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Geschlecht? Noch unklar!

1. November 2013

Die Intersexualität hat es in Pass und Melderegister geschafft: Ab sofort müssen sich Eltern in Deutschland nicht mehr festlegen, ob ihr Neugeborenes männlichen oder weiblichen Geschlechts ist.

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Mutter mit Säugling beim Kinderarzt (Foto: Joker)
Bild: picture-alliance/Joker

Junge? Mädchen? Intersexuell!

Künftig muss das Geschlecht neugeborener Kinder in Deutschland nicht mehr kurz nach der Geburt festgelegt werden. Die Neuregelung bezieht sich auf Fälle sogenannter Intersexualität. Das bedeutet konkret: Wenn Kinder nicht klar als Junge oder Mädchen einzuordnen sind, können sie ohne Angabe ins Geburtenregister eingetragen werden. Das sieht das geänderte Personenstandsrecht vor, das vom 1. November an gilt. Die Gesetzesänderung hatte der Deutsche Ethikrat empfohlen, der Regierung und Parlament in komplizierten ethischen Fragen berät.

Das geänderte Personenstandsrecht soll den Druck von Eltern nehmen, vorschnell geschlechtsangleichende medizinische Eingriffe vornehmen zu lassen, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erläuterte. Bisher waren Eltern verpflichtet, innerhalb einer Woche die Geburt ihres Kindes samt Namen und Geschlecht beim Standesamt zu melden.

Verstümmelt

"Zahlreiche betroffene Menschen, die in ihrer Kindheit einem 'normalisierenden' Eingriff unterzogen wurden, empfanden ihn später als verstümmelnd und hätten ihm als Erwachsene nie zugestimmt", beklagte der Ethikrat in seiner 2012 veröffentlichten Stellungnahme. Der Zwang, im Personenstandsregister als "weiblich" oder "männlich" eingetragen zu werden, sei ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Gleichbehandlung. Dieser Auffassung folgte auch der Bundestag und billigte die entsprechende Gesetzesänderung Anfang dieses Jahres.

Experten gehen davon aus, dass es im Schnitt bei etwa 1500 bis 2000 Geburten zu einem Fall von Intersexualität kommt. Vertreter von Betroffenen schätzen die Zahl höher ein und verweisen unter anderem auf die großen Probleme, das Phänomen physisch wie hormonell klar zu fassen.

Das 3. Geschlecht?

In mehreren außereuropäischen Ländern wird Intersexualität inzwischen rechtlich als eine eigenständige Kategorie neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht anerkannt - unter anderem in Australien. Mit der Neuregelung in Deutschland wird dagegen kein "drittes Geschlecht" geschaffen, wie das Innenministerium betont. Eine derartige Kategorie lasse sich in das deutsche Rechtsystem aus prinzipiellen Gründen nicht einfügen.

wa/gmf (afp, dpa)