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CSA für Deutschland

Miriam Klaussner22. Juni 2012

Viele Landwirte und Biokunden haben in den USA Wirtschaftsgemeinschaften gegründet. Der Vorteil: Der Bauer hat eine Abnahmegarantie, die Kunden Bioware. Jetzt kommt der Trend nach Deutschland.

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Kühe auf einem CSA-Hof (Foto: DW/Miriam Klaussner)
Kühe auf einem CSA-HofBild: Miriam Klaussner

"Weiß jemand, was man mit Hirschhornwegerich macht?" Heidi nimmt ein grasgrünes Kräuterbündel aus einer Kiste ganz oben im Regal, riecht daran, und blickt erwartungsvoll in die Runde. Die junge Mutter, die sich gerade einen Schafsjoghurt aus der Kühltruhe fischt, zuckt lachend mit den Schultern. Der Herr mit den Lackschuhen weiß auch nicht weiter. "Ja, hier gibt's eben auch ausgefallene Sachen", meint dann Susanna Lindeke grinsend. Die Landwirtin des Entrup-Biobauernhofs kommt gerade in den kleinen Gemüseraum gestürmt und hat die Diskussion ihrer Kunden mitbekommen. Sie wirft ihren roten Batikschal nach hinten und meint verschmitzt: "Hirschhornwegerich isst man wie Salat, es hat viel Vitamin C."

24 CSA-Höfe in Deutschland – Tendenz steigend

Die Bäuerin möchte eigentlich nur schnell die Salat-Kisten nachfüllen, doch dazu kommt sie nicht, immer wieder wird sie mit Fragen gelöchert. Man kennt sich, duzt sich, plaudert. Dabei tauchen oft die Stichworte CSA, Mitgliedsbeitrag oder Probe-Abo auf. Denn der Entrup-Biohof bei Münster ist kein gewöhnlicher Hof mit Hofladen. Es ist ein CSA-Hof, einer von 24 in ganz Deutschland. CSA steht für Community Supported Agriculture, eine Art Landwirtschaftsgemeinschaft. Die Idee kommt aus den USA, dort boomen die CSA-Höfe, es soll bis zu 12.000 geben, erklärt Bäuerin Susanna. Doch auch in Deutschland kämen jedes Jahr ein paar neue CSA-Höfe dazu. Sie selbst sei seit vier Jahren am Start, erzählt Susanna.

Porträt der Agraringenieurin Susanna Lindeke (Foto: DW/Miriam Klaussner)
Agraringenieurin Susanna Lindeke und ihr Team betreiben den CSA-Hof seit vier JahrenBild: Miriam Klaussner

Planungssicherheit für Landwirte

Das CSA-Prinzip: Kunden und ein Biobauer schließen sich zusammen. Die Kunden bekommen jede Woche frische Biolebensmittel, die sie sich hier im Gemüseraum abholen. "Wir Landwirte kalkulieren unsere Jahreskosten. Die teilen wir durch die Anzahl der Mitglieder. Jedes Mitglied bezahlt dann einen bestimmten Betrag pro Monat", erläutert die Landwirtin weiter. "Mit diesem Geld können wir wirtschaften." Ein Win-Win-Deal, der für Bäuerin Susanna und ihr zehnköpfiges Team vor allem eines bedeutet: Planungssicherheit. "Und ich produziere nicht mehr für einen anonymen Kunden, denn ich kenne meine CSA-Mitglieder. Ich als Bäuerin weiß also, für wen ich anbaue." Doch das sei nicht alles, meint die junge Frau dann nachdenklich: "Eine echte Erleichterung ist, dass ich mir nicht ständig den Kopf zerbrechen muss, wie ich das meiste Geld mit dieser Kiste Möhren machen kann. Stattdessen kann ich mich jetzt um die Qualität des Gemüses kümmern."

Käseprodukte, die auf dem CSA-Hof verkauft werden (Foto: DW/Miriam Klaussner)
Milchprodukte sind hier aus Schafsmilch - 90 Schafe leben auf dem HofBild: Miriam Klaussner

Kundenrisiko: "Man weiß nie genau, was für Waren man bekommt"

