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Gemischte Reaktionen auf Westerwelles Parteitags-Auftritt

15. März 2010

Die deutsche Tagespresse wertet die Kritik am Bundesaußenminister und dessen Reaktion äußerst unterschiedlich. DW-WORLD.DE dokumentiert die Stimmen der Kommentatoren an diesem Montag.

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Bild: DW

Frankfurter Allgemeine Zeitung:

"Warum hat er sich als Fraktionsvorsitzender und Repräsentant einer künftigen Regierungspartei jahrelang bei Miet-dir-einen-Politiker-Events verscherbelt? Warum hat Westerwelle bei der Regierungsbildung so viele so wenig qualifizierte Mitglieder seiner liberalen Führungsfamilie (Niebel, Pieper, Beerlfetz) in hohe Ämter bugsiert? Wer berät eigentlich den Außenminister, wenn er Showmaster, Fußballtrainer und Geldadel ins Gästehaus des Auswärtigen Amtes einlädt und dies anschließend als Politikerberatung deklariert wird? Am Sonntag sprach er in Siegen und rief seinen Gegnern trotzig zu: 'Ihr kauft mir den Schneid nicht ab!' Das wird noch ein lustiger Wahlkampf werden. Und die FDP wird sich spätestens nach der Landtagswahl fragen: Was wird aus uns mit Westerwelle?"

Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe):

"Guido Westerwelles Problem ist nicht der linke Zeitgeist, über den er sich so herrlich erregen kann. Seine Probleme sind hausgemacht. In den vier Monaten, die er jetzt im Amt ist, hat er die unsichtbare Grenze zwischen dem, was ein Minister kraft Amtes darf, und dem, was er klugerweise tut, etwas zu häufig überschritten. In Zukunft wird er genauer hinsehen müssen, wen er wohin mitnimmt."

Sächsische Zeitung (Dresden):

"Es ist einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik, dass sich die Opposition während einer Reise derart aggressiv auf den Außenminister einschießt - und damit auch dem Ansehen Deutschlands im Ausland schadet. In der Sache selbst haben die Vorwürfe der Vetternwirtschaft nach dem derzeitigen Stand der Dinge keine Substanz. Es gibt bislang keinen Beleg dafür, dass Westerwelles Lebensgefährte die Reise für eigene Geschäfte genutzt hat. Das gilt auch für die Behauptung, Wirtschaftsvertreter hätten sich die Reise mit dem Außenminister durch Spenden erkauft. Die Opposition verfährt hier nach dem Motto: Irgendetwas wird bei den Leuten schon hängenbleiben."

General-Anzeiger (Bonn):

"Die innerparteiliche Solidarität kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Westerwelle in den nächsten Wochen durchaus zu einer Belastung für seine Partei werden kann. Nämlich dann, wenn er in der Opposition und in den Medien weiterhin vor allem Menschen sieht, die ihn persönlich verunglimpfen wollen. Nämlich dann, wenn er jeglicher Kritik an seiner Amtsführung so selbstgerecht begegnet wie in den vergangenen Tagen. Sein Auftritt in Siegen allerdings deutete nicht darauf hin, dass sich der FDP-Chef in seiner Amtsführung selbstkritisch hinterfragen würde oder dass er die Absicht hat, die zu Recht gestellten Fragen nach seinen Reisebegleitungen detailliert zu beantworten."

Financial Times Deutschland (Hamburg):

"Mit jeder weiteren Tirade über Verleumdung, gezielte Kampagnen und die Umtriebe eines linken Zeitgeists verstärkt Westerwelle das dumpfe Gefühl, dass er seinem Amt möglicherweise nicht gewachsen sein könnte - ein Gefühl, das er ja gerade zu entkräften sucht. Völlig aus dem Blick gerät dabei, dass der Außenminister sich im Grunde nichts Ehrenrühriges vorzuwerfen hat. Sicher, die Praxis des Außenministers, Geschäftsfreunde aus seinem privaten Umfeld in beträchtlicher Zahl auf Auslandsreisen mitzunehmen, sollte unterbunden werden. Doch zum Politikum wird sie erst durch Westerwelles überdimensionierte Reaktion. Ein gewisses Maß an Gelassenheit und demonstrativer Einsicht würde Kritiker ins Leere laufen lassen. Und es würde aller Welt zeigen, dass er jeder Kritik zum Trotz das Zeug zum obersten deutschen Diplomaten hat."

