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Rückkehr zum internationalen Recht

11. September 2008

Die ehemalige Parlamentspräsidentin und heutige Leiterin der Stiftung „Für eine demokratische Entwicklung“, Nino Burdschanadse, sprach mit der DW über die Lage in Georgien und eigene politische Zukunftspläne.

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Nino BurdschanadseBild: AP

Deutsche Welle: Frau Burdschanadse, wie könnte Ihrer Meinung nach der Konflikt zwischen Russland und Georgien gelöst werden?

Nino Burdschanadse: Die einzige Bedingung, um überhaupt über eine Regelung reden zu können, muss die Rückkehr in die Bahnen des heutigen internationalen Rechts sein. Dazu gehört die Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität Georgiens. Diese Prinzipien hat Russland selbst mehrfach anerkannt – in den Dokumenten der OSZE, des Europarates, der UNO, der GUS, aber auch bilateral und schließlich im so genannten Sarkozy-Plan, der von den Präsidenten Saakaschwili und Medwedjew unterzeichnet wurde. Ich verstehe nicht, warum Russland sich so beeilt hat, zwei separatistische Republiken anzuerkennen. Damit hat es nicht nur Georgien und die internationale Gemeinschaft, sondern auch sich selbst in eine schwierige Lage gebacht. Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens hat die russische Führung die Wege zur Regelung des Konflikts versperrt.

Unter westlichen Politologen wird derzeit folgende Lösung diskutiert: Georgien akzeptiert den Verlust zweier Provinzen und der Westen beschleunigt dafür den Beitritt Georgiens zur NATO, möglicherweise auch zur EU. Was halten Sie davon?

Davon kann gar keine Rede sein. Georgien wird niemals den Verlust eigenen Territoriums hinnehmen. Wir werden dem Verlust Abchasiens und Südossetiens keinesfalls zustimmen. Das müssen unsere Gegner, aber auch unsere Freunde begreifen. Aber keiner unserer Freunde im Westen sagt, wir müssten uns mit dem Verlust dieser Gebiete abfinden. Niemand bietet uns einen solchen Handel an, ohne jene Gebiete in die NATO oder EU aufzunehmen. Alle unsere Freunde wissen gut, dass ein Präzedenzfall im 21. Jahrhundert, in dem ein Staat einem anderen gewaltsam Territorien entreißt, nicht zugelassen werden darf. Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Grundlagen des heutigen internationalen Rechts zerstört und wie ein Bumerang auch andere Länder, darunter Russland, treffen kann.

Moskau will mit Präsident Saakaschwili nicht verhandeln. Wie kann man aus diesem Dilemma herauskommen?

Was heißt hier, will oder will nicht? Als wäre dies keine Politik und nur ein Spielchen. Jeder Staat, jeder Staatschef ist dazu verpflichtet, mit dem Führer eines anderen Staates zu verhandeln. Niemand hat das Recht zu entscheiden, wer im Namen eines anderen Staates sprechen soll. Die Völker entscheiden selbst darüber, wer in deren Namen spricht. Vielleicht gefällt jemandem der Präsident Russlands nicht. Ja und? Soll man dann Gespräche mit ihm ablehnen, bis Russland einen anderen wählt? Russland muss mit demjenigen verhandeln, der heute Georgien vertritt.

Sie waren vor kurzem in den USA, jetzt sind Sie in Deutschland. Sind dies Auslandsbesuche einer künftigen Präsidentschaftskandidatin?

Nein, diese Besuche wurden noch vor den Ereignissen im Kaukasus geplant. In den USA war ich zu den Parteitagen der Demokraten und der Republikaner eingeladen. Nach Deutschland bin ich gekommen, um bei der Bertelsmann-Stiftung zu sprechen. Ich habe das Gefühl, dass ich die Politik gar nicht verlassen habe. Egal wo ich bin, egal auf welchem Posten, werde ich das tun, was ich für mein Land als notwendig und richtig erachte. Was aktivere Pläne für die Politik angeht, so schließe ich nicht aus, unter Berücksichtigung der schwierigen politischen Lage in Georgien und der Erfahrungen meines politischen Lebens, aber auch aus dem Gefühl der Verantwortung für das Land heraus, eine neue Partei zu gründen. Aber dies wird von der Lage im Lande abhängen.

Das Gespräch führte Nikita Jolkver