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"Gefährliches Kriegsgeheul"

25. Mai 2010

Die wachsenden Spannungen zwischen Nord- und Südkorea nach dem Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffes im März ist an diesem Dienstag (25.05.) Thema auf den Kommentarseiten der deutschen Tageszeitungen.

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Titelseiten diverser Tageszeitungen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Ernste Krise"

"Das wird schwierig. Der südkoreanische Präsident verlangt von Nordkorea eine Entschuldigung für den Angriff auf ein südkoreanisches Kriegsschiff, der 46 Seeleute das Leben gekostet hat. Berechtigt ist die Forderung allemal. Aber Lee Myung-bak wird wissen, was er da vom Norden verlangt. Ein Regime, das seine Existenzberechtigung aus der gottgleichen Unfehlbarkeit seiner Führer zieht, kann nicht gut einen Fehler zugeben. Schon gar nicht kann es irgendwen öffentlich um Entschuldigung bitten. So etwas legt die Axt an die Wurzel des Staatssystems. Südkorea wird also nicht erwarten, dass seiner Forderung entsprochen wird. Trotzdem muss es sie erheben, denn es muss vor aller Welt klargestellt werden, wer die potentiell ernste Krise auf der Halbinsel verursacht hat. Die Sanktionen, die Südkorea nun verhängt, sind lästig für den Norden. Aber sie wahren auch die Verhältnismäßigkeit."

Süddeutsche Zeitung: "Gefährliches Kriegsgeheul"

"Wenn US-Außenministerin Clinton bei ihrem Chinabesuch, der südkoreanische Präsident Li in Seoul und US-Präsident Obama in Washington gleichzeitig zu schärferer Rhetorik gegenüber Pjöngjang greifen, so ist dies kontraproduktiv. Es gibt keinen Ort auf der Welt, der noch mehr mit Waffen vollgestopft wäre als die koreanische Halbinsel. Vorrangig muss es also darum gehen, Spannungen abzubauen. Es ist unmöglich, die Nordkoreaner gleichzeitig einen Preis zahlen zu lassen, wie es Südkorea fordert, und eine weitere Eskalation zu verhindern, wie es Clinton wünscht."

Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberg: "Großer Knall"

"Der Umgang mit Nordkorea ähnelt einem Ritt auf der Rasierklinge. Ein Einlenken oder gar eine Entschuldigung Pjöngjangs - wie von Südkorea gefordert - dürfte wohl niemand ernsthaft erwarten. Im besten Fall kann es durch Sanktionen und eine scharfe internationale Verurteilung des Torpedo-Angriffs auf das südkoreanische Kriegsschiff gelingen, das isolierte Regime von weiteren Erschütterungen des brüchigen Friedens abzuhalten. Doch ist gerade die latente Kriegsgefahr das Einzige, was die Stalinisten in Pjöngjang noch an der Macht hält - nach innen wie nach außen. Die Reaktionen auf die bewusste Provokation müssen daher sorgsam abgewogen werden. Das isolierte Land steht bereits am Abgrund. Stößt man es einen Schritt weiter, könnte das Terrorregime in einem Akt der Verzweiflung einen Krieg anzetteln, der die ganze koreanische Halbinsel verwüstet. Selbst wenn das Staatsgebilde einfach lautlos implodieren würde, wären die Folgen unabsehbar. Der dann einsetzende Flüchtlingsstrom würde nicht nur Südkorea sondern selbst China überfordern. Vor allem die Chinesen, die als letzte noch einen begrenzten Zugang zu Kim Jong Il haben, müssen ihren Einfluss daher nun nutzen, um eine Transformation in Nordkorea in Gang zu setzen. Denn nur wenn eine schrittweise Öffnung des Landes gelingt, kann der große Knall noch vermieden werden."

die tageszeitung, Berlin: "Die Ratio des ewigen Diktators"

"Die einen sind arm und schießen, die anderen sind reich und reden. So sieht das asymmetrische Verhältnis der koreanischen Teilstaaten heute aus. Auch im 21. Jahrhundert bedeutet die Versenkung einer Korvette eine klassische Kriegserklärung: Ohne Provokation feuerte ein U-Boot ein Torpedo auf die südkoreanische "Cheonan" ab, die auf ihrer Seite der Seegrenze patrouillierte. Experten haben Nordkoreas Urheberschaft für den Tod von 46 Soldaten eindeutig festgestellt. Dennoch hat Südkorea jede militärische Antwort vermieden und sehr kontrolliert reagiert: Über zwei Monate nach dem Zwischenfall stellt Seoul nur den ohnehin bescheidenen innerkoreanischen Handel ein und plant ein Seemanöver mit den USA sowie Propaganda-Durchsagen an der Grenze. Der Süden will zwar vor dem UN-Sicherheitsrat schärfere Sanktionen gegen Pjöngjang verlangen, doch wird das wenig bringen. Schon die bestehenden UN-Handelsbeschränkungen sind die härtesten, die je gegen eine Nation verhängt wurden. Ein Land, das sich freiwillig abschottet, ist eben nur schwer mit Isolation zu bestrafen."

Frankfurter Rundschau: "Koreanischer Machtkampf"

"Die Lage auf der koreanischen Halbinsel spitzt sich weiter zu. Als Rache für den Abschuss der Korvette Cheonan durch Nordkorea will Südkorea nun Handel und andere Kooperationen einstellen und mit den USA Truppenübungen abhalten. Die Strafe ist vor allem symbolischer Art: Die beiden Koreas tauschen ohnehin nicht viele Waren aus (das einzige größere Kooperationsprojekt, die Industriezone Kaesong, ist von den Sanktionen ausgenommen), und dass Nordkoreas Armee im Kriegsfall chancenlos wäre, ist auch ohne Manöver unumstritten. Die Reaktionen zeigen, wie gering Südkoreas Handlungsspielraum ist. Allerdings kann sich auch Pjöngjang nicht leisten, seine Provokationen unbeschränkt fortzusetzen. Das Regime ist auf ein Mindestmaß an internationalem Austausch angewiesen, um Devisen zu erwirtschaften und Nordkoreas Eliten bei der Stange zu halten. 2009 ist Nordkoreas Außenhandel um zehn Prozent geschrumpft, und man darf annehmen, dass der Druck auf Diktator Kim Jong Il im Gegenzug um zehn Prozent gestiegen ist. Irgendwann muss auch er an seine Grenzen stoßen."

Autorin: Esther Broders
Redaktion: Miriam Klaussner