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Gemeinsam gegen Diebe

Arne Lichtenberg6. August 2012

Sie haben es abgesehen auf Kupferleitungen, Erdkabel und Signalanlagen. Metalldiebe verursachen nicht nur große Schäden an Gleisen und Leitungen. Aber jetzt holen die Firmen zum Gegenschlag aus.

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Zwei Mitarbeiter der DB Sicherheit beim Auftragen der künstlichen DNA (Foto: Deutsche Bahn) Urheber: Jet-Foto Kranert Copyright: Deutsche Bahn AG Copyright unbefristet Model Release gültig bis: Frei für journalistisch-redaktionelle Zwecke
Bild: Jet-Foto Kranert/Deutsche Bahn

Meist kommen sie in der Nacht, wenn alle schlafen. Im Schutz der Dunkelheit suchen die Bahnanlagen auf, reißen Kabel von den Strommasten und Signalanlagen oder nehmen an anderer Stelle die Kupferleitungen der Telekommunikationsanbieter mit. Die Diebe haben es abgesehen auf Kupfer, Buntmetalle und Alteisen. Es ist ein lukratives Geschäft mit den Rohstoffen geworden. Bis zu 10.000 US-Dollar werden für eine Tonne Kupfer gezahlt. Bei solchen Preisen ist es kein Wunder, dass Diebe verstärkt Jagd auf alle Rohstoffe machen, die sie in die Hände bekommen können.
Leidtragende ist zumeist die Deutsche Bahn. Allein im Jahr 2011 kamen 11.000 Züge unpünktlich ans Ziel. In Folge der Diebstähle kamen insgesamt 150.000 Verspätungsminuten zusammen. Einzig bei dem Verkehrsunternehmen belief sich der Schaden auf rund 15 Millionen Euro. Doch nicht nur die Bahn, auch Telekommunikationsunternehmen, Energieversorger und Metallhändler sind von den Diebstählen betroffen. Jetzt will man sich gemeinsam zur Wehr setzen. Deshalb schlossen sich die drei Konzerne, die Deutsche Bahn, die Deutsche Telekom, der Energieversorger RWE und der Verband der deutschen Metallhändler Anfang Juli zu einer Sicherheitspartnerschaft zusammen, um gemeinsam gegen die Langfinger vorzugehen.

Frühwarnsystem für schnellen Informationsaustausch

Jens-Oliver Voß, Leiter und Sprecher Kommunikation Compliance, Datenschutz und Recht Deutsche Bahn AG (Foto: Deutsche Bahn)
Jens-Oliver Voß: "Es ist verdammt ärgerlich für die Kunden"Bild: Deutsche Bahn

"In den letzten vier, fünf Jahren hat der Diebstahl enorm zugelegt und was wir auch sehen ist, dass der Klau der Kupferleitungen professioneller geworden ist. Das geht ganz klar in Richtung organisierte Kriminalität", beklagt Philipp Blank von der Deutschen Telekom. 320 Fälle hat der Konzern im letzten Jahr registriert, der Sachsachen beläuft sich dabei auf etwa 820.000 Euro, noch schwerer würden aber die Telefon- und Datenausfälle auf Kundenseite wiegen. Nun soll das gemeinsame Bündnis helfen: "Wir wollen ein Frühwarnsystem aufstellen, damit wir uns schneller austauschen können. Es kommt nämlich oft vor, dass sich die Diebstähle regional konzentriert anhäufen und dann nicht nur bei einem Unternehmen."

Philipp Blank, Pressesprecher Deutsche Telekom (Foto: Deutsche Telekom)
Philipp Blank: "Es geht in Richtung organisierte Kriminalität"Bild: Deutsche Telekom

Mit künstlicher DNA-Markierung sollen die genetischen Fingerabdrücke der Täter gesammelt werden und mit Hubschraubern wollen die Unternehmen nun verstärkt nach den Dieben fahnden. Besonders schwer hat es die Deutsche Bahn mit der Überwachung ihres Schienennetzes von allein 34.000 Kilometern in Deutschland. Das entspricht einer Länge von anderthalb Erdumrundungen. "Hier sind wir mit 3700 Sicherheitskräften unterwegs und machen mit Wärmebildkameras Jagd auf die Diebe", sagt Jens-Oliver Voß, Sprecher der Deutschen Bahn.

