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Getreidepreise in Turbulenzen

11. August 2010

Russland hat wegen der Hitze den Getreideexport gestoppt. Der Weizenpreis auf dem Weltmarkt stieg daraufhin kräftig. Während die UN eine neue Ernährungskrise fürchten, geben sich manche Rohstoffanalysten entspannt.

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Feuer und Feuerwehrleute vor einem Feld in Russland (Foto: dpa)
Die Brände vernichten Teile der Getreideernte in RusslandBild: picture alliance/dpa

Noch immer brennen in Russland riesige Flächen und zerstören Teile der Weizenernte. In der vergangenen Woche hat Regierungschef Wladimir Putin daher ein Exportverbot verhängt. Kein einziges Korn soll das Land ab Mitte August mehr verlassen, damit die Russen für ihre Nahrungsmittel nicht mehr bezahlen müssen. Anders geht es allerdings denjenigen, die Weizen auf dem Weltmarkt kaufen, denn dort ist der Preis erheblich gestiegen.

Ein kleiner Junge greift in eine Metallschüssel (Foto: dpa)
2009 hungerten mehr als eine Milliarde MenschenBild: dpa

Da Russland der drittgrößte Weizenexporteur der Welt ist, fürchtet das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen eine weitere Erhöhung der Preise. "Was wir hier sehen ist eine Parallele zum Jahr 2008," sagt Ralf Südhoff, der Sprecher des UN-Welternährungsprogramms. Damals sei von einer großen Welternährungskrise die Rede gewesen. Schuld sei unter anderem eine lang anhaltende Dürre in dem großen Weizenanbauland Australien gewesen. "Und jetzt müssen wir befürchten, dass nicht nur der Weizenpreis weiter stark steigt, sondern auch die Nahrungsmittelpreise, die im Übrigen überhaupt immer noch sehr hoch sind." Südhoff fürchtet, dass das Essen für die Armen schon wieder zu teuer wird. Schon bei der Ernährungskrise vor zwei Jahren hat sich die Zahl der Hungernden auf über eine Milliarde Menschen weltweit erhöht. Die Folge waren soziale Unruhen in vielen Ländern.

Reaktion auf das Exportverbot

Tatsächlich erreichte der Weizenpreis in den USA am vergangenen Freitag ein Zwei-Jahres-Hoch: Der Scheffel – das sind rund 35 Liter – kostete kurzzeitig 8,41 Dollar. Das war fast doppelt so teuer wie noch vor einem Monat. Was folgte, war jedoch der stärkste Kursrutsch seit 14 Jahren: Am Montagmorgen kostete der Scheffel nur noch 6,85 Dollar und der Preis blieb auf eher niedrigem Niveau. Ein sicheres Zeichen dafür, dass vor allem Spekulation den Preis getrieben hatte, sagt Gabor Vogel, Rohstoffanalyst der DZ Bank. "Man muss den Preisausschlag, auf die Spekulanten zurückführen. Wir sehen den fairen Weizenpreis bei sechs US-Dollar."

Weizenernte (Foto: AP)
Ob das Exportverbot bestehen bleibt scheint fraglichBild: AP

Vogel ist überzeugt, dass dieses Mal fast alles anders ist als bei der Welternährungskrise 2008. Damals war der Weizenpreis auf bis zu 13 Dollar je Scheffel gestiegen. Der Rohstoffanalyst hält es etwa für möglich, dass Russland es sich mit Rücksicht auf seine Kunden doch noch einmal anders überlegen könnte. Man müsse abwarten wie sich die Exportsperre in Russland durchsetzen lasse. "Denn es gibt auch schon erste Interessensgruppen in Russland, die eben hier für eine Aufweichung der Exportsperre sind, um die Weizenabnehmer nicht zu verprellen."

Gute Ernten in den USA und Australien erwartet

Weizenfeld in Texas (Foto: AP)
Die USA und Australien rechnen in diesem Jahr mit einer guten ErnteBild: AP

Außerdem seien in die Höchstpreis-Bildung am Freitag nicht die stark verbesserten Ernte-Aussichten für Weizen in den USA und Australien eingeflossen. Australien ist der fünftgrößte, die USA sind der größte Weizen-Exporteur der Welt. In beiden Ländern meldeten Farmer zurzeit fast optimale Wachstums-Bedingungen für Weizen. Daher meint Vogel: "Selbst wenn die gesamten russischen Exporte ausfielen, könnte allein die USA die Lücke fast schon spielend füllen." Und in dem Fall sei der Lagerbestand in den USA immer noch knapp fünfzig Prozent über den Tiefstständen aus den Jahren 2007/2008.

Vogel erwartet deshalb für dieses Jahr mittelfristig einen stabilen Preis auf eher niedrigem Niveau. In den USA kostet der Scheffel heute 7,31 Dollar. Für den Rohstoffanalysten ist da durchaus noch Luft nach unten. "Insgesamt kann man bei dem Weizenmarkt nicht von einem knappen Markt sprechen, so dass wir davon ausgehen, dass sich zumindest in 2010 der Weizenpreis in Richtung sechs US-Dollar orientieren wird."

Langfristig ist Klimawandel die große Gefahr

Eine Gefahr geht von den russischen Flächenbränden dann aber doch für den Weizenpreis aus. Sollte auch für den Winterweizen in diesem Jahr weniger Fläche in Russland verfügbar sein, droht ein Preisanstieg in 2011. Ob es so kommt, entscheidet sich zum Zeitpunkt der Aussaat im November. Langfristig ist in den 20 größten Industrienationen allerdings mit zurückgehenden Weizenernten zu rechnen. Eine Studie der Großbank HSBC geht davon aus, dass der Klimawandel bis zum Jahr 2020 für Ernteeinbußen zwischen vier und sieben Prozent sorgen wird.

Autor: Christian Siepmann

Redaktion: Insa Wrede

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