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Sicherheitspartnerschaft mit Muslimen

Sabine Ripperger28. März 2012

Die Gefahr islamistischer Anschläge in Deutschland ist laut Innenminister Friedrich weiterhin hoch. Sicherheitsbehörden und muslimische Verbände suchen nach neuen Strategien gegen die Radikalisierung junger Muslime.

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"Gemeinsam gegen Extremismus - Gemeinsam für Sicherheit" geben Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (l, CSU) und Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime eine gemeinsame Pressekonferenz in Berlin. Foto: Rainer Jensen dpa
Hans-Peter Friedrich und Aiman MazyekBild: picture-alliance/dpa

Vor knapp einem Jahr wurde die Initiative Sicherheitspartnerschaft als Kooperation zwischen dem Bundesinnenministerium und muslimischen Verbänden gegründet, um der Radikalisierung muslimischer Jugendlicher vorzubeugen: "Die Internet-Propaganda der Islamisten ist brandgefährlich. Wo sie auf fruchtbaren Boden fällt, führt sie zu einer Radikalisierung", betont Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Fanatisierte Einzeltäter als große Gefahr

Virtuelle Netzwerke tragen laut Friedrich dazu bei, dass sich Aktivisten und Sympathisanten als Teil einer weltweiten virtuellen Gemeinschaft von Dschihad-Kämpfern begreifen. Internet-Videos, Online-Zeitschriften, Audiodateien - das alles werde für Propaganda-Zwecke genutzt. Es werde dort zu einem globalen Dschihad gegen die westlichen Staaten aufgerufen: "Was neu ist als Phänomen in den letzten Jahren, dass es nicht über organisierte Netzwerke oder zentrale Auftraggeber gesteuert wird, sondern dass dazu aufgerufen wird, Anschläge in den westlichen Staaten eigenständig und ohne Anbindung an bestimmte Gruppierungen auszuüben", so der Bundesinnenminister.

Das Attentat vom Frankfurter Flughafen im vergangenen Jahr, bei dem ein seit 20 Jahren in Deutschland lebender Kosovo-Albaner zwei US-Soldaten tötete, habe gezeigt, dass fanatisierte Einzeltäter in der Lage seien, unendlich viel Leid zu verursachen.

Anschlagsort Frankfurter Flughafen (Foto: dpa)
Bei dem Anschlag am Frankfurter Flughafen wurden zwei US-soldaten getötet.Bild: picture-alliance/dpa

Auch der Direktor des International Centre for the Study of Radicalisation in London, Peter Neumann, bestätigt, dass die Zahl der Einzeltäter, die sich über das Internet radikalisiert haben, in den vergangenen vier, fünf Jahren stark zugenommen habe. Und er spricht von der Gefahr, "dass einige wenige dann den Sprung machen von der Idee zur Tat".

In Deutschland gibt es laut Innenminister Friedrich gegenwärtig rund 130 sogenannte Gefährder: "Das sind Islamisten, denen unsere Sicherheitsbehörden die Durchführung eines Anschlags jederzeit zutrauen." Bei diesen Gefährdern handele es sich jedoch um eine kleine kriminelle Minderheit.

Mehrheit der Muslime lehnt Terrorismus ab

Gleichzeitig verwies der Minister darauf, dass die große Mehrheit der Muslime, die in Deutschland leben, Terrorismus nicht nur scharf ablehnen, sondern auch sehr offen sagen: "Diese Menschen diskreditieren unsere Religion."

Es gebe durchaus Grund zur Wachsamkeit und zur gemeinsamen gesellschaftlichen Kraftanstrengung, um alle jungen Menschen in unserem Land für unser Land, "für unsere Demokratie, für unsere Gesellschaft und für ein friedliches Miteinander zu gewinnen", sagt Friedrich, denn alle säßen in einem Boot: "Die Trennung verläuft nicht zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, sondern sie verläuft zwischen friedlichen Bürgern und Kriminellen, die den Islam, die die Religion missbrauchen, um unseren Staat und seine Bürger anzugreifen."

Das djihadistische Angebot im Internet sei mittlerweile sehr groß und auch sehr vielfältig, sagt Terrorismusexperte Neumann. Es gehe nicht mehr nur um Videos aus dem Irak und Afghanistan: "Sie finden djihadistische Produkte mittlerweile auf Mainstream-Webseiten, auf Youtube, auf Facebook, auf normalen islamischen Foren, nicht nur in Arabisch, sondern vermehrt auch in Deutsch und Englisch." Häufig zielten diese nicht nur auf die Verbreitung ihrer Ideologie ab, sondern auch darauf, Identitätskonflikte, persönlichen Krisen zu verschärfen.

Peter Neumann (Foto: DW)
Terrorismusexperte Peter NeumannBild: Peter Neumann

Keine schnellen Lösungen

"Wir müssen akzeptieren, dass es keine schnellen Lösungen gibt", sagt Peter Neumannn, denn diese Inhalte könnten nicht einfach alle verboten und aus dem Netz entfernt werden. Das gehe technisch nicht. Deshalb müssen nicht nur der Innenminister, sondern auch die muslimischen Verbände und die Zivilgesellschaft kreativ sein, wenn es darum geht, Alternativangebote zu entwickeln.

Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, fordert daher, die Religionsgemeinschaften mehr zu unterstützen. Denn Muslime, die ihre Religion gut kennen und selbstverständlich praktizieren, seien zumeist offener und toleranter: "Das beste Programm, insbesondere sich vor muslimischen Fanatikern zu schützen, wäre, die Muslime hier in ihren Pflichten und Rechten zu stärken, sie strukturell gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen."

Mazyek sieht eine wichtige Aufgabe der muslimischen Community darin, “Muslime, die auf der 'Kippe' sind, sozusagen wieder zurückzugewinnen". Wenn man junge Muslime vor der Radikalisierung bewahren wolle, helfe nur, sie nicht auszugrenzen.

Auch der DITIB (Dachverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion), die mitgliederstärkste islamische Organisation in Deutschland, sieht sich nach Aussage von Vorstandsmitglied Murat Kayman in der Pflicht: "Der Anspruch, den wir erfüllen in unseren Landesverbänden, in unseren Ortsgemeinden, ist die Aussage: 'Wenn Ihr Gewalt propagiert, gehört Ihr nicht zu uns'."

Bundesweites Beratungsnetzwerk

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde Anfang 2012 die Beratungsstelle “Radikalisierung" eingerichtet. Dort finden Angehörige und Freunde einen Ansprechpartner, wenn sie das Gefühl haben, dass sich in ihrer unmittelbaren familiären oder sozialen Umgebung jemand radikalisiert. Auch der Aufbau eines deutschlandweiten Beratungsnetzwerks wurde auf den Weg gebracht.

Inzwischen wurde auch ein Projektwettbewerb gestartet: "Die Projekte sollen die Leitgedanken der Sicherheitspartnerschaft umsetzen - also Zusammenarbeit von staatlichen Stellen und muslimischen Verbänden vor Ort stärken und auch gegenseitiges Vertrauen aufbauen", betont Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.