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Überhöhter Gaspreis

2. August 2011

E.ON drohen wegen hoher russischer Gaspreise Verluste im Gasgeschäft. Um Kunden nicht zu verlieren, müsse sich Gazprom endlich dem freien Markt stellen, so Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

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Portrait von Claudia Kemfert (Foto: dpa)
Energieökonomin Claudia KemfertBild: picture alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Bei E.ON gibt es Überlegungen, mehrere Standorte in Deutschland zu schließen. Währenddessen wird ein Gaspreisstreit zwischen E.ON und Gazprom vor einem internationalen Schiedsgericht ausgetragen. Frau Kemfert, wie bewerten Sie die Sparzwänge bei E.ON und das Verhältnis des Energiekonzerns zum russischen Gaslieferanten?

Claudia Kemfert: E.ON muss natürlich Kosten sparen. Das ist eine Entwicklung, die sich abgezeichnet hat. Dass auch Standorte geschlossen werden, kommt eher überraschend. Aber E.ON leidet aufgrund der hohen Gaspreise, die es sehr schwer weiterleiten kann, aber auch aufgrund der Energiewende, weil Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Für Gazprom besteht keine unmittelbare Konsequenz, weil E.ON verpflichtet ist, die hohen Gaspreise weiterhin zu bezahlen. E.ON hat sich leider nicht durchgesetzt, dass Gazprom die Ölpreisbindung zumindest teilweise aufhebt. Deshalb kann E.ON im Gasgeschäft in die Verlustzone rutschen.

Welches Risiko besteht, wenn kein Kompromiss zwischen E.ON und Gazprom gelingt?

Ich hoffe, dass es Kompromisse geben wird. Das Risiko, das E.ON natürlich weiterhin hat, ist, dass die hohen Gaspreise einfach nicht die Marktentwicklung widerspiegeln und deshalb die Verluste für E.ON Ruhrgas sehr hoch sind. Da muss letztendlich auch die Politik interagieren und muss versuchen, dass man flexiblere Möglichkeiten findet, weil Gazprom selber scheinbar völlig uneinsichtig ist. Insofern müssen sich beide Seiten bewegen. Zur Not muss die Politik entsprechende Schritte unternehmen, um die Situation zu lösen.

Wäre es möglich, dass E.ON künftig einfach weniger Gas aus Russland bezieht?

Natürlich ist das möglich. Wir plädieren schon lange dafür, dass Deutschland und auch ein Konzern wie E.ON Ruhrgas sich flexibel aufstellen, sich nicht nur an einen Lieferanten binden, der zurzeit völlig überhöhte Preise verlangt. Es muss auch flexibel Gas nach Deutschland gebracht werden können. Das geht über Flüssiggas. Dazu braucht man ein Terminal. Es wäre natürlich gut, wenn Deutschland auch so ein Terminal hätte. Aber es hat es leider nicht, weil eine Pipeline gebaut wird. Das ist sehr schade, denn im Moment ist es billiger, sich mit Flüssiggas am Gasmarkt zu versorgen, als aus Russland Gas zu beziehen. Das liegt einzig und allein daran, dass Gazprom diese hohen Preise verlangt.

Wenn Gazprom die Preise senken würde, würde dann Russland als Verlierer dastehen?

Nein. Russland muss sich dem Wettbewerb stellen. Gazprom muss sehen, was auf dem internationalen Markt passiert. Da sind die Preise niedriger. Die Ölpreisbindung ist lange hinfällig. Man hätte sie schon längst aufheben sollen, dann würden sich faire Gaspreise entwickeln. Hier geht es nicht um Gewinner oder Verlierer, hier geht es um freien Markt. Dadurch, dass wir ein Überangebot auf dem internationalen Markt haben, muss sich auch ein russischer Konzern diesem internationalen Wettbewerbsdruck stellen. Das wäre eher ein Gewinn für diesen Konzern, auch wenn bei niedrigeren Gaspreisen die Einnahmen niedriger sind. Darum kann es aber nicht gehen, wenn man solch wertvolle Kunden wie beispielsweise E.ON verliert.

Das Interview führte Marina Borisowa
Redaktion: Markian Ostaptschuk