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(hier wie immer nichts)

20. August 2010

1,7 Millionen Kinder in Deutschland haben langzeitarbeitslose Eltern. Laut Bundesverfassungsgericht muss der Staat dafür sorgen, dass diese Kinder trotzdem gut leben können und optimal ausgebildet werden. Aber wie?

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Symbolbild Kinderarmut: Ein Junge sitzt neben einem Müllhaufen auf einer Mauer. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben ganz andere Bedürfnisse als ihre Eltern. Kindliche Bedürfnisse können kostspielig sein, und das ist für langzeitarbeitslose Eltern in Deutschland ein Problem. Sie erhalten vom Staat 359 Euro pro Monat Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz-IV genannt. Für ihre Kinder gibt es je nach Alter 215 bis 287 Euro pro Monat. Das sei zu wenig, urteilte das Bundesverfassungsgericht im Februar dieses Jahres. Das höchste deutsche Gericht bestimmte außerdem, dass Heranwachsende ab dem 1. Januar 2011 einen Rechtsanspruch auf individuelle Bildungsförderung haben sollen.

Im Bundesarbeits- und Sozialministerium wird seit dem Karlsruher Urteil emsig gerechnet. Der Staat muss sparen. Schon allein deswegen hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen wenig Spielraum, um langzeitarbeitslosen Eltern finanziell stärker unter die Arme zu greifen.

Geld oder Sachleistung?

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen am 9. Februar 2010 im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach der Urteilsverkuendung zu den Hartz-IV-Regelsaetzen fuer Kinder. (Foto: apn)
Ursula von der LeyenBild: AP

Doch die Ministerin hat auch grundsätzliche Bedenken dagegen, die Regelsätze pauschal zu erhöhen. Sie würde es vorziehen, das Arbeitslosengeld II durch Sachleistungen für Kinder zu ergänzen. Wenn bedürftige Kinder einen rechtlichen Anspruch auf mehr Hilfe haben, "ist es dann klüger, ihnen über ihre Eltern einen reinen Geldbetrag auszuzahlen, oder ist es klüger zu organisieren, dass Nachhilfe möglich ist oder dass sie in einem Sportverein mitmachen können", fragt Ursula von der Leyen.

Geld oder Sachleistungen - diese Frage hat in Deutschland eine heftige Debatte ausgelöst. Für Ministerin von der Leyen ist die Sache klar. Nur über Sachleistungen könne sichergestellt werden, dass das Geld tatsächlich bei den Kindern ankomme. Am liebsten würde Ursula von der Leyen eine Chipkarte einführen, mit der bedürftige Eltern ihren Kindern einen Museumsbesuch oder den Unterricht in der Musikschule bezahlen könnten. Eine solche zweckgebundene Karte könnten außer Hartz-IV-Familien in einem zweiten Schritt auch Kinder aus einkommensschwachen Familien bekommen.

Szene aus dem Speisesaal der Grundschule am Hollerbusch in Berlin (Foto: dpa)
Mittagessen in der SchuleBild: dpa

Kritiker der Bildungs-Chipkarte sprechen von einer Entmündigung der betroffenen Eltern und auch von Diskriminierung, denn bei der Bezahlung mit der Karte würde sofort sichtbar, dass es sich bei ihrem Inhaber um einen Bedürftigen handele. Allerdings findet die grundsätzliche Idee, Sachleistungen anzubieten, bei Politikern von Bund, Ländern und Gemeinden immer mehr Zuspruch. Das wurde am Freitag (20.08.2010) bei einem Treffen in Berlin deutlich, an dem auch Bayerns Arbeits- und Sozialministerin Christine Haderthauer teilnahm. Sie hält von der Einführung einer Chipkarte gar nichts, kann sich aber gut vorstellen, das Schul-Mittagessen oder den unterstützenden Unterricht in der Schule zur Regelleistung für Kinder von Langzeitarbeitslosen zu machen. "Aber dann bitte nicht über einen Gutschein, sondern das Geld muss direkt in die unterstützenden Institutionen fließen und dem Kind muss die Teilnahme an der Leistung ermöglicht werden", sagt Haderthauer.

Bildungspaket und mehr?

Elfjährige Querflötistin beim Unterricht. (Foto: DW)
Musikunterricht für alleBild: DW/Johnson

Zum 1. Januar 2011 muss eine neue Regelung vorliegen. Geht es nach dem Willen des Bundesarbeits- und Sozialministeriums, dann wird es auf jeden Fall ein Bildungspaket geben, das aus vier Komponenten bestehen wird: Lernförderung in der Schule, dort auch Teilnahme am Mittagessen, freies Schulmaterial sowie die Möglichkeit, Sportvereine und Musikschulen zu besuchen. Ob die Regelsätze für Kinder darüber hinaus erhöht werden, das wird derzeit noch berechnet. Grundlage für die Hartz-Regelsätze ist die sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Sie basiert auf einer dreimonatigen Analyse der Ausgaben von 60.000 Haushalten. Anfang September sollen die Zahlen vorliegen. Am 20. Oktober will Ministerin von der Leyen dann ihren Gesetzentwurf im Bundeskabinett vorlegen.

Autorin: Sabine Kinkartz

Redaktion: Sandra Petersmann