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Geteilte Reaktionen

25. November 2008

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, den Ex-Terroristen im Januar auf freien Fuß zu setzen, stößt bei Angehörigen der RAF-Opfer auf Kritik. Für Justizministerin Zypries ist es ein "normaler Vorgang".

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Christian Klar (Foto: dpa)
Demnächst auf freiem Fuß: Ex-Terrorist Christian KlarBild: picture-alliance/ dpa

Die Ministerin weist in der "Passauer Neuen Presse" vom Dienstag (25.11.2008) Kritik an der Entlassung Klars zurück. Der frühere RAF-Terrorist habe schließlich 26 Jahre in Haft gesessen. Jetzt habe ein Gericht entschieden und den Rest der Strafe gegen Auflagen zur Bewährung ausgesetzt. Dies sei "rechtsstaatlich ein ganz normaler Vorgang", betont die SPD-Politikerin. Klar werde damit behandelt wie jeder andere Straftäter in Deutschland.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (Foto: AP)
Justizministerin Brigitte ZypriesBild: AP

Zypries fordert die früheren RAF-Mitglieder wie Klar aber zugleich auf, bei der Aufklärung ihrer Taten zu helfen. "Es wäre gut, wenn - vor allem im Interesse der betroffenen Familien - die Beteiligten ihren Beitrag leisten würden", sagte Zypries der Zeitung. Einen Schlussstrich unter dieses Kapitel der deutschen Geschichte könne es "so nicht geben".

Ein normaler Mörder

Ähnlich wie Zypries äußerte sich auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP): "Herr Klar wird behandelt wie jeder andere Mörder auch", sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Dienstag).

Der wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Christian Klar soll am 3. Januar 2009 auf Bewährung freigelassen werden, weil das Oberlandesgericht Stuttgart keine Rückfallgefahr mehr sieht.

Kritik und Enttäuschung

1977 entführte Lufthansa-Maschine "Landshut" (Foto: AP)
Der Pilot der 1977 entführten Maschine "Landshut" wurde erschossenBild: AP

Harsche Kritik an der Entscheidung wurde vor allem aus dem Umfeld der RAF-Opfer laut. Der Copilot der 1977 entführten Lufthansa-Maschine "Landshut", Jürgen Vietor, gab einem Medienbericht zufolge aus Protest sein Bundesverdienstkreuz zurück. Er schrieb laut "Bild"-Zeitung an Bundespräsident Horst Köhler, er sei "enttäuscht und verbittert". Klars Freilassung "verhöhnt alle Opfer der RAF, seien sie tot oder noch am Leben".

Michael Buback, Sohn des von der RAF getöteten Generalbundesanwalts, hielt Klar vor, sich noch immer nicht zu den Details der Tat geäußert zu haben. "Er hat sehr wichtige Informationen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir als Angehörige praktisch noch diese Gnade erwiesen bekommen, dass man uns dies endlich noch sagt", so Buback im WDR. Noch immer ist unklar, wer Siegfried Buback erschoss. Sein Sohn sagte nun, er werde von sich aus keinen Kontakt zu Klar suchen. "Aber wenn mir jemand etwas sagen will, werde ich den Telefonhörer nicht auflegen", fügte er hinzu.

Unverständliche Entscheidung

Auch Politiker der CDU/CSU nannten die Entscheidung des Gerichts unverständlich und forderten den Ex-Terroristen zu einer Entschuldigung auf. "Die juristische Mathematik, wonach eine fünfmal lebenslange Freiheitsstrafe für Christian Klar nach 26 Jahren abgegolten ist, versteht der Normalbürger nicht", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.

Dagegen sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, die Entscheidung müsse "aus rechtsstaatlichen Gründen hingenommen werden". Er fügte aber hinzu: "Als Polizist, der die Zeit des RAF-Terrorismus miterlebt hat und mitansehen musste, wie Menschen auf brutalste Weise getötet und schwer verletzt wurden, verspüre ich heute tiefe Bitternis."

Keine Reue

Berliner Ensemble (Foto: dpa)
Wohl bald Klars neue Wirkungsstätte: das Berliner EnsembleBild: PA/dpa

Klar hat bis heute keine Reue gezeigt. Dass der 56-Jährige sich nicht von seinen schweren Taten distanziert, sah das Gericht nach Angaben einer Sprecherin "als schwere Belastung für die Opfer und ihre Angehörigen". Für die alles entscheidende Frage, ob der Verurteilte künftig weitere schwere Straftaten begehen werde, sei dies aber nach Auffassung der Sachverständigen nicht ausschlaggebend. Man sehe "keine Anhaltspunkte für eine fortgesetzte Gefährdung", so das Gericht. Klar habe aktiv an der Auflösung der RAF 1998 mitgewirkt und schon zuvor unmissverständlich erklärt, vom "bewaffneten Kampf" Abstand zu nehmen.

Das Berliner Ensemble (BE) rechnet derweil weiter mit Klar als Praktikanten für Bühnentechnik. In einer Mitteilung des Theaters hieß es am Montag: "Wir gehen davon aus, dass Christian Klar nach seiner Haftentlassung den ihm vor einigen Jahren auf seine Anfrage hin angebotenen Praktikumsplatz in der Technik des BE annehmen wird."

Klar war am 16. November 1982 festgenommen worden und sitzt seitdem im Gefängnis. 1992 wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, unter anderem für die Morde an Generalbundesanwalt Siegfried Bubackl, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer. Als letztes ehemaliges RAF-Mitglied bleibt nach der Entlassung Klars nur noch Birgit Hogefeld im Gefängnis. Sie kann frühestens 2011 entlassen werden. (gri)