Fränkischer Tag (Bamberg):

"Vor Kleinlichkeit sei gewarnt. Ein Anteil des Westerwelle-Bruders an der Firma eines mitreisenden Unternehmers oder die Geschäfte von Westerwelles Lebensgefährten Mronz machen den Außenminister noch nicht zu einem Fall für Korruptionswächter. Aber als Ausdruck außergewöhnlich wacher politischer Intelligenz taugen solche Delegationsdetails ganz gewiss nicht. Einmal mehr wirkt ein FDP-Minister, als seien ihm die Amtsgaloschen zu groß."

Handelsblatt (Düsseldorf):

"Im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern hat Guido Westerwelle es bislang nicht vermocht, von dem sehr popularitätsträchtigen Posten des Außenministers zu profitieren. Die Zustimmungswerte für ihn und seine Partei sind seit dem Eintritt der FDP und ihres Vorsitzenden in die Regierung sogar deutlich gefallen. Die jüngsten Vorwürfe, der Vizekanzler begünstige liberale Großspender und Familienangehörige, sorgen für weitere hässliche Kratzer am Image der FDP. Viel spricht dafür, dass bei einem enttäuschenden Abschneiden der FDP in NRW die steile Karriere des Guido Westerwelle einen ernsthaften Knick erhält."

Tagesspiegel (Berlin):

"Gibt es denn niemanden in der FDP, der ihm mal sagt, dass er es ruhiger angehen soll? Dass er weniger hetzen soll? Man kann eigentlich schon wetten darauf, wie Guido Westerwelle auf Kritik reagiert, gleich welcher Art. Entweder ist er beleidigt, oder er beleidigt. Und dann dieser Ton. Dass er reden kann, dass er die ganze Klaviatur der Rhetorik rauf und runter beherrscht, ist doch gar keine Frage. Bloß geht es darum nicht. An Lafontaine und anderen (besser jetzt keine weiteren Namen genannt, sonst nimmt er noch mehr übel) kann man sehen, dass es nicht sympathisch macht, so frontal zu werden. Ist ihm wirklich egal, wie die Leute über ihn denken? Nein, natürlich nicht. Aber da baut sich dieses Freund-Feind-Schema auf, das wohl bewirkt, dass die eigene Partei wie eine Wand steht. Nur kommt eben auch keiner mehr durch."

Kölnische Rundschau:

"Für die Wahlkämpfer der NRW-FDP hätte die Affäre um die Reisen von Außenminister Guido Westerwelle zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Eigentlich wollten die Liberalen auf dem Landesparteitag über Sachfragen reden - und vor Rot-Rot-Grün warnen. Doch alles wurde von Westerwelle überschattet. Der FDP-Chef nutzte seinen Auftritt vor den Delegierten zum Angriff auf den politischen Gegner und wehrte sich vehement gegen den Vorwurf der Günstlingswirtschaft. Und die NRW-Basis stellte sich vor ihren Bundesvorsitzenden. Der wiedergewählte FDP-Landeschef Pinkwart sieht Westerwelle als Opfer einer breit angelegten Schmutzkampagne der Opposition im Wahlkampf. Dazu gehört auch, dass die Grünen die Liberalen seit Tagen in die Nähe von Extremisten rücken... Da haben einige im Wahlkampf offenbar jedes Maß verloren. Eine Spirale aus ständig sich steigernden Vorwürfen nutzt am Ende keiner Partei."

Redaktion: Frank Wörner