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Gekürztes Berlin

26. Dezember 2003

Für Berlin war 2003 das Jahr der Kürzungen. Wenn Politiker sparen und Bürger protestieren, dann wird sogar der Weihnachtsbaum gekürzt, berichtet Berlin-Korrespondent Bernd Gräßler.

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85 Prozent der Berliner gaben vor Weihnachten an, weniger Geschenke einkaufen zu wollen als in den Vorjahren. Am Essen und Trinken wollten immerhin 35 Prozent sparen. Nach der Einigung von Regierung und Opposition über Steuersenkungen habe es noch einmal einen Ansturm auf die Geschäfte gegeben, berichten die Händler. Aber ein Minus bleibe ihnen auf jeden Fall.

Gekürzt hat auch der hochverschuldete Berliner Senat an allen Ecken und Enden, vom Blindengeld über die Gehälter der Beamten bis zur Subvention für die drei Berliner Opernhäuser. Alle Betroffenen haben irgendwie dagegen protestiert, niemand allerdings so eindrucksvoll wie die Studenten. Sie zogen aus Protest splitternackt durchs winterliche Berlin, sprangen in die eiskalte Spree, hielten ihre Vorlesungen in der S-Bahn oder auf offener Straße ab und besetzten nacheinander so ziemlich alle Parteizentralen.

Die Hochschüler baten symbolisch um Bildungsasyl im nahen Polen, veranstalteten in der "Volksbühne" einen Liederabend mit "Rache-Arien" - Titel "Spiel mir das Lied vom Tod" - und zogen immer wieder mit Protestrufen und Transparenten durch die Innenstadt. Wo Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit auftauchte, sah er sich pfeifenden und buhenden Hochschülern gegenüber, auch beim Empfang seines Gastes Prinz Albert von Monaco, dem Wowereit höflich erklären musste, die Pfiffe gälten nur ihm selbst.

Kürzungen prägen auch das äußere Erscheinungsbild der Stadt über die Feiertage. Die beiden großen Weihnachtsbäume, an der Gedächtniskirche und vor dem Roten Rathaus , wurden in der Dunkelheit ihrer Spitzen beraubt. Ersterer durch einen offenbar Verwirrten, letzterer durch eine studentische Kommandoaktion. Wegen ihrer Einschnitte im Bildungs- und Sozialwesen hätten die Regierenden einen ebensolchen verdient, verkündeten die Studenten im Internet. Das abgeknickte Grün fand prompte Wiederverwendung. Polizisten nahmen die Tannenzweige für ihre Weihnachtsfeier mit. Es sei in diesem Jahr kein Geld für Dekoration da gewesen, hieß es zur Entschuldigung.