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Vom verseuchten Hafen zur grünen Oase

Anne-Sophie Brändlin, Ruth Krause /kf18. August 2015

Unternehmer in Amsterdam haben eine alte, verseuchte Werft in ein modernes Labor für grüne Technologien verwandelt. Alles soll hier nachhaltig bleiben. Selbst menschliche Fäkalien werden zu einem wichtigen Rohstoff.

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Klima-Roadtrip nach Paris - De Ceuvel
Bild: DW/A.-S. Brändlin

Amsterdam ist eine Wasserstadt. Das kühle Nass fließt hier durch einige der schönsten Kanäle der Welt - aber darin baden möchte wohl kaum jemand. Denn rostige Fahrräder, Plastikabfälle und ungeklärte Abwässer verwandeln das Wasser vielerorts in eine dreckige, unansehnliche Brühe. Eine kurze Fährfahrt vom Stadtzentrum entfernt sieht das Wasser ganz anders aus. Hier hat sich die Van-Hasselt-Gracht in eine grüne Oase verwandelt. Und das, obwohl sie als kaum noch zu retten galt.

80 Jahre lang gehörte der Kanal im Norden von Amsterdam zu einer Schiffswerft. Durch die industrielle Nutzung landeten über Jahrzehnte Schwermetalle und Chemikalien im Wasser. Als die Werft im Jahr 2000 geschlossen wurde, blieb für mehr als ein Jahrzehnt ein toter Kanal zurück. Die Wende kam im Jahr 2013, als eine Gruppe Freiwilliger, angetrieben vom kreativen Geist der Stadt, begann, das verseuchte Gebiet neu zu gestalten.

#link:http://deceuvel.nl/:"De Ceuvel"# entstand, ein kreativer und selbständiger Arbeitsraum für Kreative, die sich auf grüne Technologien spezialisiert hatten. Ein knappes Jahr nach der Eröffnung ziehen 15 Büros und Studios in runderneuerten Hausbooten eine bunte Mischung aus Hipstern, Künstlern, Hippies und Startup-Gründern an. "De Ceuvel" ist zu einem Hotspot für erneuerbare Energien geworden. Aber, wie haben sie das geschafft?

Kreativ werden

Am Anfang stand eine unangenehme Erkenntnis: Auf kontaminiertem Boden lassen sich keine Büros errichten. Hier war Erfindergeist gefragt, sagt Guus van der Ven von #link:http://www.metabolic.nl/:"Metabolic"#. Sein Beratungsunternehmen hat die Nachhaltigkeitspläne für das Gebiet entwickelt und umgesetzt. "Wegen der verseuchten Böden konnten wir nicht tiefer als 50 Zentimeter graben. Das bedeutet, es können keine Fundamente, keine Abwasserkanäle oder Gasleitungen gelegt werden. Wir mussten also kreativ werden", so van der Ven gegenüber der Deutschen Welle.

Um diese Probleme zu meistern, nutzten van der Ven uns ein Team eine ganze Reihe grüner Technologien: Solarbetriebene Klimaanlagen und Heizungen zum Beispiel, aber auch Komposttoiletten und ein paar andere erstaunliche Low-Tech-Lösungen.

Grün und Low-Tech: Pflanzen als Abwasseranlage

Anstelle einer konventionellen Kläranlage setzten die Architekten etwa auf die Fähigkeit von Pflanzen, Abwässer zu filtern. Die Wurzeln von Weiden, Hanf oder Bambus erzeugen Bakterien, die Abwasser reinigen können. "Das ist eine einfache, billige und natürliche Alternative zu einer Kläranlage", sagt van der Ven. Weder Pumpen noch Abwasserrohre werden gebraucht. Die Mieter müssen lediglich biologisch abbaubare Seife benutzen. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: "De Ceuvel" verbraucht 75 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Büros.

Um den verseuchten Boden zu säubern, nutzt die Gemeinschaft ein ähnlich ausgeklügeltes System. Die Hausboote liegen an einem Bambussteg, der mit bodenreinigenden Pflanzen gesäumt ist. Diese sogenannten Hyperakkumulatoren absorbieren hohe Konzentrationen an Metallen und stabilisieren außerdem den Boden. Die Pflanzen müssen allerdings jedes Jahr entfernt und neu gepflanzt werden. Am Ende verringert sich so Jahr für Jahr die Bodenverschmutzung.

"Anstelle hunderter LKW-Ladungen mit verseuchtem Erdreich entstehen so einige Kubikmeter mit konzentrierter Schadstoffbelastung", sagt van der Ven. De Ceuvels Boden sei inzwischen viel sauberer. Leider, räumt van der Ven ein, sei noch nicht ganz klar, wie sie die belasteten Pflanzen entsorgen können.

Lebensmittel anbauen mithilfe menschlichen Düngers

Grundsätzlich wir bei De Ceuvel allerdings nichts verschwendet - dank der Komposttoiletten nicht einmal die Exkremente der Mitarbeiter. Aus den organischen Abfällen der Gemeinschaft wird Dünger hergestellt, der beim Anbau von Lebensmitteln im Gewächshaus hilft. Natürlich erst, wenn sichergestellt ist, dass er keine Erreger mehr enthält.

