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Wasserkrise in Mexiko-Stadt

Jennifer Collins / jg20. Oktober 2015

Die Wasserversorgung in Mexiko-Stadt ist eine Katastrophe für die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt - Überflutungen und Wasserknappheit sind Alltag. Regenwasser soll Abhilfe schaffen.

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Bildergalerie Das Recht auf sauberes Wasser Mexiko Tanklaster
Bild: AP

Der dunkle Himmel hat seine Schleusen geöffnet, starker Regen ergießt sich über Mexiko-Stadt. Das Wasser strömt aus der Kanalisation, überschwemmt Straßen, sucht sich seinen Weg über Stufen bis hinab in die U-Bahn. In einigen Gemeinden werden Häuser und Läden überflutet. Die Menschen suchen nach Schutz, verkriechen sich unter Regenschirmen und springen über große Pfützen.

Es ist das Ende der Regenzeit und der Gang durch Mexiko-Stadt gleicht einem Hindernislauf.

Die regelmäßigen Überflutungen sind ein Symptom der maroden Wasserinfrastruktur, die trotz rasanten Bevölkerungswachstums jahrelang vernachlässigt wurde. Der Überfluss an Wasser zur Regenzeit ist bittere Ironie, täuscht er doch über eine andere Misere hinweg - die zunehmend gravierende Wasserknappheit.

Fast 30 Prozent aller Wohnhäuser, vor allem in #link:http://docsdf.org/en/h2omx/:Armenvierteln#, haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Das, was aus dem Wasserhahn kommt, ist kaum mehr als flüssiger Schlamm. Manche Gemeinden haben gar keinen Zugang zu Wasser und müssen es von den Lastwagen der herumfahrenden Händler kaufen.

Im #link:http://www.pbs.org/newshour/bb/mexico-city-water/:Bezirk Iztapalapa# hängt die Wasserversorgung von zwei Millionen Menschen von 1000 dieser Wasser-Lastwagen ab. Doch die reichen bei weitem nicht aus, um den Wasserbedarf für persönliche Hygiene, Wäschewaschen und Kochen zu decken.

Zum Trinken ist dieses Wasser ohnehin nicht geeignet, viele Mexikaner müssen sich daher ihr Trinkwasser zu hohen Preisen kaufen.

Diese Krise könnte außer Kontrolle geraten, da sich durch den Klimawandel die Konkurrenz um Wasser zunehmend verschärft, meint #link:https://www.msu.edu/unit/phl/devconference/Barkin.htm:David Barkin#, Wirtschaftsprofessor an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko. "Eine der größten Auswirkungen des Klimawandels in Mexiko wird eine dramatische Veränderung der Verfügbarkeit von Wasser sein. Das wird zu sehr schweren Konflikten führen."

Wasser fließt die Treppen zur U-Bahn herab
Überflutungen und Wasserknappheit sind Alltag in Mexiko-StadtBild: CC BY 2.0/ Isaí Moreno

Eine Stadt versinkt

Die Wassermisere der Stadt reicht weit zurück. 1521, als die Spanier Tenochtitlán, die Hauptstadt der Azteken, das heutige Mexiko-Stadt, eroberten, waren sie von den Bauten und Reichtümern fasziniert, erklärt #link:https://history.stanford.edu/people/mikael-wolfe:Mikael Wolfe#, Historiker an der Stanford Universität. Das feudale Tenochtitlán lag auf einer Insel im Texcoco-See und hatte 200.000 Einwohner. Ein zuverlässiges Wassermanagementsystem schützte die Stadt vor Überflutungen und versorgte die Bewohner mit Trinkwasser.

Trotz ihrer Bewunderung für die Stadt, verfolgten die spanischen Eroberer andere Pläne, erzählt Mikael Wolfe, innerhalb weniger Jahrzehnte begannen sie mit einem Großprojekt. Das Ziel war, den See trockenzulegen, um intensiv Landwirtschaft zu betreiben und die Stadt zu vergrößern.

Die Kolonialherren erschlossen weitere Seen und unterirdische Grundwasservorräte, eine Praxis die bis heute vorherrscht. Aber die Trockenlegung der Grundwasservorräte hatte weitreichende Konsequenzen: Mexiko-Stadt ist laut #link:http://www.sacmex.df.gob.mx/img/sacm/libro_sacmex/libro_sacmex.pdf:Einschätzung der Regierung# in den letzten 60 Jahren um 10 Meter abgesunken.

Die Einwohnerzahl der Stadt und ihrer Vororte ist schier explodiert. 22 Millionen Menschen, intensive Landwirtschaft und eine wachsende Industrie benötigen mehr Wasser als die Seen noch bieten können. Mitte des 20. Jahrhunderts begann Mexiko-Stadt, sein Wasser über hunderte Kilometer hinweg aus den Flüssen Cutzamala und Lerma zu beziehen. Bis heute werden etwa 30 Prozent des Wassers auf diesem Weg in die Stadt geleitet. In Anbetracht der Umstände, dass Mexiko-Stadt in einem Tal hoch in den Bergen liegt, ist das eine bemerkenswerte Ingenieursleistung, aber keine nachhaltige Lösung.

Zudem werden auf diese Art auch die entfernten Seen ausgetrocknet und die dort lebende Bevölkerung ihrer Ressourcen beraubt, gewaltsame Proteste sind an der Tagesordnung.

