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Gauck wirbt für Versöhnungskultur

Tobias Käufer11. Mai 2013

Bundespräsident Joachim Gauck wirbt bei seinem Kolumbien-Besuch für eine nationale Versöhnung in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land. Ziel müsse eine Kultur des Erinnerns sein.

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Bundespräsident Joachim Gauck besichtigt am 09.05.2013 in Bogota (Kolumbien) die auf einer Wandtafel angebrachte Menschenrechtserklärung in der Casa de los Derechos Omanos (Foto: Soeren Stache/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Gleich zu Beginn seines Aufenthaltes dämpfte Bundespräsident Joachim Gauck die Erwartungen an seinen Besuch. Er komme nicht, um den Kolumbianern zu sagen, wie sie den Frieden zu organisieren hätten, sagte das deutsche Staatsoberhaupt in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. Das stehe ihm nicht zu.

Und doch sprach Gauck während seiner Rede in der "Universität de los Andes" am Freitag (10.05.2013) die beiden Kernfragen an, die der vom jahrzehntelang tobenden bewaffneten Konflikt gebeutelten kolumbianischen Gesellschaft auf dem Herzen liegen. "Wie kann Opfern ihre Würde zurückgegeben werden, wie ihnen Anerkennung zuteil werden, wie kann ihnen Wiedergutmachung gewährt werden?" fragte Gauck seine Zuhörer. Und: "Wie kann Schuldigen, Verführten, Unbeteiligten und Opfern ein Neuanfang in einer demokratischen Gesellschaft gelingen?"

"Ohne Wahrheit keine Versöhnung"

Es sind Fragen, mit denen viele Deutsche nach der Wiedervereinigung 1990 konfrontiert waren. "Verdrängen und Verschweigen kam für die Bürgerrechtler und die meisten Ostdeutschen nicht in Frage", erinnerte sich Gauck. Die Aufarbeitung der Stasi-Herrschaft in der ehemaligen DDR sei aber keineswegs mit der Situation in Kolumbien zu vergleichen, stellte Gauck klar: "Hier stehen sich die Menschen in einer anderer Art von Todfeindschaft gegenüber, das ist ein sehr komplizierter Prozess."

Bundespräsident Joachim Gauck spricht am 10.05.2013 in Bogota (Kolumbien) im Auditorium der Universidad de los Andes (Foto: Soeren Stache/dpa)
Joachim Gauck in der Universidad de los AndesBild: picture-alliance/dpa

Eines sei aber gewiss: "Ohne Wahrheit wird es nie eine innere Versöhnung gegeben." Eine öffentliche Dokumentation der Gewalttaten könne dazu führen, dass diejenigen, die für die Gewalt verantwortlich seien, auch ohne Gerichtsurteil öffentlich delegitimiert werden.

Opfer müssen Zugang zu Informationen erhalten

Ein Weg zur Versöhnung könne eine Kultur des Erinnerns sein. "Die deutsche Lösung hieß damals: Versöhnung statt Vergeltung. Amnestie gegen Wahrheit", erinnerte Gauck. Angesichts der Vielzahl der Opfer in Kolumbien sei es zwar nicht möglich, "alle Menschen vor Gericht zu stellen, die da eigentlich hingehörten, aber dann ist es wichtig, dass man wenigstens Archive öffnet, Zeitzeugenprogramme schafft, um die wirkliche Wahrheit vor aller Augen hinzustellen".

Die Gewalttaten des bewaffneten Konfliktes sollten öffentlich dokumentiert und zugänglich gemacht werden. Nur so sei es möglich, eine nachhaltige Versöhnung zu erreichen, denn dann werde den Opfern klar, dass sie auf der richtigen Seite gestanden hätten, und den Tätern, dass sie Unrecht begangen hätten, sagte Gauck, der am Sonntag in Begleitung seiner LebensgefährtinDaniela Schadt weiter nach Brasilien reist.

Friedensgespräche seit Oktober

Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien zwischen linken Guerillagruppen, rechten Paramilitärs und der regulären Armee hat seit Jahrzehnten Millionen Binnenflüchtlinge und hunderttausende Tote gefordert. Die seit Monaten laufenden Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der linksgerichteten Guerilla-Organisation Farc könnten zu einem Meilenstein in der Geschichte des Landes werden, wenn sie denn erfolgreich enden.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und Joachim Gauck (Foto: rtr)
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und Joachim GauckBild: Reuters

Die weltweit beachteten Friedensgespräche begannen Mitte Oktober in Oslo und werden seitdem in Etappen in Havanna fortgesetzt. Kolumbiens Unterhändler stellten in Aussicht, die FARC nach einer Einigung als politische Partei anzuerkennen. Die FARC entstand 1964. Mit rund 9.200 Kämpferinnen und Kämpfern ist sie die größte lateinamerikanische Rebellenorganisation. Ihr werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Europäische Union stuft sie als Terror-Organisation ein.