Zwei Mitarbeiter der DB Sicherheit beim Auftragen der künstlichen DNA (Foto: Jet-Foto Kranert / Deutsche Bahn AG)
Die Deutsche Bahn setzt auf künstliche DNA zur Verfolgung der DiebeBild: Jet-Foto Kranert/Deutsche Bahn

Keine Gefahr für die Fahrgäste

Voß betont aber, dass durch die Diebstähle keinerlei Lebensgefahr für die Fahrgäste bestehe. "Bei so einem Vorfall werden alle Signale auf Rot geschaltet, alle Züge bleiben stehen." Den eigentlichen Schaden bekämen die Fahrgäste trotzdem zu spüren, indem ihre Züge stehen bleiben, sie zu spät zur Arbeit kommen oder den Flug in den Urlaub verpassen, sagt der Bahnsprecher. "Das ist dann besonders ärgerlich."

Die Bahn setzt schon länger künstliche DNA im Kampf gegen die Diebe ein, markiert damit Gleise und Kabel. Auf diese Weise sollen Diebesgut und Täter später leichter identifiziert werden. Bisher wurde die Substanz vor allem in Ost- und Norddeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen eingesetzt, wo Metalldiebe besonders oft zuschlagen. Auch die Telekom prüfe, ob man dieses Verfahren einsetzt, sagt Pressesprecher Philipp Blank.

"Werksgelände gleichen Hochsicherheitstrakten"Bei einzelnen Metallhändlern hat man schon extrem aufgerüstet, um der Problematik Herr zu werden. "Unsere Betriebe haben immens viel Geld in neue Sicherheitsanlagen investiert", sagt der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Metallhändler Ralf Schmitz. Viele Unternehmen würden auf Videoüberwachung, Sicherheitsdienste und Einzäunung setzen. "Die meisten Werksgelände gleichen mittlerweile Hochsicherheitstrakten", betont Schmitz.

Ralf Schmitz, Verband Deutscher Metallhändler e.V. (Foto: VDM)
Ralf Schmitz: "Es wird auch Gewalt angewendet"Bild: VDM

Nicht ausschließlich in der Nacht greifen die Täter zu, sagt der Verbandschef. Mittlerweile schrecken die Verbrecher auch vor Gewalttaten nicht mehr zurück. "Vor kurzer Zeit wurden Mitarbeiter eines Mitgliedsunternehmen niedergeschlagen und ausgeraubt. In einem anderen Fall haben Bewaffnete Mitarbeiter gefesselt und sind dann mit größeren Mengen Kupfer verschwunden." Meist geht das Diebesgut in Richtung Osteuropa oder Asien, so die Vermutungen.
Versicherungen werden unbezahlbar

Massive Kupferstangen liegen übereinandergestapelt in einem Lager (Foto: dapd)
Vor allem auf Kupfer haben es die Diebe abgesehen. Das bringt am meisten Geld.Bild: dapd

Durch die hohe Zahl der Diebstähle werde es für die Unternehmen immer teurer, die Metalle zu versichern. "Die Versicherungskosten sind um 300 bis 400 Prozent in die Höhe geschossen", sagt Ralf Schmitz. Vor allem stehe man auch vor einem Rätsel, wie große Mengen Metall so einfach von einem hoch gesicherten Gelände verschwinden könnten.

Mit der neuen Kooperation will das Sicherheitsbündnis auch die Abnahmestellen informieren, welche Metalle entwendet wurden, damit den Dieben die Absatzmärkte abgeschnitten werden.

Polizei tut ihr Bestes

Die neue Sicherheitspartnerschaft sei aber keinesfalls als Reaktion auf eine schlechte Arbeit der Polizei zu verstehen. "Das Manko der Polizei ist eher der Föderalismus. Es gibt in Deutschland keine zentrale Stelle, die diese Art von Kriminalität bearbeitet, in jedem Bundesland gibt es andere Zuständigkeiten", sagt der Vorstand der Metallhändler.

Peter Hoscheidt von der RWE kann glücklicherweise noch keine Versorgungsprobleme durch Metalldiebstähle für seine Kunden beklagen. Er appelliert aber aus einem ganzen anderen Grund an die Verbrecher. "Wenn man im Bereich von Umspannanlagen hantiert, stehen Leib und Leben auf dem Spiel."