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Zeitenwende

Marc von Lüpke-Schwarz27. Dezember 2012

Silvester und Neujahr sind feste Größen im Kalender. Denn wie kaum ein anderes Ereignis verkörpern sie Ende und Anfang im Leben der Menschen. Und bieten die beste Gelegenheit zur Besinnung.

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Festliche Dekoration © SG- design #38529229 Autor SG- design Portfolio ansehen Bildnummer 38529229 Land Deutschland
Sylvester im BüroBild: Fotolia/SG- design

Silvester und Neujahr teilen sich ein schwerwiegendes theologisches Problem. Beide Tage haben in religiöser Hinsicht kaum einen christlichen Inhalt – ganz im Gegensatz zu den kirchlichen "Highlights" wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten. Dennoch regen diese beiden Ereignisse wie kaum ein anderer Feiertag die Menschen zur Besinnung und Reflexion an. Gottesdienste an Silvester füllen die Kirchen bis an die Kapazitätsgrenzen, und auch der Neujahrstag treibt die Menschen auf die Kirchenbänke – oder regt sie an anderen Orten zum Nachdenken an.

Es sind also weniger biblische Inhalte, die die Menschen an Silvester und Neujahr fesseln, als das Ereignis an sich: Das alte Jahr endet, ein neues Jahr beginnt. Das bringt viele Fragen mit sich: Was wird das neue Jahr bringen? Wird es besser, schlechter oder genauso wie das Vergangene sein? An Silvester und Neujahr steht also der Mensch an sich im Vordergrund. Es sind sein Erleben, seine Erfahrungen und vor allem seine Hoffnungen für die kommenden 365 Tage im Laufe seines Lebens, die das Wesen von Jahresende und Jahresanfang ausmachen. Einfach gesagt: Die Menschen sind auf der Suche nach einem Sinn des Lebens, erweisen Dank für das Geschehene und hegen Hoffnung für das Kommende.

Luthers Thesenanschlag / Gem.v.Pauwels Luther, Martin Reformator. 1483-1546. - 'Martin Luthers Thesenanschlag'. - (Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517). Gemaelde, 1872, von Ferdinand Pauwels (1830-1904). Oel auf Leinwand, 85 x 72 cm. Eisenach, Wartburg. E: Luther and Theses / Gem.v.Pauwels Luther, Martin Church reformer 1483-1546. - 'Martin Luther's 95 Theses'. - (Luther nails the 95 Theses to the door of Wittenberg Cathedral 31 Oct. 1517). Painting, 1872, by Ferdinand Pauwels (1830-1904). Oil on canvas, 85 x 72cm. Eisenach, Wartburg. F: Affichage des theses / Peinture, 1872, P Luther, Martin , reformateur religieux allemand , 1483-1546. - 'Affichage des 95 theses de LutherMartin'. - (Wittenberg, 31 octobre 1517). Peinture, 1872, de Ferdinand Pauwels ( 1830-1904). Huile sur toile, H. 0,85 , L. 0,72. Eisenach, Chateau de la Wartburg.
Martin Luther wollte den Neujahrstag als Christusfest gewürdigt wissen.Bild: picture-alliance/akg-images

Weltfriedenstag

Die Kirchen haben sich seit langem darum bemüht, dem Neujahrstag einen christlichen Sinn zu geben. Der protestantische Reformator Martin Luther wollte den Neujahrstag als Christusfest gewürdigt wissen: "Der Tag der Beschneidung und Namensgebung des Herrn". Durchschlagenden Erfolg konnte er damit allerdings kaum verbuchen. Andere Pfarrer sahen die Jahreswende wesentlich gelassener: Neujahrspredigten waren in der frühen Neuzeit bisweilen eine beliebte Angelegenheit. Zu diesem Zeitpunkt hielten die Pfarrer ihren Gläubigen besinnliche Predigten, die mitunter mit Humor nicht sparten.

Auch die katholische Kirche hatte ihre liebe Not damit, den 1. Januar christlich zu besetzen. Wie die Lutheraner sehen auch die Katholiken den Jahreswechsel als Zeitpunkt der Beschneidung und Namensgebung Christus' an. 1968 erklärte allerdings der Papst Paul VI. den 1. Januar zum "Weltfriedenstag". Damit war der Beginn des "zivilen" Kalenderjahres ausdrücklich mit einem bedeutenden Anspruch verbunden worden: der Hoffnung auf weltweiten Frieden im neuen Jahr ein Stück näher zu kommen. Bald darauf erfuhr der Neujahrstag aber erneut eine christliche Aufwertung: Paul VI. verlegte das Fest der "Gottesmutterschaft Marias" 1970 vom 11. Oktober auf den 1. Januar.

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Der Zeitpunkt der Jahreswende ist völlig willkürlich gewählt.Bild: Fotolia/Andre Bonn

Zwischen den Jahren

Die Probleme der beiden Kirchen, Silvester und Neujahr mit christlichen Inhalten zu füllen, kommen nicht von ungefähr, denn der Zeitpunkt der Jahreswende ist völlig willkürlich gewählt. Bis zum Jahr 1691 galt gar der 6. Januar in großen Teilen Europas als der eigentliche Neujahrstag. In diesem Jahr legte Papst Innozenz XII. den 1. Januar als ersten Tag eines neuen Jahres fest – und den 31. Dezember als letzten. Damit schaffte er die Zeit "zwischen den Jahren" im Prinzip ab. Denn zuvor galt der 25. Dezember als Ende des alten Jahres und der 6. Januar als Beginn des neuen. In diesem Zeitraum befand man sich gewissermaßen in der Schwebe, eben "zwischen den Jahren".

Für das Kirchenjahr galten und gelten sowieso ganz andere Regeln: Es beginnt im Protestantismus wie im Katholizismus mittlerweile am ersten Advent. Angesichts dieser Vieldeutigkeit nimmt es kaum Wunder, dass der evangelische Theologe Julius Smend im vergangenen Jahrhundert feststellte: "Es ist unwiderruflich, daß Anfang und Ende des bürgerlichen Jahres auch auf die Kirchengemeinde größeren Eindruck machen als die des Kirchenjahres." Zumal die Erfahrung eines Jahres mehr umfasst als das religiöse Erleben: Es gehören auch Arbeit, Familie und Freunde, Gesundheit, Erfolge und Misserfolge dazu. Somit bietet der Jahreswechsel eine gute Gelegenheit zur Besinnung und Besinnlichkeit – auch, aber nicht nur im religiösen Sinne.

Spaziergänger wandern am Montag (30.12.2002) in Hamburg durch die frisch verschneite Landschaft. Der Winter kehrt nach einer kurzen Unterbrechung in den Norden zurück. In der Nacht zu Dienstag bleibt es bei Tiefstwerten um minus vier Grad wolkig. Die Aussichten für Silvester und Neujahr: heiter bis wolkig und kalt. Fotograf: Ulrich Perrey dpa/lno
Der Neujahrstag treibt die Menschen zum Nachdenken an.Bild: picture-alliance/dpa