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Kommentar: Gefährliche Vorzugsbehandlung

Matthias von Hein27. Mai 2013

Der Besuch von Li Keqiang zeigt: China misst seinen Beziehungen zu Deutschland besondere Bedeutung bei, es gilt als Schlüssel für Europa. Berlin sollte sich aber nicht als Pekings Werkzeug in Brüssel einsetzen lassen.

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"Wenn man in Brüssel etwas erreichen will, muss man über Berlin gehen" - so hört man es von chinesischen Spitzenbeamten in Peking. Der Besuch Li Keqiangs in Berlin scheint dieser Logik zu folgen. Als einziges Land der EU besucht Chinas neuer Ministerpräsident auf seiner ersten Auslandsreise Deutschland. China betrachtet Deutschland als zentralen Ansprechpartner in Europa. In Berlin glaubt Peking seine Sorgen wegen protektionistischer Tendenzen gut aufgehoben. Schließlich hat Deutschland innerhalb der EU bei einem Handelsstreit mit China am meisten zu verlieren: China ist mittlerweile der drittgrößte Handelspartner Deutschlands.

Matthias von Hein, Leiter der DW-Chinaredaktion (Foto: DW)
Matthias von Hein, Leiter der DW-ChinaredaktionBild: DW

Die anhaltend hohe Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten in China hat beträchtlich dazu beigetragen, dass Deutschland bislang relativ glimpflich durch die Euro-Krise kam. Kein Wunder, dass Kanzlerin Angela Merkel sich angesichts des drohenden Handelsstreits zwischen der EU und China eindeutig gegen Strafzölle ausgesprochen hat. In Berlin glaubt Peking auch den wichtigsten Akteur in der Euro-Krise zu finden. Die macht auch China zu schaffen. Schließlich ist Europa Chinas wichtigster Handelspartner. Der Einbruch in der Nachfrage nach Produkten aus chinesischen Fabriken in den Krisenländern hat das Wirtschaftswachstum in China gebremst.

Kehrseite "besonderer Beziehungen"

Mehr als 60 verschiedene Arten von Regierungsdialogen werden zwischen China und Deutschland geführt. Beim Besuch des neuen Ministerpräsidenten Li Keqiang hat sich gezeigt, dass sich an der Qualität der bilateralen Beziehungen nichts ändern wird. Angesichts der Tiefe dieser Beziehungen wird gelegentlich bereits von "besonderen Beziehungen" gesprochen. So attraktiv - speziell für die deutsche Wirtschaft - solche "besonderen Beziehungen" sind: Sie sollten einer gemeinsamen europäischen Chinapolitik nicht im Wege stehen. Europa darf sich gerade in seinen Beziehungen zu einem mächtigen Partner wie China nicht länger auseinander dividieren lassen. Der wirtschaftliche Riese EU muss in politischer Hinsicht dem Zwergendasein entwachsen. Und solange eine gemeinsame Chinapolitik der EU wegen der Vielzahl der Interessen nicht zu verwirklichen ist, sollte Berlin sich wenigstens mit seinen wichtigsten europäischen Partnern eng darüber abstimmen, wie mit Peking umgegangen werden soll.

Nur so kann Europa auch seine Werte nach außen vertreten. Da gibt es jede Menge Widersprüche: In der Pressekonferenz mit Li Keqiang betonte Angela Merkel unter anderem, man wolle auch die Beziehungen im kulturellen Bereich weiter entwickeln. Es sei daran erinnert: Am 1. Juni eröffnet die Biennale in Venedig. Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat einen Beitrag für den deutschen Pavillon geliefert. Nach Venedig reisen darf Ai nicht.