1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Papst Bilanz

25. September 2011

Sucht Stärke im Glauben und in der Einheit der Kirche - dies war die Botschaft des Papstes bei seiner Deutschland-Reise. Zweifler, Kritiker und Protestanten konnten damit nicht zufrieden sein. Klaus Kraemer kommentiert.

https://p.dw.com/p/12gEJ
Bild: DW

Da steht er in strahlendem Weiß, freundlich lächelnd, winkend, predigend, segnend auf der Kommandobrücke seines riesigen "Kreuzfahrtschiffs" mit Namen "Katholische Kirche". Keine Frage - Papst Benedikt XVI. hält als "Kapitän" das Ruder fest in der Hand. Er sagt, wohin die Fahrt dieses Schiffs geht auf den Weltmeeren von Glauben, Religion, Ethik und Politik. Und er hat viel erreicht auf der Reise in seine deutsche Heimat. Seit Jahren schon wurde hierzulande nicht mehr so viel über Glaubensfragen diskutiert. Der 84-Jährige hat zweifellos auch Menschen außerhalb der Kirche zum Nachdenken gebracht. Ob sie nun zu den Jublern gehören oder zu den Protestierern.

Die Untiefen der Politik umschifft er, indem er bei der Rede vor dem Bundestag - ganz Professor - philosophische Gedanken über Gewissen und Ethos offenbart, die die Mehrheit des hohen Hauses vielleicht nachvollziehen, vermutlich aber selbst kaum in Worte gießen kann. Die Begegnungen mit den "Kapitänen" des politischen und gesellschaftlichen Lebens sind, wie nicht anders zu erwarten, von freundlichen Worten und Gesten geprägt. Gleiches gilt für die Treffen mit Delegationen der Juden und Muslime. Außer Diplomatie also nichts Besonderes im Hafen der Verständigung.

Symbolische Gesten in Erfurt

Porträt Klaus Kraemer im Studio, Leiter der Redaktion Religion und Kirche (Foto: DW)
Klaus Kraemer ist Leiter der Redaktion Religion und Kirche bei der DWBild: DW

Das trifft auch zu für das mit zu vielen Hoffnungen und Erwartungen überfrachtete ökumenische Spitzentreffen mit den Kirchen der Reformation. Immerhin war die Begegnung mit evangelischen Kirchenvertretern im Erfurter Augustinerkloster, also dem Ort, wo die Reformation im 16. Jahrhundert durch Martin Luther gedanklich begann, ein starkes Symbol, und war die dezente Würdigung des Reformators Luther. Allerdings bleibt Kapitän Benedikt eine Kursbestimmung in der Ökumene schuldig. Noch nicht einmal der vage Ansatz einer die Konfessionen verbindenden Perspektive kommt ihm über die Lippen. Und der Umarmung mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, folgt tags darauf die Ohrfeige in Form einer Liebeserklärung an die Orthodoxen.

Der Papst geht nicht ein auf die Beschwernisse von gläubigen Katholiken und Protestanten in konfessionsverschiedenen Ehen. Er äußert sich nicht zum Wunsch nach einem gemeinsamen Abendmahl für alle, der von Repräsentanten der evangelischen Kirche und Politikern gleichermaßen mit deutlichen Worten angesprochen wurde. Keine Annäherung also, obwohl doch vereinte Kräfte beim Erreichen gleicher Ziele die Erfolgsaussichten bekanntlich erhöhen. Stattdessen: Die katholische Kirche ist das "Kreuzfahrtschiff", die evangelische bestenfalls das "Containerschiff" in dessen Fahrwasser. Man darf auf die Reaktionen der rund 700 Millionen Protestanten weltweit gespannt sein.

Einheit in Treue zum Vatikan

"Kurs halten", so lautet mutmaßlich der Befehl Kapitän Benedikts. Kurs halten auch mit Blick auf die eigenen Passagiere an Bord. Die Bilder von jubelnden, ergriffenen, betenden, andächtig zuhörenden Gläubigen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es rumort unter Deck - zumindest in vielen Kabinen deutscher Katholiken. Viele Reformwillige, darunter auch Bischöfe, erhofften sich einen orientierenden Hinweis, wie mit den strittigen Fragen - Zölibat, Frauendiakonat, aber auch der stärkeren Beteiligung von Laien im Gemeindeleben - umzugehen sei. Vom Mann auf der Kommandobrücke kommen jedoch statt Gesprächsangebote nur altbekannte Appelle zur Einheit mit der Weltkirche und zur Treue gegenüber dem Vatikan. Die Kirche in Deutschland werde für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibe, wenn Priester, Ordensleute und Laien in Einheit zusammenarbeiten. Wen wundert es angesichts dessen, dass immer mehr Katholiken in Rettungsboote steigen. Fast 182.000 verließen 2010 die katholische Kirche.

Undeutlich zum Thema Missbrauch

Der Hauptgrund für diese Massenaustritte liegt jedoch am Bekanntwerden der Missbrauchsskandale durch katholische Geistliche. Ein Thema, das Benedikt XVI. während der vier Tage in Deutschland nicht offen ansprach, obwohl ihn diese Verbrechen tief erschüttern. Dass er fünf Missbrauchsopfer zu einem geheim gehaltenen Gespräch trifft, ist natürlich ein Zeichen. Allerdings hätten klare Aussagen gar nicht erst den Anschein erweckt, verschweigen und vertuschen zu wollen. Denn genau diesen Vorwurf erheben jetzt Betroffenenverbände der Missbrauchsopfer. Und so verwundert es auch nicht, dass deutsche Reformkatholiken noch vor der Abreise ihres "Kapitäns", tief enttäuscht, offen zur Meuterei aufrufen. Die Gläubigen sollten künftig ihrem Gewissen folgen. Von diesem Papst seien keine weiteren Impulse zu erwarten.

Also: das Kreuzfahrtschiff "Katholische Kirche" bleibt auf Kurs. Offen bleibt die Frage, ob es das fixierte Ziel seiner Mission erreicht, nämlich diesem Globus und seinen Menschen Gott oder zumindest eine christliche Ethik zu vermitteln. Gebrauchen könnten sie es.

Autor: Klaus Kraemer

Redaktion: Hans Spross