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Politik

Zurückhaltung trotz EU-Beitrittsperspektive

27. Juni 2018

Albanien und Mazedonien könnten bald in die EU eingemeindet werden. 2019 sind Beitrittsgespräche geplant. Das löst in den Westbalkan-Staaten nicht gerade Jubelstürme aus. Für die Opposition ist das Angebot vergiftet.

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Symbolbild Albanien & EU
Bild: picture-alliance/picturedesk.com/H. Ringhofer

Gejubelt hat nur einer. Albaniens sozialistischer Regierungschef Edi Rama nennt die Entscheidung "eine gewonnene Schlacht". Auf Facebook verkündete er fast hymnisch: "72 Stunden nach Gewittern innerhalb der EU hat es Albanien geschafft, ein Beitrittsdatum zum Einlaufen in den europäischen Hafen zu erhalten. Die Ergebnisse unserer Reformen zeigen, dass auch die Skeptiker die Erfolge Albaniens und Mazedoniens anerkennen. Eine weitere schwierige Schlacht ist gewonnen, der Kampf geht weiter!"

Am Dienstagabend hatten sich die Europaminister der EU in Luxemburg nach langen schwierigen Verhandlungen grundsätzlich auf den Start von Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkan-Staaten Albanien und Mazedonien geeinigt - beginnen sollen sie wegen massiver Widerstände aus Frankreich und den Niederlanden allerdings erst im Juni 2019. Das ist deutlich später als es sich die beiden Länder erhofft hatten.

Weniger euphorisch der Kommentar des albanischen Außenministers Ditmir Bushati: "Ein guter Tag für Albanien, Mazedonien und ganz Europa." Brav bedankte er sich für die Unterstützung bei den Mitgliedern der EU und der Europäischen Kommission.

Die Opposition schäumt

Ganz anders die Töne in den Oppositionsreihen. Die Verschiebung des Beginns der Aufnahmegespräche um ein Jahr sei eine Folge von "Verbrechen und Korruption, die unsere Zukunft als Geiseln halten", kritisierte Oppositionsführer Lulzim Basha. Den Aufschub der Beitrittsgespräche mit anschließender Überprüfung der von der EU gestellten Bedingungen in einem Jahr sollten der Ministerpräsident und sein Außenamtschef zum Anlass nehmen zurückzutreten, so Parteifreund Genc Pollo (Demokratische Partei).

Deutschland Edi Rama, Premierminister Albanien & Angela Merkel, Bundeskanzlerin
Edi Rama, Albaniens Regierungschef, am 25. April in Berlin bei Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: Reuters/F. Bensch

Eine Einladung an Edi Rama, zu kontern. Dies sei eine "vulgäre Anschuldigung gegen die Regierung" sie als Schuldigen für ein angebliches Scheitern in Europa verantwortlich zu machen. Die Reaktion der Opposition sei ein "endloser und brutaler Akt gegen die gemeinsamen Interessen Albaniens".

Viel gegeben, wenig bekommen?

Geradezu spiegelbildlich die politischen Reaktionen in Mazedonien. "Ein großer Tag für die Republik Mazedonien", schwärmte Ministerpräsident Zoran Zaev über die Entscheidung der Europaminister der EU-Mitgliedsstaaten gestern in Luxemburg. Dass die Aussicht auf Beitrittsgespräche auch etwas Verpflichtendes hat, darauf verwies Parlamentspräsident Talat Xhaferi. "Motivierend" sei das Votum, um zu schaffen, was zu erledigen ist.

"Es werden Schweiß und Tränen fließen", prophezeite Außenminister Nikola Dimitrov via Facebook, Enttäuschungen inbegriffen, "aber wir werden es schaffen."

Die Rolle des Euphorie-Bremsers übernahm auch in Skopje die Opposition. Ihr Wortführer Hristijan Mickoski sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Namensstreit-Einigung mit Nachbar Griechenland und der ungefähren Beitrittsperspektive. Er kreierte die Formel "viel gegeben, aber wenig bekommen". Dafür, dass Mazedonien gegenüber Griechenland im Namensstreit eine "Kapitulationserklärung" unterschrieben habe, sei dem Land gestern noch nicht einmal ein EU-Beitrittsdatum genannt worden. Gegen den Namensvertrag mit Athen will er gegen die Unterzeichner noch gerichtlich vorgehen.       

Mazedonien Griechenland Namensstreit beigelegt Zaev und Tsipras
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev besiegeln das Ende des Namensstreits Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Gebremstes Medienecho

Auch in den Medien beider Länder keine Spur von EU-Enthusiasmus. Als gesichtswahrend für Regierungschef Rama bewerten politische Beobachter in Tirana die zeitlich unkonkrete Beitrittsperspektive. Rama habe aus einem klaren "Nein" der EU ein "weiches Ja" ausgehandelt. Und schon jetzt warnen Kritiker der Europa-Begeisterung vor den Folgen, falls Albanien an den Brüsseler Kriterien scheitern sollte. Tenor: Was Rama geschafft hat, ist gut für Rama, aber wenig wert für Albaner.

In Mazedonien halten sich die Bewertungen zumindest in den sozialen Netzwerken die Waage. Glückwünsche schon jetzt für die baldige EU-Mitgliedschaft wechseln mit Verratsvorwürfen an die Regierung, die den Namen Mazedonien an die Griechen "verkauft" hätten, um Mitglied in der EU-Familie werden zu dürfen.

Experten sind sich nur in einem sicher. Der gestrige Tag in Luxemburg war ein politischer Thriller. Ab jetzt müsse Tempo rein in die Reformbemühungen. 

Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe