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Erbitterter Kampf um einen uralten Wald

Anne-Sophie Brändlin, Ruth Krause17. August 2015

Im Hambacher Forst kämpfen Umweltaktivisten einen ungleichen Kampf, um den alten Wald zu retten. Sie legen sich mit einem Energieriesen an, ketten sich an Bagger und wohnen sogar in den Bäumen.

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Braunkohletagebau Hambach Schaufelradbagger
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarin

Der Kampf um den alten und ehrwürdigen Hambacher Forst erinnert an die Geschichte vom Kampf Davids gegen Goliath. Auf der einen Seite: junge, barfüßige Aktivisten, die ohne große Besitztümer in Wohnwagen leben. Auf der anderen Seite: Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern RWE. Während die einen den Wald retten wollen, ist der andere dabei, ihn abzuholzen.

Der Kampf hat in der Nacht zum Montag (17.08.2015) an Fahrt aufgenommen. Im benachbarten Tagebau Garzweiler haben mehrere hundert Umweltaktivisten einen Bagger besetzt um damit den Braunkohleabbau in der Kölner Bucht zu behindern. Nach Angaben der Polizei hatten sie sich auch an vier Gleisabschnitte der Hambachbahn gekettet. Mit ihr wird die Braunkohle vom Tagebau Hambach zu den angrenzenden RWE-Kraftwerken befördert.

Hambach ist der größte Kohletagebau Deutschlands. Er ist genauso in Besitz von RWE wie die blockierte Bahnstrecke. Die begehrten Kohlevorkommen liegen unter dem uralten Hambacher Forst, dessen Bäume den Baggern weichen sollen. 80 Prozent des Waldes sind bereits seit den 1970er-Jahren verschwunden.

Gut 30 Aktivisten haben in dem Wald ein dauerhaftes Camp errichtet, um die restlichen Bäume zu schützen. Dabei sind auch der 25-jährige Mori und die 19-jährige Mila. Sie lieben den Wald. Ganz besonders aber liegt beiden Mona am Herzen, ein 250 Jahre alter Baum. In seinem Wipfel haben sie ihr illegales Lager, ein Baumhaus, errichtet. Der Blick aus 16 Metern Höhe ist atemberaubend, der Aufstieg hierher, beschwerlich. Nur über ein dünnes Seil kann man das Lager erreichen. Nicht jeder soll hier hoch kommen können. Durch ihre Anwesenheit, hoffen Mori und Mila die schweren Maschinen der Forstarbeiter stoppen zu können.

"Der Kohletagebau hier ist einer von Europas größten CO2-Produzenten, und deshalb finde ich es wichtig, genau hier zu sein und Widerstand zu leisten", ist Mori überzeugt. Wie die anderen Aktivisten auch, ist Mori über die CO2-Emissionen besorgt, aber noch mehr beschäftigt ihn das drohende Los des Waldes.

Es geht nicht um irgendeinen Wald oder Tagebau

Jegliche Zerstörung eines Waldes wirkt sich negativ auf die Umwelt aus. Die Bäume kühlen das Klima, speichern CO2 und verlangsamen dadurch den Klimawandel. Umweltschützer argumentieren, dass der Hambacher Forst nicht mit anderen Wäldern gleichzusetzen sei: 12.000 Jahre ist er alt und besonders artenreich. Nach Angaben des "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland" (BUND) leben im Hambacher Forst 142 ökologisch besonders wertvolle Arten, darunter die Bechsteinfledermaus und andere Fledermausarten.

Der Gedanke daran, dass all das verschwinden könnte, treibt die Aktivisten an.

"Was ich hieran so furchtbar finde, ist, dass das alles aus Profitgier passiert", sagt Mila. "Es sind immer viele, die dadurch einen Nachteil haben und wenige, die damit Profit scheffeln. Aber wenn der Wald einmal weg ist, ist er für immer weg."

RWE hält dagegen, dass der Wald wichtig für die lokale Wirtschaft sei. Ungefähr ein Viertel des deutschen Stroms wird aus Braunkohle gewonnen. Allein der Hambacher Tagebau trägt nach Angaben von RWE fünf Prozent zum Energiebedarf bei. 1300 feste und weitere 700 Arbeiter hätten dadurch eine Einkommen, so der stellvertretende Tagebauleiter, Hermann Oppenberg.

"Die Aktivisten wollen, dass wir unser wirtschaftliches Tun sofort einstellen. Wir sind aber, was Genehmigungen und Verfahrenstechnik angeht, auf längere Zeiträume eingestellt. Wir können den Tagebau in diesem Zustand nicht einfach anhalten", erklärt Oppenberg. Würde der Tagebau stillgelegt, verlören viele Menschen ihre Arbeit.

Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht

Der Streit um den Hambacher Forst polarisiert die umliegenden Gemeinden. Komplette Dörfer sind dem Tagebau zum Opfer gefallen, auch die alte Heimat des Formel-1-Stars Michael Schumacher muss den Abrissbirnen weichen.

Aus Sorge, dass auch ihre Dörfer verschwinden könnten, unterstützen einige Anwohner die Aktivisten. Läden und Einwohner spenden Lebensmittel und andere Dinge. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die den wirtschaftlichen Aspekt über den ökologischen stellen. Sie befürchten, dass mit Ende des Tagebaus auch die Jobs verschwinden könnten.

Ein Ende der verfahrenen Situation scheint nicht in Sicht. Keine Seite will Abstriche machen. Innerhalb der letzten drei Jahre hat der Streit an Brisanz zugelegt. Während RWE die Aktivisten beschuldigt, gewalttätig gegen ihre Mitarbeiter vorgegangen zu sein, behaupten die Aktivisten vom RWE-Sicherheitsdienst dasselbe.

RWE darf noch bis 2040 in Hambach Kohle fördern, und noch sieht es auch so aus, als wollten sie daran festhalten. Oppenberg hält Braunkohle für unerlässlich: "Unser Wohlfahrtsstaat fußt zu einem guten Teil auf einer sicheren, preiswerten Energieversorgung. Die Braunkohle leistet einen sicheren Beitrag dazu."

Für Mila, Mori und die anderen Aktivisten kommt eine Rückkehr in ihr altes Leben nicht infrage. Auch wenn die Polizei sie bereits mehr als einmal festgenommen oder zum Verlassen des Waldes aufgefordert hat, kehren sie immer wieder zurück. Für Mila ist der Grund klar: Es geht hier nicht einfach um einen Wald, sondern darum, wie die Konsumgesellschaft mit den Ressourcen umgeht. Mila kämpft für eine Gesellschaft, in der Kohle nicht mehr gebraucht wird und die Menschen in Einklang mit der Natur leben.

"Bei unserem Widerstand geht es nicht nur darum, Aktionen zu machen, RWE zu schaden und zu blockieren, sondern auch darum, aufzuzeigen, dass es auch anders gehen kann."

Deutschland Morschenich
Der Ort Morschenich wurde verlegt, um dem Kohleabbau Platz zu machenBild: DW/A.-S. Brändlin
Braunkohle Aktivist Hambacher Forst
Mila, 19, und Mori, 25, wollen den Wald vor dem Verschwinden bewahrenBild: DW/A.-S. Brändlin
Braunkohle Aktivist Hambacher Forst
Umweltschützer leben in den Bäumen des Hambacher Forst, um sie zu beschützenBild: DW/A.-S. Bändlin