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Genveränderte Mücken in Brasilien

12. September 2019

Nach einem Feldversuch zwischen 2013 und 2015 haben sich genveränderte Mücken in Brasilien fortgepflanzt. Nach dem Plan der Forscher hätten alle freigesetzten Mücken und ihre Nachkommen eigentlich sterben müssen...

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Symbolbild Denguefieber
Die genveränderten männlichen Gelbfiebermücken sollten unfruchtbare Nachkommen zeugen. Bild: picture-alliance/dpa/EPA/G. Amador

Ein Versuch, die Mückenpopulationen der Gelbfiebermücke Aedes aegypti in Brasilien einzudämmen, ist möglicherweise fehlgeschlagen. Dabei wurden offenbar Genveränderungen in die örtlichen Population übertragen.

Die britische Firma Oxitec hatte mit behördlicher Genehmigung über 27 Wochen jede Woche etwa 450.000 männliche Mücken in der Stadt Jacobina in der Region Bahia freigesetzt, um die dort grassierenden Infektionskrankheiten Dengue, Zika und Gelbfieber zu bekämpfen.

Die Genveränderung namens OX513A in den Mücken war so gestaltet, dass die erste Nachfahrengeneration der Mücken, F1 genannt, das Erwachsenenstadium nicht erreichen und damit nicht fortpflanzungsfähig sein sollten.

Mückenpopulation ist eingebrochen

Die Hoffnung des Gesundheitsministeriums war es, die Mückenpopulationen um 90 Prozent zu reduzieren. Und das hat während des Feldversuches auch gut funktioniert. Etwa 18 Monate nach Ende des Versuchs erreichte die Mückenpopulation wieder ihr vorheriges Volumen.

Die Genveränderung der freigesetzten Mücken produzierte zudem ein fluoreszierendes Protein, das es ermöglichte, die erste F1-Generation von anderen Mücken zu unterscheiden. 

Nun haben Forscher der Universität Yale die in der Region vorkommenden Mücken jeweils zwölf und 27 bis 30 Monate nach der Freisetzung auf ihre genetischen Veränderungen hin untersucht.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Teile der Genveränderung unerwartet in die Zielpopulation lokaler Mücken eingewandert ist. 

Mehr dazu: Die gefährlichsten Krankheiten, die Mücken übertragen

Genveränderung wurde weitergegeben

In den verschiedenen Stichproben trugen zwischen zehn und 60 Prozent der Mücken entsprechende Veränderungen im Genom. Die Studie wurde am 10. September in Nature: Scientific Reports veröffentlicht.

Redaktioneller Hinweis: Die Firma Oxitec hat am 18. September mit einer Gegendarstellung auf die Veröffentlichung reagiert. Oxitec argumentiert, dass die möglicherweise noch lebenden nachfolgenden Generationen wiederum unfruchtbaren Nachwuchs zeugen, die Träger der Genveränderung also über einen überschaubaren Zeitraum aussterben werden. 

Wäre der Feldversuch so abgelaufen, wie ursprünglich von den Wissenschaftlern vorhergesagt, hätte die Genveränderung nicht in die Mückenpopulationen einwandern dürfen, weil die Nachkommen der ursprünglich freigesetzten Mücken sich ja nicht mehr hätten fortpflanzen können. 

Es war allerdings bereits zuvor aus Laborversuchen bekannt, dass ein geringer Anteil etwa drei bis vier Prozent der Nachfahren von OX513A-Mücken mit einheimischen Mücken das Erwachsenenalter durchaus erreichen können. Die Wissenschaftler waren davon ausgegangen, dass diese zu schwach sind, um sich noch zu vermehren. 

 

Die Autoren der Studie schreiben, dass die Mücken vor und nach dem Experiment gleichermaßen als Träger für Infektionskrankheiten infrage kamen. 

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Kritiker melden sich zu Wort 

Das Yale-Forscherteam um Jeffrey Powell warnt davor, dass die neu entstandene Mückenpopulation möglicherweise robuster sein könne als die Mücken es vorher waren.

Ihre Lehre daraus: Es ist wichtig, derartige Feldversuche "mit einem Beobachtungsprogramm zu begleiten, um unerwartete Veränderungen feststellen zu können."

Gentechnik-kritische Biologen gehen mit ihrer Kritik einen Schritt weiter. "Die Aussetzung wurde überstürzt vorgenommen, ohne dass einige Punkte geklärt waren", sagte der brasilianische Biologe José Maria Gusman Ferraz in der Zeitung "Folha de S. Paulo".

Auch das Münchener Gentechnik-kritische Forschungslabor Testbiotech wirft Oxitec vor, den Feldversuch ohne ausreichende Studien gestartet zu haben. "Die Versuche der Firma Oxitec haben zu einer weitgehend unkontrollierbaren Situation geführt", sagte Geschäftsführer Christoph Then gegenüber der Deutschen Presseagentur. "Dieser Vorfall muss Folgen für den weiteren Einsatz der Gentechnik haben", fordert er.

Kein Gene Drive-Versuch

Beim Feldversuch in Brasilien wurde nicht das umstrittene Verfahren des Gene Drive eingesetzt, bei dem Mücken ein sehr durchsetzungsfähiges Gen mitgegeben wird, das bei der Fortpflanzung immer dominant ist.

Forscher, die in streng abgeschirmten Laboren mit Gene Drive experimentieren, hoffen mithilfe des Verfahrens ganze Mückenpopulationen dauerhaft auszurotten. So etwas wäre aber nicht mehr rückgängig zu machen und wurde daher nie im Freiland ausprobiert. 

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen