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Gewalt in Thailands Süden bedroht Nachbar-Provinzen

Nicola Glass20. August 2006

Thailands muslimischer Süden kommt nicht zur Ruhe. Die Regierung hat den dort aktiven Separatisten bislang nur Gewalt entgegenzusetzen - und verschärft dadurch das Problem.

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Untersuchung nach einem Anschlag auf einen Armee-Lkw in YalaBild: AP
Thailand Gewalt in den südlichen Provinzen
Soldat am islamischen College von YalaBild: AP

Bombenanschläge, Schusswechsel und Enthauptungen: In den drei thailändischen Provinzen Yala, Pattani und Nara-thi-wat starben in den vergangenen zweieinhalb Jahren mindestens 1300 Menschen. In der Region an der Grenze zu Malaysia sind etliche Gruppierungen aktiv, die eine Loslösung des muslimischen Südens vom buddhistischen Thailand fordern. Jene Provinzen waren einst Teil des autonomen Sultanats Pattani und wurden 1902 von Bangkok annektiert.

Wachsende Kluft

Doch nicht immer stecken Separatisten hinter den Anschlägen. Die Attacken sind eher Begleiterscheinungen eines tieferen Problems: Das der wachsenden Kluft zwischen den Muslimen und der Regierung in Bangkok. Noch ist der Konflikt auf den tiefen Süden Thailands begrenzt und nicht übergreifend organisiert. Die Gewalt begann im Januar 2004, als mutmaßliche Separatisten ein Armeecamp überfielen. Seitdem hat die Regierung unter Premier Thaksin Shinawatra hart durchgegriffen. Zuerst verhängte Thaksin das Kriegsrecht über die Region, später ersetzte er dieses durch ein Notstandsgesetz. Es erlaubt die Inhaftierung von Verdächtigen bis zu 30 Tagen - ohne richterlichen Beschluss.

Außer Kontrolle

Mit dem viel zitierten Kampf gegen den Terror habe das alles wenig zu tun, sagen Kritiker. Vielmehr gehe es darum, den Süden, der traditionell eine Hochburg der oppositionellen Demokratischen Partei ist, unter Kontrolle zu bekommen. Die Muslime der Region sind überwiegend moderat. Sie wehren sich dagegen, mit militanten Separatisten verglichen zu werden.

Bereits wenige Monate nach Ausbruch der Gewalt prognostizierten Beobachter, dass sich die Lage im Süden verschlimmern würde. So auch der mittlerweile scheidende, regierungskritische Senator Kraisak Choonhavan. "Ich fürchte, dass es zum Schlimmsten kommt. Wir haben bereits zehn Militär-Bataillone dort, jetzt werden weitere zehn entsandt", sagte er damals. "In einer verhältnismäßig kleinen Region mit Militärs, die nicht den lokalen Dialekt sprechen und nicht entsprechend vorbereitet sind im Umgang mit der Zivilbevölkerung, müssen wir uns auf eine Situation gefasst machen, die außer Kontrolle geraten und immer mehr Gewalt mit sich bringen wird."

Angst, Misstrauen, Hass

Heute sind etwa 30.000 Soldaten und 10.000 Polizisten im Süden stationiert. Francesca Lawe-Davies von der Organisation "International Crisis Group" hält dies für kontraproduktiv, denn durch den massiven Einsatz der Sicherheitskräfte wachsen Angst, Misstrauen und Hass. "Ein Hauptgrund für den Groll, der die Unterstützung für die Aufständischen anheizen könnte, sind korrupte Autoritäten, die ihre Macht missbrauchen, Folter in Gefängnissen, das Verschwinden von Menschen und Mutmaßungen über Hinrichtungen außerhalb", sagt sie. All das wurde nur selten ernsthaft untersucht."

Einige Mitglieder der Regierung hatten Anfang 2004 noch versucht, die Attacken als bloßes Banditentum herunter zu spielen: Die Angreifer des Armeecamps hätten nur Waffen stehlen wollen, erklärten sie. Bald mussten sie aber einräumen, dass möglicherweise doch Separatisten dahinter stecken könnten. Anders hätte Thaksin die Verhängung des Kriegsrechts auch kaum rechtfertigen können.

Lange hatte Bangkok ein Terrorproblem im eigenen Lande verneint. Wenn überhaupt, hätten ausländische Terroristen Thailand lediglich als Durchgangsstation genutzt, hieß es. Internationale Schlagzeilen machte jedenfalls die Festnahme des indonesischen Top-Terroristen Riduan Isamuddin, alias Hambali. Der damals meistgesuchte Mann Südostasiens war im August 2003 von der thailändischen Polizei und US-Agenten rund 80 Kilometer nördlich von Bangkok verhaftet worden.

Komplexe Lage

Mit jenem spektakulären Coup hat der blutige Konflikt im Süden Thailands wenig zu tun. Noch ist er lokal begrenzt. Ob er irgendwann auch auf andere Regionen Thailands übergreifen könnte, darüber wird viel spekuliert. Auch gibt es nach Aussage von Experten bislang keine Anzeichen für einen übergreifenden Dschihad, einen heiligen Krieg, beziehungsweise eine reguläre Unterstützung heimischer Aufständischer durch ausländische Terror-Organisationen.

Die Lage ist komplex. "Auf der einen Seite gibt es ein Oberkommando, das es erlaubt, 30 Bomben gleichzeitig in einer Nacht in allen Provinzen zu zünden", sagt der in den USA ansässige Terrorismusexperte Zachary Abuza. "Aber gibt es auch ein Oberkommando, das die Leute in abgelegene Gebiete schickt, wo sie diese Techniken erlernen, oder bilden sie sich etwa gegenseitig aus? Ich glaube nicht, dass es dafür derzeit genügend Beweise gibt." Eine weitere Frage sei, ob die Separatisten den Terror auch nach Bangkok oder Phuket tragen würden. Technisch seien sie dazu in der Lage: "Sie sind imstande, eine fünf-Kilogramm-Rucksackbombe oder eine Autobombe zu bauen. Doch sie haben bis heute keinen politischen Willen gezeigt, das auch zu tun."

Vorwürfe gegen Malaysia

Fest steht nur: Die harte Hand der Regierung hat die Gewalt in Thailands Süden verschärft. Und auch das Verhältnis zu Malaysia belastet: Für besonderen Zündstoff sorgte die Flucht einer Gruppe von thailändischen Muslimen nach Malaysia im August vergangenen Jahres. Außerdem hat Thailand dem Nachbarn vorgeworfen, dass ein Teil der Bomben in Malaysia hergestellt worden sei. Zudem würden militante Muslime im Grenzgebiet unterschlüpfen.

Die Retourkutsche kam prompt: Malaysias Außenminister Syed Hamid Albar erklärte, Thailand solle sein Land nicht zum Sündenbock für die verfehlte Politik in den thailändischen Südprovinzen machen. Als besonders fatal habe sich die Einführung des Notstandsgesetzes erwiesen, sagt in diesem Zusammenhang Francesca Lawe-Davies von der "International Crisis Group". "Das Notstandsdekret hat vor allem die Ängste in den von der Regierung benannten 'roten Zonen' verstärkt, wo die Menschen die Einschüchterungen besonders zu spüren bekommen. Und die damalige Flucht von 131 Asylsuchenden nach Malaysia zeigt, wie sehr sie sich vor ihrem eigenen Land fürchteten." Diese Gefühle würden die Aufständischen geschickt ausnutzen.

Ein Ende der Gewalt im Süden ist nicht abzusehen. Zwar hat mittlerweile die von Thaksin eingesetzte "Nationale Versöhnungskommission" ihren Bericht vorgelegt. Darin empfiehlt sie unter anderem, unbewaffnete Friedensbrigaden in der Region zu stationieren, um die Verständigung mit den Muslimen zu verbessern. Doch wer diese Empfehlungen umsetzen wird, ist noch unklar. Denn die Thaksin-Administration gilt derzeit nur als Übergangsregierung. Und Neuwahlen stehen voraussichtlich erst im Oktober an.