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"Islamic Newthinking"

1. Juli 2011

Auf einer internationalen Tagung in Essen debattierten Intellektuelle, islamische Gelehrte und Wissenschaftler über zentrale Themen im Islam.

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Tagung Islamic Newthinking (Foto: Georg Lukas)
Bild: Georg Lukas

Nichts wäre dem ägyptischen Reformtheologen wohl lieber gewesen, als viele kontroverse Debatten rund um sein geistiges Vermächtnis zum Islam. Der Ägypter Nasr Hamid Abu Zayd verstarb am 5. Juli letztes Jahr und gilt als einer der führenden liberalen Denker im Islam. Ihm zu Ehren fand nun erstmals in Deutschland eine Tagung unter dem Titel "Islamic Newthinking" statt. Angereist waren Intellektuelle, Gelehrte und Theologen aus aller Welt, um seine kritischen Reformansätze aufzugreifen und weiter zu entwickeln.

Im Fokus der dreitägigen Konferenz war eine innerislamische Auseinandersetzung zu zentralen Themen. Sehr kontrovers etwa wurde über eine zeitgemäße Koraninterpretation debattiert. Eine harte aber faire Auseinandersetzung zwischen einem syrischen Intellektuellen und einem iranischen Gelehrten über die zeitgemäße Herangehensweise an Korantexte blieb jedoch ergebnislos. "Das Interessante für uns Nichtmuslime war, dass dies nicht etwa eine Diskussion zwischen Ost und West war, sondern das war eine Diskussion zwischen Muslimen", sagt Stefan Wild. Er ist emeritierter Professor für Islamwissenschaft an der Universität Bonn und gilt in Deutschland als ausgewiesener Kenner des Islams. Trotz eines erwünschten innerislamischen Diskurses waren gezielt auch nichtmuslimische Wissenschaftler unter den Gästen - viele von ihnen Freunde des verstorbenen Vordenkers.

Muslimische Frauen sollen predigen

Nasr Hamid Abu Zayd's Koranverständnis, das eine moderne literaturwissenschaftliche Analyse zulässt, sorgte für einen Eklat in der islamischen Welt, ebenso seine Koraninterpretation zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau.

Amina Wadud auf der Tagung Islamic Newthinking (Foto: Georg Lukas)
Amina WadudBild: Georg Lukas

Zentrales Anliegen dieser Tagung war somit auch eine Debatte über Frauenrechte im Islam. Amina Wadud ist eine der prominentesten muslimischen Frauenrechtlerinnen. Weltweit bekannt wurde die heute 58-Jährige, als sie im März 2005 als Frau ein traditionelles Freitagsgebet vor einer gemischten Gemeinschaft in New York leitete. Ein Eklat in der islamischen Welt. Viele werteten dies als historisches Ereignis. Inzwischen habe man diesbezüglich einiges erreicht. „Dass die ‚Mohammedia' in Indonesien, als zweitgrößte m"slimische Organisation weltweit, entschieden hat, Frauen unter bestimmten Umständen bei der Leitung der Gebete zu beteiligen, das ist die bisher größte Errungenschaft seit der Freitagspredigt 2005, sagt Amina Wadud."

Vereinbarkeit von Islam und Demokratie

Auch auf der Agenda der Tagung standen Reformansätze zu kritischen Fragen, etwa der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie.

Farid Esack auf der Tagung Islamic Newthinking (Foto: Georg Lukas)
Farid EsackBild: Georg Lukas

Der südafrikanische Theologe Farid Esack referierte darüber hinaus zum Thema "Juden im Koran". Er hatte in Pakistan islamisches Recht und Theologie studiert, sich in der Anti-Apartheids-Bewegung engagiert, bevor er als Gleichstellungsbeauftragter unter der Regierung Mandela tätig wurde. Er steht für einen zeitgemäßen Islam. "Ich habe überhaupt keinen Zweifel an der Vereinbarkeit gläubiger Muslime mit der Idee, dass ein Volk seine eigene Regierung wählen muss und auch das Recht hat, sie wieder abzuwählen", betont Farid Esack. Weiter sagt er: "Das alles hat auf demokratischem Wege - also nach dem Willen des Volkes - zu erfolgen. Es ist nicht damit getan, bewaffnete Soldaten in andere Länder zu schicken und die eigenen Werte einem anderen Volk aufzuzwingen". Mit seiner Haltung trifft der südafrikanische Theologe vermutlich den Nerv vieler Tagungsteilnehmer, die sich zumeist als Vertreter eines modernen Islams sehen.

Etablierung eines innerislamischen Diskurses

Veranstaltet wurde die Konferenz "Islamic Newthinking" vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) in Kooperation mit der Universität Zürich. Dort lehrt zur Zeit die deutsch-iranische Journalistin und Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. Zusammen mit dem iranisch-deutschen Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani initiierte und leitete sie diese Tagung in Deutschland. Ihr erstes Fazit: "Es ist sehr gut zu sehen, wie diese Leute alle um einen Tisch herum sitzen und anfangen, sich untereinander auszutauschen". Weiter sagt sie: "Es ginge vor allem darum, einen innerislamischen Diskurs zu etablieren. Die Vorraussetzungen in Deutschland seien ideal, "und es scheint auch so, als würde das fortgesetzt werden."

Autorin: Ulrike Hummel
Redaktion: Christina Beyert