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Gelassenheit am Flughafen

25. November 2010

Seit Wochen schlagen die US-Medien Alarm: Die Amerikaner würden den Aufstand proben angesichts von Nacktscannern und intimen Körperkontrollen bei Flugpassagieren. Doch die sind offenbar leidensfähiger als gedacht.

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Symbolbild fernschreiber Washington (Foto: DW)
Bild: DW

Thanksgiving ist in den USA das Fest der Familie. Und in einem Land, wo keiner wirklich sesshaft ist und das drei Zeitzonen umfasst, bedeutet das: Es ist das Fest des Reisens. Der Tag vor Thanksgiving ist traditionsgemäß der Tag mit dem höchsten Verkehrsaufkommen. Wer kann, fährt mit dem Auto. Für alle anderen heißt es: auf zum Flughafen, Truthahn und Apfelkuchen im Handgepäck.

In diesem Jahr sollte es an diesem Tag für alle Flugreisenden ganz besonders nervig werden. Das heißt, eigentlich sollten sie es sich und ihren Mitleidenden selbst besonders schwer machen. Besorgte Bürger hatten den Tag vor Thanksgiving zum "Opt Out Day" ausgerufen. Es sollte ein Tag des Widerstandes gegen die rigorosen Kontrollen werden, die seit kurzem auf vielen amerikanischen Flughäfen gelten.

Gefahr in der Unterhose

Christina Bergmann (Foto: DW)
Christina Bergmann

Denn seit Umar Farouk Abdulmutallab am letzten Weihnachtsfest versuchte, ein Flugzeug mit Sprengstoff in die Luft zu jagen, den er in seiner Unterhose geschmuggelt hatte, sannen die Sicherheitsbehörden darüber nach, wie sie potentiellen weiteren Unterhosenbombern rechtzeitig auf die Schliche kommen können. Ihre Lösung: Nacktscanner. Sie sind mittlerweile in knapp 70 amerikanischen Flughäfen im Einsatz. Und sorgen für Aufregung. Dabei geht es nicht nur um die Strahlung, die bei der Durchleuchtung auf den Körper trifft.

Etwas anderes macht den Amerikanern Kopfzerbrechen: Die Bilder, auf denen mehr zu sehen ist, als besonders den prüden Amerikanern lieb ist. Die TSA, die amerikanische Behörde für Transportsicherheit, versichert, dass die Nacktbilder ihren Besitzern nicht direkt zugeordnet und sofort nach dem Betrachten gelöscht werden. Dennoch kursieren im Internet Geschichten wie die, dass Flughafenbedienstete in London Nacktfotos des indischen Filmstars Shahrukh Khan ausdruckten und verteilten. Auch in den USA sollen gespeicherte Fotos aus einem Gerichtsgebäude aufgetaucht sein. Offensichtlich können die Maschinen die Bilder also doch speichern, selbst wenn die TSA versichert, dass dieser Modus ausgeschaltet sei. Alternative wäre also, auf den Scanner zu verzichten und sich stattdessen eine Leibesvisitation zu unterziehen.

"Hände weg von meinen Kronjuwelen"

Diese Körperkontrollen aber sorgen für einen noch größeren Aufschrei. Denn vorbei die Zeit, in denen der Sicherheitsbeamte zaghaft auf die Schulter klopfte und verschämt über die Bluse strich. In vielen Videos und Bildern der TSA und im Fernsehen ist in den letzten Tagen zu sehen, dass die Angestellten jetzt zur Sache gehen: Mit behandschuhtem, aber festem Griff wird der Busen umrundet und die Innenseite der Schenkel abgefühlt, bei Männern wie Frauen gleichermaßen.

John Tyner wurde erst zum Internet- und dann zum Medienstar, weil er den Dialog bei einer solchen Untersuchung auf dem Flughafen von San Diego mit seinem Handy aufzeichnete und dann ins Internet stellte. Er hatte dem Beamten erklärt: "Wenn Sie meine Kronjuwelen berühren, lasse ich Sie festnehmen." Nur bei Kindern unter zwölf sei man etwas entspannter, heißt es von offizieller Seite. Doch auch hier gibt es Videos, die Kids mit nacktem Oberkörper zeigen, wie sie von Beamten betastet werden.

Entspannte Lage an den Flughäfen

Seitdem berichten Journalisten und diskutieren Blogger, Experten und Kommentatoren, ob die Untersuchungen – sowohl die Nacktscanner als auch die intime Fummelei durch die TSA-Beamten - nun zu weit gehen und in die Persönlichkeitsrechte eingreifen oder um der Sicherheit Willen geduldet werden müssen. Die Meinungen sind geteilt.

An diesem Mittwoch (25.11.2010) zeigte sich aber, dass die Diskussion offenbar durch die Medien künstlich aufgeputscht worden war. Das gefürchtete Chaos blieb aus. Der Fernsehsender CNN, der extra einen Reporter als "Versuchskaninchen" auf Reisen geschickt hatte, vermeldete: Alles blieb ruhig. Offensichtlich hatten die wenigsten Passagiere Lust, die Nacktscanner zu verweigern, wie es der "Opt Out"-Plan vorsah, und dadurch die persönliche – und länger dauernde – Kontrolle durch die TSA-Beamten zu erzwingen.

Die Organisatoren der Aktion erklären den Tag trotzdem zum Erfolg. Sie hätten vor allem die Diskussion anstoßen wollen, schreiben sie auf ihrer Webseite. Und das ist ihnen zweifelsfrei gelungen.

Auch viele Comedy-Shows haben das Thema mit Begeisterung entdeckt und machen sich lustig über die neuen Untersuchungsmethoden. Frei nach dem Motto: Sind Sie einsam und wollen Sie an den Feiertagen ein bisschen Spaß haben? Dann schauen Sie doch an einem Flughafen Ihrer Wahl bei einem TSA-Agenten vorbei. Happy Thanksgiving!

Autorin: Christina Bergmann

Redaktion: Sabine Faber