Und die sei super, meint Kundin Heidi, "auch wenn ich ganz viele Dinge, die es hier gibt, noch nicht kannte. Man weiß ja nie vorab, was man bekommt und muss eben das nehmen, was gerade geerntet wurde". Sie schiebt sich ihre schicke Hornbrille zurecht und fügt hinzu: "Ich finde, es ist auch wichtig zu wissen, wo es gewachsen ist und wer es angebaut hat." Der junge Mann neben ihr fährt sich durch die kurzen dunklen Locken und nickt. Fabian ist erst seit kurzem CSA-Mitglied. Lässig studiert er die Abholempfehlung für diese Woche. Die steht auf der Tafel der Eingangstür: Asia-Salat, Schnittsalat, 300 Gramm Spinat, ein Kilo Kartoffeln, Brot, Eier, Joghurt, Käse. Und Hirschhornwegerich. "Ich weiß nie, welcher Salat welcher ist", stöhnt er, "geschweige denn, was dieser Wegerich sein soll". Da alle Kunden hier die gleichen Waren in ihre Körbe laden - eben die Abholempfehlung - schaut Fabian einfach, was Heidi und die anderen nehmen. "Ich pack das alles immer ein und meine Freundin sagt mir dann zu Hause, was es ist!"

Porträt der CSA-Kundin Heidi (Foto: DW/Miriam Klaussner)
Heidi wirft heute keine Lebensmittel mehr wegBild: Miriam Klaussner

Einpacken, plaudern, Rezepte austauschen und einen Kaffee trinken, so sieht die Abholzeremonie der CSA-Mitglieder aus. Was auffällt: Keiner holt den Geldbeutel hervor, denn bezahlt haben sie ja schon. Auch Heidi und Fabian haben schon 150 Euro pro Monat bezahlt. Die Familie neben ihnen 400 Euro. "Das Prinzip, dass ich vorab bezahle und damit dem Hof die Garantie gebe, dass er seine Bioware los wird, finde ich super", meint Fabian.

Monatsbeitrag von 150 - 400 Euro

Für ihn gibt es da nur ein Problem: den Preis. Er sei Lehramtsreferendar, erzählt Fabian. "Ich glaube, der Preis ist fair, denn es ist ja nicht nur Gemüse, sondern auch Milchprodukte und manchmal auch Fleisch. Aber für mich sind 150 Euro einfach sehr viel, denn die Lebensmittelportion reicht bei mir nicht einmal für eine Woche. Ich muss immer noch was dazukaufen." Er hat deshalb erst mal ein CSA-Probeabo für einen Monat.

Porträt des CSA-Kunden Fabian (Foto: DW/Miriam Klaussner)
Für Referendar Fabian sind die Beiträge zu hochBild: Miriam Klaussner

Heidi nickt verständnisvoll, sieht das aber anders: "Ich finde nicht, dass es zu teuer ist. Ich bin seit drei Jahren dabei. Und wenn ich im normalen Supermarkt einkaufe, schmeiße ich auch eher mal Lebensmittel weg. Die vom CSA-Hof schätze ich hingegen ganz anders." In diese Diskussion mischt sich nun auch ein junges Pärchen um die 30 ein. Sie hätten gerechnet, erzählen sie. "Wenn wir alle unsere Lebensmittel im normalen Bio-Supermarkt kaufen würden, wäre es teurer."

Die Kunden: vom Unternehmensberater bis zum Studenten

Ein paar Meter neben dem Abholraum: Landwirtin Susanna steht mit ihrem kleinen Sohn im Hühnerstall. Es ist dunkel. Das Einzige, was man sieht, sind die roten Hühnerkämme und Susannas bunter Schal. Normalerweise spricht die Landwirtin ruhig mit leicht schwäbischem Akzent. Doch hier drinnen muss sie fast brüllen, um das Gackern der 150 Hühner zu übertönen. Die Eier seien nicht alle für die CSA-Kunden, erzählt sie. "Wir haben zwar schon 120 feste CSA-Mitglieder, aber das Geld reicht einfach nicht, um mit meinem Team davon leben zu können. Deshalb müssen wir auch noch auf Wochenmärkten verkaufen."

Hühner auf dem CSA-Hof (Foto: DW/Miriam Klaussner)
Viele der Eier müssen die Landwirte auf Märkten verkaufenBild: Miriam Klaussner

Susanna schließt die Stalltür und zeigt auf die vielen Autos auf dem Hof: Jeeps, ein Jaguar, VW-Kombis und ein paar Kleinwagen parken da. "Zu uns kommen vom Unternehmensberater über Professoren bis hin zu Hausfrauen wie Heidi oder Berufsanfänger wie Fabian, es ist bunt gemischt". Ihr Wunsch für die Zukunft? "180 Mitglieder und ein etwas höheres Gehalt, dann wäre ich glücklich." Der angehende Lehrer Fabian grinst: Wenn er ein etwas höheres Gehalt hätte, wäre er sofort CSA-Vollmitglied – so wie Heidi, die nun beim Kaffee Hirschhornwegerich-Rezepte austauscht.