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Geheime Verwandte

Sebastian Schlegel16. August 2007

Spätestens seitdem die US-Raumfähre Columbia auf dem Weg zur Erde verglühte und die Menschen an Bord starben, gelten Weltraumreisen wieder als Abenteuer. Das zeigt auch ein Besuch in einem US-Raumfahrt-Museum.

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Fernschreiber Washington
Bild: DW

Endeavour – so heißt der Spaceshuttle, der gerade um die Erde kreist. Der Name kam zustande im Rahmen eines Schülerwettbewerbs in den USA. Nun zahlt die NASA den Schülern ihre Mühen zurück: die Weltraumbehörde hatte vor einer Woche die Lehrerin Barbara Morgan ins All geschossen, die dann am folgenden Dienstag in einer Fernsehübertragung das Phänomen der Schwerelosigkeit erklärte – direkt vom Ort des Geschehens in die Klassenzimmer. Wie die Sendung mit der Maus, nur etwas teurer. Ich möchte auch lernen und begebe mich deshalb in die Außenstelle des National Air and Space Museums in Washington.

In der Nähe des International Airport in Dulles erstreckt sich das Ausstellungsgelände über zwei riesige Hangars. Ein Teil davon wird der Raumfahrt gewidmet und die Hauptattraktion bildet der Spaceshuttle Enterprise. Mein auserkorenes Klassenzimmer.

Gefährliches Schutzschild

Eines der schwierigsten Manöver der Raumfahrt stellt die Landung dar. Ein Objekt, das sich um die Erde dreht, erreicht eine Geschwindigkeit von mehr als 32.000 km/h. Um sicher den Boden zu erreichen, muss die Geschwindigkeit enorm verringert werden. Glücklicherweise existiert eine natürliche Bremse – die Atmosphäre. Alles, was in dieses Luftpolster eindringt wird verlangsamt. Die dabei wirkende Reibungskraft verwandelt sich in Hitze. Was gegenüber unerwünschten Besuchern aus dem All, wie Meteoriten oder herab fallenden Satelliten, als Schutzschild fungiert, wird für den Spaceshuttle zum Problem. Man braucht eine dicke Isolierung, um den Eintritt in die Erdatmosphäre zu erzwingen. Das NASA-Gefährt schützt sich mit Hitze abweisenden Kacheln an der Unterseite – 24 000 an der Zahl. Ich möchte diese Fliesen sehen, sie berühren und ihren Klang hören, wenn ich dagegen klopfe!

Die Dicke des Isolationsschaums anhand der geöffneten Fahrwerkluke ist hier zu sehen. Foto: Sebastian Schlegel
Die Dicke des Isolationsschaums anhand der geöffneten Fahrwerkluke ist hier zu sehenBild: Sebastian Schlegel

Beim Start der Endeavour mitsamt Barbara Morgan beschädigte losgelöstes Isolationsmaterial der Trägerrakete den Hitzeschild des Shuttles. Ein Loch von der Größe eines Apfels prangt nun am „Unterboden“ des Weltallgefährts. Ähnliche Risse im Flügelbereich führten zum Verglühen des Spaceshuttles Columbia im Jahr 2003 auf dem Rückweg gen Erde.

Nun stehe ich vor der riesigen Enterprise. Sie wirkt noch gigantischer und majestätischer als auf Bildern. Doch dann die Enttäuschung: das Hinweisschild verrät mir, dass dieser Shuttle keinerlei Weltallerfahrung aufweist. Die Enterprise wurde in den 1970er Jahren als Testobjekt eingesetzt und die Hauptaufgabe bestand darin, den Landeanflug zu erproben. Dafür beförderte eine Boing 747 den Shuttle in die Höhe, koppelte ihn ab und dann musste das neue Flugobjekt seine Tauglichkeit unter Beweis stellen. Deshalb, so berichtet das Schild, wurde die Raumfähre auch nicht für den Gebrauch im Weltraum ausgestattet, was so viel bedeutet wie: keine Kacheln. Nur an einer Stelle installierte man ein paar Fliesen als Demonstrationszweck.

Und was ist mit der Fliese?

Trotzdem lohnt sich der Anblick! Eine dickwandige Isolierung von bis zu zehn Zentimetern umhüllt das Gefährt. Deutlich erkennt man tausende von Einzelelementen, die normalerweise den Sockel für den Hitzeschild bilden. Und direkt neben dem Shuttle, in einer Vitrine, entdecke ich schlussendlich doch noch eine Originalkachel von der Columbia (vor ihrer Zerstörung). Der Besucher darf das Ausstellungsstück leider nicht berühren, doch die Beschreibung verrät, dass es sich tatsächlich einfach nur um verstärkte Keramikfliesen handelt. Zukünftig betrachte ich meinen Kachelofen zuhause mit anderen Augen – vielleicht klopfe ich auch einmal dagegen.

Und wie repariert man nun eine gesprungene Fliese im All? Darauf habe ich durch meinen Besuch der Enterprise keine Antwort erhalten. Trotzdem, liebe Barbara, Sie haben auch mich zum Lernen angeregt! Mögen Sie heil wieder zurückkommen.