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Politik

Gefeiert und geehrt: Merkel in Harvard

Alexandra von Nahmen z. Zt. Cambridge
31. Mai 2019

An der US-Eliteuniversität bekommt die Bundeskanzlerin viel Applaus und Zuspruch. In ihrer Rede beschwört sie die internationale Zusammenarbeit und kritisiert den US-Präsidenten, ohne ihn beim Namen zu nennen.

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USA Harvard Universität - Angela Merkel
Bild: Reuters/B. Snyder

Kaum hat sie die ersten Sätze gesprochen, ertönt schon Applaus. Hier in Harvard ist Angela Merkel weit weg von innenpolitischen Problemen in Deutschland und den Turbulenzen in Europa. Viele Amerikaner sehen in ihr eine Garantin für Stabilität. Im akademischen Milieu der Harvard Universität, das eher als liberal gilt, wird die deutsche Bundeskanzlerin als eine Leitfigur der westlichen Werte gefeiert.

"Ich bin in Ostdeutschland aufgewachsen, in der DDR, dem damals unfreien Teil meines Heimatlandes, in einer Diktatur", sagt Merkel zum Auftakt ihrer Rede, wohl wissend, dass es ihre Biographie ist, die viele hier beeindruckt. Sie erzählt von ihrem Alltag in der DDR, von der Berliner Mauer, die ihre Möglichkeiten begrenzt hatte, und von dem Mauerfall, der alles veränderte. "Was festgefügt und unveränderlich scheint, das kann sich ändern", sagt Merkel unter dem Jubel der 20.000 Absolventen, Angehörigen und Professoren der Eliteuniversität in Cambridge. "Jede Veränderungen fängt im Kopf an."

"Nicht die typische Hollywood-Prominenz"

Unter den Zuhörenden ist Sarbah MacLean, ein frisch gebackener Harvard-Absolvent, der aus Ghana stammt. "Das ist so eine wichtige Botschaft", sagt er begeistert, "dass Mauern niedergerissen werden können! So wichtig!" Merkel sei ja nicht die typische Hollywood-Prominenz, fügt er hinzu, die man normalerweise zu solchen Anlässen einlädt. Aber ihre Rede sei großartig und dem Anlass angemessen.

Harvard, Sarbah MacLean aus Ghana
"Wichtige Botschaft": Harvard-Student Sarbah MacLean aus Ghana lobt Merkels RedeBild: DW/A. von Nahme

Angela Merkel gilt nicht als eine begnadete Rednerin, aber an der Harvard Universität scheint sie den richtigen Ton zu treffen. Sie spricht über die transatlantischen Beziehungen, die auf gemeinsamen Werten wie Demokratie und Menschenrechten basieren. Sie betont, wie wichtig diese Partnerschaft nach wie vor ist - eine Partnerschaft, die Europa mehr als 70 Jahre Frieden und Wohlstand bescherte.

"Mehr denn je müssen wir multilateral statt unilateral denken und handeln", sagt Merkel. Nur so sei man in der Lage, Krisen zu bewältigen und Probleme zu lösen, vor denen die Welt heute steht. Gehandelt werden müsse global statt national, weltoffen statt isolationistisch, "gemeinsam statt allein".

Eine Botschaft an Donald Trump

Protektionismus und Handelskonflikte gefährdeten den freien Welthandel und damit die Grundlage des Wohlstands, warnt Merkel. Sie erwähnt US-Präsident Donald Trump nicht, doch alle scheinen zu wissen, wen sie meint. Besonders, als sie an ihr Publikum appelliert, wahrhaftig zu sein. "Dazu gehört, dass wir Lügen nicht Wahrheit nennen und Wahrheit nicht Lügen." Als sie diesen Satz beendet, stehen viele Zuhörer auf, um zu applaudieren.

Nikhil Kumar hält den Teil der Rede für besonders wichtig. Merkel sei es gelungen, die Absolventen zu inspirieren und zugleich eine politische Botschaft an den US-Präsidenten zu senden, sagt der Amerikaner, der an der Harvard Kennedy School studiert. Er ist froh, dass Merkel in ihrer Rede den ehemaligen US-Außenminister George C. Marshall erwähnt, der just an dieser Stelle vor 72 Jahren die Geburt des Marshall-Plans verkündete. "Das war klar an Trump gerichtet. Merkel hat bewusst betont, wie essentiell die transatlantischen Beziehungen sind."

Ein Versprechen in Sachen Klimawandel

Auch den Klimawandel spricht Merkel an. In Cambridge verspricht sie, sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass Deutschland 2050 das Ziel der Klimaneutralität erreichen werde. "Veränderungen zum Guten sind möglich, wenn wir sie gemeinsam angehen. In Alleingängen wird das nicht gelingen."

Harvard, Marina Muller
Zustimmung für Merkels Mahnungen auch bei Harvard-Absolventin Martina MüllerBild: DW/A. von Nahme

Martina Müller, eine Deutsch-Brasilianerin, die als Umweltanwältin in Harvard gerade ihren Abschluss in Public Policy gemacht hat, applaudiert ganz besonders in diesem Moment. Sie hält zudem Merkels Mahnung für wichtig, nichts als gegeben zu nehmen. Weder die Demokratie noch den Frieden.

Nichts ist selbstverständlich, aber alles möglich

Nichts sei selbstverständlich, warnt die Bundeskanzlerin. "Aber wenn wir die Mauern, die uns einengen, einreißen, wenn wir ins Offene gehen und Neuanfänge wagen, dann ist alles möglich." Und sie führt den Gedanken weiter: "Mauern können einstürzen", Diktaturen verschwinden, die Erderwärmung könnte gestoppt, der Hunger besiegt und Krankheiten könnten ausgerottet werden. Fragen wir nicht zuerst, was nicht geht, sondern was möglich ist."

Sarbah MacLean will diesen Rat beherzigen. Vor allem im Blick auf seine Heimat Afrika gebe es so vieles, was man anpacken müsse: Gewalt, Migration, Klimawandel. "Wir müssen mit Mut und Entschlossenheit vorgehen. Das ist jetzt die Aufgabe unserer Generation."

von Nahmen Alexandra Kommentarbild App
Alexandra von Nahmen Chefin des DW-Büros Brüssel, mit Fokus auf transatlantische Beziehungen, Sicherheitspolitik und NATO