"Dann essen wir die Lebensmittel, die mit unseren eigenen Fäkalien gedüngt wurden, gehen zur Toilette und nutzen die Fäkalien erneut, um noch mehr Nahrungsmittel anzubauen. So schließen wir den Kreis", erläutert van der Ven. “Wir möchten zeigen, dass es auch in einem städtischen Umfeld möglich ist, einen Nährstoffkreislauf einzurichten."

Außerdem gewinnt die Gemeinschaft Phosphat aus Urin, der in den wasserlosen Urinalen des Café De Ceuvel gesammelt wird. Während Unternehmer, Familien und Touristen also die Nähe zum Wasser genießen, sorgen sie gleichzeitig dafür, dass Pflanzen mit Phosphat einen Dünger erhalten. In der Natur wird dieser nämlich knapp, weil Phosphatgestein, die einzige sonstige Quelle für den Nährstoff, massiv abgebaut wird.

"Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie stark wir die weltweiten Vorkommen ausbeuten, stellt sich doch die Frage: Warum sollten wir nicht unsere menschlichen Ausscheidungen, die wichtige Nährstoffe beinhalten, verwenden, um damit Nahrungsmittel anzubauen?", so van der Ven.

Nachhaltigkeit mit sozialem Aspekt

Die grünen Lösungen, die bei De Ceuvel entwickelt werden, sollen nicht nur technisch etwas verändern, sondern auch sozial. "Wir denken, dass technischer Fortschritt wichtig ist", sagt van der Ven. "Aber wir sind überzeugt, dass es sehr wichtig ist, die Menschen einzubeziehen, um ein Bewusstsein und ein Verantwortungsgefühl für Nachhaltigkeit zu schaffen."

Aus diesem Grund haben wurden alle Mieter vor ihrem Einzug dazu ermutigt, ihre Wasserfilterungssanlagen selbst zu bauen. So sollte sich ein gemeinschaftliches und nachhaltiges Gewissen ausprägen, noch bevor die Coworking-Plätze überhaupt eröffnet wurden.

"Weil sie wissen, wie viel Arbeit im Bau der Anlage steckt, nutzen unsere Mieter in ihren Büros auch keine Seife, die nicht biologisch abbaubar ist. Die würde die Filter zerstören", ergänzt van der Ven lachend.

Alle Technologien auf dem Gelände sind dezentral angelegt. Jedes Boot hat seine eigene Komposttoilette, seine eigenen Solarpaneele und seine eigene Wärmepumpe. Weil die Mieter in den Bauprozess eingebunden wurden, passen sie von allein auf die Einrichtungen auf.

"De Ceuvel ist der Beweis dafür, dass man keine großen Unternehmen benötigt, die ein aufwendiges und teures Abwasser- und Heizungssystem bauen und es dann von China aus überwachen. Es funktioniert direkt vor Ort und auf natürliche Art und Weise, wenn du eine nachhaltige und umweltbewusste Gemeinschaft aufbaust", sagt van der Ven.

Noch gibt es eine Menge zu tun. Unklar ist, was mit den schadstoffbelasteten Pflanzen passieren soll. "Genau aus diesem Grund sehen wir das hier als ein technisches Versuchslabor", so van der Ven. "Wir probieren unterschiedliche grüne Technologien aus. Dabei wählen wir gezielt jene Technologien aus, die sich noch nicht durchgesetzt haben und schauen, ob sie in Zukunft eine Lösung sein können."

Schamtische zeichnung (Foto: DW/A.-S. Brändlin)
"Einen geschlossenen Nährstoffkreislauf in einem städtischen Umfeld einzurichten, ist durchaus etwas Besonderes, in Holland, aber auch im Rest der Welt", sagt van der VenBild: DW/A.-S. Brändlin
Blick aus einem Cafe mit Tisch und Sesseln (Foto: DW/A.-S. Brändlin)
Auch die Besucher des Café De Ceuvel helfen dabei, den Nährstoffkreislauf zu schließen: Ihr Urin wird für die Düngung der Pflanzen, die im Treibhaus wachsen, verwendetBild: DW/A.-S. Brändlin
Eine Komposttoilette (Foto:DW/A.-S. Brändlin)
Bei De Ceuvel werden menschliche Fäkalien in Komposttoiletten gesammelt und dann für die Düngung von Nutzpflanzen verwendetBild: DW/A.-S. Brändlin
Ein Mann steht neben hohen, grünen Pflanzen (Foto:DW/Anne-Sophie Brändlin, Amsterdam)
Schnell wachsende Pflanzen, wie Elefantengras, säubern den Boden von De Ceuvel auf natürliche Art und WeiseBild: DW/Anne-Sophie Brändlin
Häuser liegen an Holzstegen (Foto: DW/Anne-Sophie Brändlin, Amsterdam)
Wo früher eine alte, schadstoffbelastete Schiffswerft war, ist heute Platz für kreative Büros und Studios. Die befinden sich in aufgemöbelten Hausbooten, vertäut an einem gewundenen BambusstegBild: DW/Anne-Sophie Brändlin