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Geschichtsforschung

3. August 2007

Russland und Polen haben am Donnerstag historische Dokumente veröffentlicht, die ein ganz neues Licht auf den Verlauf des gescheiterten Warschauer Aufstandes gegen die NS-Besatzer von 1944 werfen.

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Gedenken an den Warschauer Aufstand
Gedenken an den Warschauer AufstandBild: AP

Die zuvor teilweise geheimen Dokumente zeigten, dass die gegen die deutschen Besatzer ankämpfende polnische "Armee im Lande" (AK) von NS-Informanten unterwandert gewesen sei, sagte Marcin Majewski, einer der Herausgeber der Quellensammlung. Als der Aufstand begonnen habe, habe den Deutschen ihr Detailwissen über die Widerstandsbewegung ein zielgenaues Bombardement ermöglicht, "das enorme Verluste verursachte".

Mit erhobenen Händen werden im Mai 1943 jüdische Frauen, Männer und Kinder von deutschen SS-Soldaten aus dem brennenden Ghetto der polnischen Hauptstadt Warschau getrieben (Quelle: dpa)
Auch der Aufstand im Warschauer Ghetto wurde nieder geschlagenBild: dpa

Auch über die Rolle der gefürchteten RONA-Division der Waffen-SS förderten die Dokumente den Historikern zufolge neue Ergebnisse zutage. Die Brigade habe bei der brutalen Unterdrückung und Ermordung von Zivilisten und Widerstandskämpfern eine weniger große Bedeutung gehabt als bislang vermutet, sagte Majewski: "Die Nazis haben versucht, die Rolle der RONA zu übertreiben und einen Teil ihrer Schuld auf sie abzuwälzen."

Ambivalente Ziele

Polen gedachte am Mittwoch dem 63. Jahrestag des Beginn des Aufstands am 1. August 1944. Damals waren fast 18.000 polnische Widerstandskämpfer und 20.000 deutsche Kämpfer getötet worden. Rund 180.000 Zivilisten starben bei Massakern der NS-Besatzer oder im Kugelhagel der Gefechte. Nach dem Scheitern des Aufstandes nach zwei Monaten wurden die noch in Warschau verbliebenen Zivilisten vertrieben und die Stadt von den Deutschen systematisch dem Erdboden gleichgemacht. Militärisch richtete sich der Aufstand zwar gegen die Deutschen, das politische Ziel der nicht-kommunistischen Untergrundkämpfer war jedoch zugleich die Befreiung der Stadt vor dem drohenden Einmarsch der sowjetischen Truppen.

Ausstellung zum Warschauer Aufstand (Quelle: DW)
Gedenken an die Niederschlagung

Der 1400 Seiten starke Dokumentenband wurde zusammen mit dem russischen Geheimdienst FSB und dem polnischen Innenministerium herausgegeben. Enthalten sind auch zahlreiche bislang in Warschau und Moskau unter Verschluss gehaltene Papiere. Die umstrittene Rolle der Sowjetunion wird in dem Werk allerdings nicht kritisch beleuchtet. Zwar entsandte die Rote Armee Einheiten, um die AK beim Warschauer Aufstands zu unterstützen - die Mehrzahl der sowjetischen Soldaten beobachtete das Geschehen jedoch aus nahem, aber sicherem Abstand. Kritiker werfen Moskau vor, es habe es den Nazis überlassen, jeden Widerstand vor dem Einmarsch der Kommunisten in Warschau zu brechen. Andere Historiker halten dagegen, die sowjetischen Truppen hätten sich noch von einer Offensive erholen müssen.

Gedenkfeiern in Polen


Der Warschauer Aufstand, gut ein Jahr nach dem ebenfalls niedergeschlagenen Aufstand im Warschauer Ghetto, war eines der wichtigsten Weltkriegsereignisse in Polen. Er ist bis heute zwischen Polen und Russen politisch umstritten. Denn die Erhebung der Aufständischen war zwar direkt gegen die Nazis gerichtet; indirekt aber auch gegen die Sowjetunion, deren Rote Armee damals vor den Toren der Stadt stand. Sie griff nicht in die Kämpfe ein. "Der Aufstand war erforderlich, weil wir nicht von den Russen regiert werden wollten", sagte das damals 18-jährige AK-Mitglied Maria Jagowd-Wolska am Rande der Gedenkfeiern. Auch der Vater der Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski, die Polen als Regierungschef und Präsident führen, gehörte zu den Widerstandskämpfern.

Die Aufständischen mussten sich am 2. Oktober 1944 geschlagen geben. Die deutschen Truppen machten Warschau anschließend weitgehend dem Erdboden gleich. Etwa 500.000 obdachlos gewordene Bürger mussten fliehen. Die etwa 15.000 überlebenden Aufständischen ergaben sich, nachdem ihnen die Nazis den Status von Kriegsgefangenen zugesichert hatten. Sowjettruppen rückten erst am 17. Januar 1945 nach Warschau ein. (ina)