss kommen aber noch ganz andere Probleme zur Sprache - eher persönlicher Art. Dass ein Jurist, der nach Afrika gehe, anders als ein Polizist im selben Einsatz, nur 20 Kilogramm Reisegepäck mitnehmen könne, "für ein Jahr in der Wüste". Dass es kein Gehalt gebe, sondern nur eine Aufwandsentschädigung, weil es den Beruf "Friedenshelfer" nicht gebe. Oder dass viele nach ihrem Einsatz beruflich in ein Loch fielen und auf staatliche Hilfe angewiesen seien.

Gauck fragt nach, ob ein solcher Einsatz gar karriereschädigend sei? Ein ehemaliger Richter, der in Afghanistan tätig war, antwortet: "Von einem Juristen kriegt man ja nie eine klare Ja-nein-Antwort". Gauck sagt, er werde sich in die Debatte einmischen.