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"Geo Barents" sucht Hafen im Mittelmeer

26. Oktober 2021

367 Menschen hat das Hilfsschiff von "Ärzte ohne Grenzen" an Bord, darunter sehr viele Minderjährige. Vor der griechischen Insel Chios ist ein Schlauchboot mit Flüchtlingen gesunken. Mehrere Kinder ertranken.

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"Geo Barents"
Das Rettungsschiff "Geo Barents" im Mittelmeer Bild: Daniel Kubirski/picture alliance

Mit 367 Geretteten an Bord harrt die Besatzung des Schiffs "Geo Barents" im Mittelmeer aus, auf der Suche nach einem Hafen. Die Besatzung habe die italienischen Behörden gebeten, die Geflohenen schnell an Land bringen zu können, teilte die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen", die den Seenotretter betreibt, in Berlin mit.

Unter den Geretteten sind nach Angaben der Helfer 172 Minderjährige. 134 von ihnen seien ohne Eltern auf diese gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer geschickt worden. Diese hohe Zahl von Kindern ist laut "Ärzte ohne Grenzen" selbst für erfahrene Seenotretterinnen und -retter ungewöhnlich.

42 Kinder seien aus einem überladenen Holzboot an Bord genommen worden, das mehr als neun Stunden lang auf See getrieben sei. Die Behörden hätten von der Not der Insassen gewusst, beklagte die Hilfsorganisation. Doch kein Schiff sei den Geflohenen zur Hilfe gekommen.

"Auf Notrufe wird nicht reagiert"

"Erneut sind wir Zeugen, wie die europäische Abschottungspolitik das Leben von Menschen gefährdet", sagt Caroline Willemen, Projektleiterin an Bord der "Geo Barents". "Auf Notrufe wird nicht reagiert und es gibt keinerlei Rettungsaktivitäten." Es sei nicht hinnehmbar, dass Nichtregierungsorganisationen diese tödliche Lücke füllen müssten.

Viele Menschen seien bereits unterkühlt und dehydriert gewesen, als die Retter eingetroffen seien, schilderte "Ärzte ohne Grenzen" weiter. Bei einem Einsatz hätten 65 Menschen mitten in der Nacht von einem überladenen Schlauchboot bei starkem Wind und drei Meter hohen Wellen an Bord genommen werden müssen. Ein anderes Schlauchboot sei bereits voll Wasser gelaufen, die Menschen hätten Todesangst gehabt.

Vier Menschen vor Chios ertrunken 

Große Angst hatten auch die 27 Flüchtlinge, deren Schlauchboot nahe der ostgriechischen Insel Chios gesunken war. Vier Migranten, darunter drei Kinder im Alter zwischen drei und 14 Jahren, ertranken bei dem Unglück, wie der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi bekannt gab. Eine weitere Person wird vermisst, die übrigen Flüchtlinge konnten aus dem Mittelmeer gerettet werden. Keiner der Insassen des Bootes, das von der türkischen Küste aus gestartet war, trug nach Angaben der Küstenwache eine Schwimmweste.

Flüchtlinge Chios Griechenland
Die aus dem Mittelmeer vor Chios Geretteten verlassen ein Schiff der Küstenwache Bild: Pantelis Fykaris/picture alliance/AP

"Das ist die Realität der Ausbeutung von Flüchtlingen durch kriminelle Banden in der Ägäis", twitterte Mitarachi. Der Minister beschuldigte die türkische Regierung, sich nicht an die Vereinbarung von 2016 mit der Europäischen Union zu halten. Darin hat die Regierung in Ankara zugesagt, Asylsuchende davon abzuhalten, von der Türkei aus in die EU aufzubrechen. Die türkischen Behörden müssten mehr tun, um die Ausbeutung durch kriminelle Banden zu verhindern. 

Viele Afghanen unter den Flüchtlingen

Viele Migranten legen auch von den Küsten Nordafrikas ab - in der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Europäischen Union. Ihr Ziel ist oft Italien. Dort bahnt sich an der Küste Kalabriens im äußersten Süden des Landes ein neuer "Hotspot" an. In der Küstenstadt Roccella Ionica und anderen Gemeinden seien bereits etwa 7000 Flüchtlinge angekommen - dreimal so viele wie im Vorjahr, schrieb die Zeitung "La Repubblica". Viele der Menschen stammten aus Afghanistan, bestätigte die Präsidentin des dortigen Roten Kreuzes. Laut Berichten wählen die Flüchtlinge die neue Route von Ägypten oder der Türkei aus, anstatt die italienische Insel Lampedusa anzusteuern, um nicht von der Küstenwache Libyens abgefangen zu werden.

Mutter mit Säugling im Hafen von Augusta
Auf Sizilien nimmt ein italienischer Arzt bei einer geflüchteten Mutter mit ihrem Säugling einen COVID-19-Test vor Bild: Samy Magdy/picture alliance/AP

Die Überfahrt über das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bislang mehr als 1.550 Menschen auf der Überfahrt gestorben oder werden vermisst. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch weitaus höher.

se/sti (epd, rtr, ap, afp, dpa)