All das müsste nicht sein, denn im Gegensatz zu anderen Städten und Regionen ist die Wasserknappheit in Mexiko-Stadt nicht die Ursache von Dürren oder einer unvorteilhaften geographischen Lage. "Das ist keine Wasserkrise, sondern eine Krise der politischen Steuerung", meint David Barkin. "Mexiko-Stadt wäre durchaus in der Lage, eine Wasserversorgung von bester Qualität sicherzustellen, wenn die Infrastruktur ausgebaut werden würde."

Die Kathedrale von Mexiko-Stadt
Die Kathedrale von Mexiko-Stadt ist eines der vielen Gebäude, die im schlammigen Grund absinkenBild: Public domain / Juan Fernando Ibarra

Wasser, überall Wasser

Bis zu 40 Prozent des Wassers der Millionenstadt gehen allein durch undichte Stellen in den Wasserrohren verloren. Fachleute sind sich sicher, nachhaltige Wasserspeicheranlagen, betrieben durch lokale Gemeinden, könnten das Problem eindämmen.

Bis es soweit ist, bekommen die Einwohner nasse Füße, während sie durch die Pfützen waten, die die Untätigkeit der Regierung symbolisieren. Doch einige Sozialunternehmer versuchen, das Problem auf eigene Faust in den Griff zu bekommen. Sie betrachten die heftige Regenzeit als Vorteil, denn das Regenwasser könnte aufgefangen werden.

Die Casa de Los Amigos, ein zentral #link:http://www.casadelosamigos.org/:gelegenes Gästehaus#, das sich sozialer Gerechtigkeit verschrieben hat, installierte bereits 2014 ein System, mit dem Regenwasser gesammelt und gereinigt werden kann.

"Unser Regenwasser-Auffangsystem ist ein gutes Beispiel dafür, wie einfach es für viele Familien in Mexiko-Stadt sein könnte", erzählt Hayley Hathaway, die Leiterin des Gästehauses, das wie andere Unternehmen und Hotels durch zahlreiche Schilder seine Gäste darauf hinweist, kein Wasser zu verschwenden. "Wenn es regnet, wird die Stadt quasi überflutet, es ist eine Katastrophe. Hätte jeder ein Auffangsystem für Regenwasser, würde es das Problem zu einem gehörigen Teil lösen."

Laut der gemeinnützigen Organisation Isla Urbana, die Regenwasser-Auffangsysteme in den ärmeren Gemeinden der Stadt installiert, schützen solche Systeme nicht nur vor Überschwemmungen, sondern könnten auch den Wasserbedarfs von Mexiko-Stadt zu 30 Prozent decken. Isla Urbana wurde 2009 gegründet und kauft alle Materialien für die 305 Euro (350 Dollar) teuren Auffangsysteme bei lokalen Händlern ein und zeigt Hausbesitzern, wie sie ihre eigenen Anlagen bauen und warten können. Bis heute haben sie fast 2000 solcher Anlagen in der mexikanischen Hauptstadt installiert.

Freiwillige und Angestellte des Gästehauses Casa de los Amigos inspizieren ihr neu installiertes Regenwasser-Auffangsystem
Das Gästehaus Casa de los Amigos ist eines der Gebäude, die ein Regenwasser-Auffangsystem installiert haben. Von links nach rechts: William Tetler, Freiwilliger aus Großbritannien, Daniel Otero, Freiwilliger aus Mexiko und Marcus Levy, Freiwilliger aus den USABild: Casa de los Amigos

Lokale Wasserinitiativen sind schon aktiv

Aber Ramón Aguirre Díaz, der Leiter der Wasserverwaltung von Mexiko-Stadt hat wiederholt betont, das Potential der Regenwasser-Auffangsysteme sei übertrieben. In einem Interview mit dem #link:http://www.pbs.org/newshour/bb/mexico-city-water/:US-amerikanischen Sender PBS# sagte Diaz, selbst ein flächendeckendes System würde den Wasserbedarf der Stadt zu höchstens zehn Prozent decken, und selbst das sei eine großzügige Schätzung.

"Der Aufbau einer Infrastruktur, mit der man das Wasser auffangen, speichern und reinigen könnte, ist nicht finanzierbar," so Diaz. Er fügte hinzu, die Verwaltung erarbeite einen eigenen #link:http://www.conagua.gob.mx/english07/publications/StrategicProjects.pdf:umfassenden Plan#, um die Lecks an den Wasserrohren zu flicken, Wasser wiederaufzubereiten und die Grundwasservorkommen aufzufüllen. Darüber hinaus würden die Einwohner dazu aufgefordert, sparsam mit Wasser umzugehen.

Mikael Wolfe ist der Meinung, Mexiko habe sich schon immer schwer damit getan, eine nachhaltige Wasserpolitik einzuführen, selbst in Zeiten, in denen keine Interessenkonflikte oder Korruptionsprobleme herrschten. "Regierungsbehörden wie das Ministerium für Wasserressourcen, das sich heute Nationale Wasserkommission nennt, haben stets langfristige Pläne zum Schutz der Wasservorkommen gehabt, aber diese kaum umgesetzt", sagt Mikael Wolfe.

Barkin und Wolfe setzen, wie viele andere auch, ihre Hoffnungen auf lokale Initiativen und Graswurzelbewegungen wie Isla Urbana. "Ich glaube Veränderungen sind nur auf lokaler Ebene möglich, nicht durch die nationale Wasserpolitik", sagt Barkin. "Die lokalen Initiativen hingegen können Einfluss auf den Umgang mit Ressourcen haben und eine nachhaltige, umweltfreundliche Wasserpolitik mitgestalten."