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Verhüllen verboten

9. Oktober 2009

Ein ranghoher ägyptischer Geistlicher hat den Gesichtsschleier an seiner Universität verboten. Nicht nur Konservative sind empört, auch Menschenrechtler kritisieren die Entscheidung: sie vermuten politische Hintergründe.

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Vollverschleierte Frauen in Ägypten (Foto: AP)
Nicht mehr überall in Ägypten erlaubt: VollverschleierungBild: AP

Der Vorsitzende des renommierten Al-Azhar Islam-Instituts in Kairo, Großscheich Mohammed Said Tantawi, hat das Tragen von Gesichtsschleiern an der renommierten Al-Aschar-Universität verboten, denn "das Gesicht einer Frau ist keine Schande", sagte er am Donnerstag (08.10.2009) in Kairo.

Bereits im Vorfeld hatte er damit heftige Debatten ausgelöst. So hatte etwa der saudische Scheich Mohammed al-Nodschaimi, ein Gelehrter des Institut für islamische Rechtswissenschaft in Dschidda, davor gewarnt, dass eine solche Entscheidung die ägyptische Gesellschaft in zwei Lager spalten werde. Der Gesichtsschleier (arabisch: "Nikab") sei zudem in den Überlieferungen des Propheten erwähnt, fügte er hinzu: "Dort heißt es, dass die muslimische Frau den Gesichtsschleier nur während der Zeit der Wallfahrt nach Mekka nicht tragen solle, und das beweist doch, dass sie ihn außerhalb dieser Zeit getragen hat." Und ein Vertreter der ägyptischen Muslimbruderschaft ätzte: "Weiß seine Exzellenz denn nicht, dass er, wenn er ein religiöses Institut besucht, dort viele Mädchen mit Gesichtsschleiern vorfinden wird? Wenn er ein Institut besuchen will, in dem es keine Verschleierten gibt, dann soll er doch ein Institut für Bauchtanz besuchen!"

Islamisch oder nicht?

Suad Salih, Professorin für islamisches Recht an der Kairoer Universität, die dem Al-Azhar-Institut zugehörig ist, verteidigt hingegen das Verbot: Durch den Gesichtsschleier entstünden Sicherheitsbedenken und soziale Probleme, daher hätten die Verantwortlichen an der Universität das Recht, ihn zu verbieten, "weil er mit dem Islam nichts zu tun hat", fügt sie hinzu.

Darauf hatte auch Scheich Tantawi am vergangenen Wochenende hingewiesen, als er an der Universität ein Mädchen dazu aufgefordert hatte, seinen Gesichtsschleier abzulegen. Das Tragen des Nikab sei eine vorislamische Tradition und habe nichts mit dem Islam zu tun, hatte er ihr erklärt. Zudem isoliere er die Schülerinnen und Studentinnen von ihrer Außenwelt, argumentiert Suad Salih. Und weil die Identität der Person, die ihr Gesicht verhülle, nicht mehr erkennbar und überprüfbar sei, stelle dies auch ein Sicherheitsrisiko dar.

"Diejenigen, die einen Gesichtsschleier tragen, denken, dass sie sich nach dem islamischen Gesetz kleiden, schlimmer noch, sie propagieren dadurch auch, dass die anderen, die ihre Gesichter zeigen, Sünde begehen und demnach bestraft werden sollten. Ich halte es für äußerst gefährlich, wenn dadurch die Mehrheit der muslimischen Frauen als unanständig und ungläubig abgestempelt wird", empört sich die Professorin.

Frau mit Gesichtsschleier in Amman (Foto: AP)
Wer steckt dahinter? - Der Gesichtsschleier sei auch ein Sicherheitsrisiko, glaubt Suad Salih, Professorin für islamisches Recht an der Kairoer Universität.Bild: AP

Konservative auf dem Vormarsch

Die Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung gehört dem sunnitischen Islam an und die Mehrheit der Ägypterinnen trägt Kopftuch. Doch immer häufiger sind in Ägyptens Straßen auch Frauen mit Ganzkörperverhüllung zu sehen, ein sichtbares Merkmal einer streng-konservativer Auslegung des Islams, erklärt Suad.

Für sie ist das Fernsehen Schuld an der schleichenden Radikalisierung der ägyptischen Gesellschaft, die Zahl der religiösen Sender, die ihre Programme via Satellit ausstrahlen, wächst ständig: Darin werde die streng konservative, wahabitische Auslegung des Korans propagiert, sagt sie: "Sie verbreiten fälschlicherweise, dass das Tragen des Gesichtsschleiers eine islamische Pflicht sei." Viele Sender werden mit saudischen Geldern finanziert, wie zum Beispiel "Iqra" ("Lies!"), "Al-Rissala" ("Die Botschaft") oder die "Qanat Al-Nass" ("Der Sender für die Menschen"). In den Sendungen sprechen islamische Rechtsgelehrte über den Islam und den Koran, es werden Fragen beantwortet und Fatwas – so genannte islamische Rechtsgutachten - erlassen.

Kritik von Menschenrechtlern

Doch Kritik an dem Verbot des Gesichtsschleiers kommt auch von anderer Seite: es verstoße gegen das Recht der Frauen auf freie Kleidungswahl, klagt Hussam Bahgat, Leiter der Menschenrechtsorganisation "Ägyptische Initiative für persönliche Freiheit". Zwar ist der Erlass rechtsgültiger Fatwas Sache des Großmuftis Ägyptens, also der höchsten religiösen Autorität in einem sunnitischen Land, doch das Wort des Großscheichs der Al-Azhar-Universität hat auch großes Gewicht. Daher kündigte die Organisation rechtliche Schritte gegen die Entscheidung an, denn, so Hussam Bahgat, man sehe darin ein diskriminierendes Verhalten, das gegen die geltenden Gesetze und die Verfassung verstoße. "Dabei sollten das Hochschulministerium und Universitäten doch eigentlich daran arbeiten, religiöse Mäßigung und Frauenrechte zu stärken", fordert er: "Das schließt auch das Recht der Frauen auf freie Kleidungswahl entsprechend ihren religiösen Überzeugungen mit ein."

Bahgat unterstützt nicht das Tragen des Gesichtsschleiers, sondern das Recht jedes Einzelnen auf persönliche Freiheit, den Kleidungsstil auszusuchen, der den religiösen Überzeugen zum Ausdruck bringt, auch wenn diese nicht auf die Zustimmung der religiösen und gesellschaftlichen Mehrheit stößt. Zwar ist er ebenfalls der Meinung, dass der Gesichtschleier keine islamische Pflicht sei, doch er ist sich sicher: Das Verbot hat eigentlich politische Gründe: "Durch diese Entscheidung will die Universitätsleitung bestimmte Leute, die sie für extremistisch hält, ausschließen."

Autorin: Chamselassil Ayari (dpa/ap)

Redaktion: Ina Rottscheidt