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Der Tag der Versöhnung

4. September 2013

Am Grabmal des unbekannten Soldaten hat der wichtigste Tag des Frankreich-Besuchs von Joachim Gauck begonnen. Am Nachmittag ehrt der Bundespräsident die Toten von Oradour-sur-Glane.

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Bundespräsident Gauck legt vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten am Pariser Arc de Triomphe einen Kranz nieder (Foto: AFP)
Bild: Jacques Brinon/AFP/Getty Images

Am zweiten Tag seines Staatsbesuchs in Frankreich legte Bundespräsident Gauck vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten am Pariser Arc de Triomphe einen Kranz nieder. Die Geste hat wegen der für Franzosen besonders großen Bedeutung des Ersten Weltkriegs ein erhebliches Gewicht.

Anschließend reiste Gauck gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande in das mittelfranzösische Oradour-sur-Glane. 1944 hatten dort deutsche Soldaten der Waffen-SS mehr als 600 Franzosen ermordet. Es ist der erste Besuch eines Bundespräsidenten in der Gedenkstätte und der "emotionale Höhepunkt" für Gauck. Er reise nach Oradour "demütig und im Bewusstsein: Ich repräsentiere ein anderes Deutschland." Das wolle er vor Ort auch zeigen, indem er sein Haupt beuge und sich vor den Toten verneige, sagte Gauck.

Inbegriff der Nazi-Gräuel

Oradour ist in Frankreich ein Inbegriff der Nazi-Gräuel. Die Bewohner des kleinen Ortes hatten jahrzehntelang jeden offiziellen Kontakt zu Deutschland abgelehnt. Bei seinem Besuch will Gauck auch einen der letzten Überlebenden des SS-Massakers treffen, den heute 86-jährigen Robert Hébras. Dieser würdigte im Vorfeld den Besuch als "extrem wichtig" und betonte: "Wir müssen uns mit dem deutschen Volk versöhnen". Gaucks Besuch sei eine "logische Folge des Aufbaus Europas" und komme zeitlich richtig: "Vor 50 oder 60 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ein deutscher Präsident nach Oradour kommen kann", sagte Hébras, der bei dem Massaker seine Mutter und zwei seiner Schwestern verlor.

Robert Hebras, 86, Überlebender des Massakers von Oradour-sur-Glane (Foto: AFP)
Robert Hébras, der das Massaker von Oradur überlebte, wird Gauck durch die Ruinen führenBild: Jean-Pierre Muller/AFP/Getty Images

Am 10. Juni 1944 hatten deutsche Soldaten in dem Dorf 642 Menschen kaltblütig getötet, darunter 452 Frauen und Kinder. Nur der damals 18 Jahre alte Hébras, vier weitere Männer und eine Frau überlebten das Massaker. In Oradour sieht es fast noch so aus wie bei Kriegsende 1945. General Charles de Gaulle hatte verfügt, den Ort als Nationalmonument zu bewahren.

In einer Linie mit der Versöhnungsgeste von Verdun

Auf französischer Seite wird der Besuch Gaucks in Oradour in einer Linie gesehen mit der Versöhnungsgeste von Verdun, zu der sich 1984 der damalige Präsident François Mitterrand und Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl trafen.

Gauck war am Dienstag in Paris mit militärischen Ehren begrüßt worden. Im Elysee-Palast traf er Präsident Hollande. Ein zentrales Thema war die Lage in Syrien. Der Giftgasangriff sei ein "unerträglicher Tabubruch" betonte der deutsche Bundespräsident. Anders als Frankreich könne sich die Bundesregierung jedoch nicht an einem Militärschlag gegen Syrien beteiligen, auch "aus historischen Gründen".

Versöhnungsgeste in Oradour

Zum Abschluss seines Besuchs fliegt Gauck am Donnerstag nach Marseille, die europäische Kulturhauptstadt 2013. Gauck wird von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet. Dem dreitägigen Staatsbesuch wird große Bedeutung zugewiesen, zumal Deutschland und Frankreich in diesem Jahr das 50. Jubiläum des Élysée-Vertrages begehen. Mit diesem Vertrag hatten die beiden europäischen Länder, die sich in zwei Weltkriegen gegenüberstanden, 1963 ihre Freundschaft besiegelt.

haz/rb (dpa, afp, rtr)